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Die große Rohstoff-Abhängigkeit

Deutschland hat wenig eigene Rohstoffvorkommen und ist daher auf Lieferungen aus dem Ausland angewiesen. Die Transformation der Wirtschaft hat dabei zu einer verstärkten Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen geführt. Drei Beispiele zeigen, dass die deutsche Wirtschaft bei diesen Ressourcen von einigen Lieferländern in erheblichem Maße abhängig ist. Daher müssen Unternehmen und Politik mehr tun, um die Versorgung Deutschlands langfristig zu sichern.

Kernaussagen in Kürze:
  • Deutschland ist bei wichtigen Rohstoffen für die Transformation der Wirtschaft von anderen Ländern abhängig, allen voran China.
  • Um die Abhängigkeiten für Lithium, Kupfer und seltene Erden zu senken, sind Recycling und höhere Material- und Rohstoffeffizienz ein effektiver Weg.
  • Darüber hinaus sollten die Unternehmen die Zahl ihrer Lieferanten vergrößern und auf langfristige Lieferverträge setzen.
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Klimaneutral und digital – so soll die Zukunft Deutschlands aussehen. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es neben innovativen Ideen und fachlicher Umsetzung vor allem die passenden Rohstoffe. Da die Bundesrepublik aber nur über geringe Vorkommen wichtiger Grundstoffe verfügt und die vorhandenen zum Teil auch nicht zutage fördert, ist sie auf ausländische Zulieferer angewiesen. Innerhalb des europäischen Binnenmarkts kann Deutschland seinen Bedarf nicht ansatzweise decken, weil – ähnlich wie im eigenen Land – auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten nur geringe Vorkommen zentraler Rohstoffe zu finden sind.

Um zum einen einen Überblick über den Markt für Rohstoffe zu bekommen und zum anderen die deutschen Abhängigkeiten besser einschätzen und einordnen zu können, hat die IW Consult zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung drei für die Transformation entscheidende Rohstoffe untersucht: Kupfer, Lithium und seltene Erden.

Recyling, eine größere Zahl an Lieferanten und die Förderung der eigenen Vorkommen können die deutsche Rohstoff-Abhängigkeit senken.

Kupfer. Für das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland ist Kupfer ein elementarer Rohstoff. Fast jeder vierte Beschäftigte dieses Wirtschaftsbereichs ist in der Produktion von kupferhaltigen Erzeugnissen tätig – das entspricht etwa 1,8 Millionen Menschen. Der Anteil an der Bruttowertschöpfung der Industrie liegt mit 30 Prozent sogar noch darüber. Er summierte sich im Jahr 2022 auf 216 Milliarden Euro. Am stärksten prägt der Rohstoff Kupfer den Bereich Elektrische Ausrüstungen – 86 Prozent der dort erzielten Bruttowertschöpfung war 2022 der Fertigung von kupferhaltigen Gütern zuzuschreiben. Im Sonstigen Fahrzeugbau und im Kraftfahrzeugbau betrug dieser Anteil 83 beziehungsweise 78 Prozent.

Kupfer liegt vor allem auf der anderen Seite des Atlantiks in den Böden (Grafik):

38 Prozent der weltweiten Kupferreserven sind in Südamerika zu finden, weitere 23 Prozent in Nordamerika.

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Deutschland importiert den Rohstoff in verschiedenen Wertschöpfungsstufen. Kupfererz und Kupferkonzentrat beziehen hiesige Unternehmen vor allem aus Peru, Chile und Brasilien – auf diese drei Länder konzentrierten sich im Zeitraum von 2016 bis 2020 knapp 70 Prozent der Importe.

Raffiniertes Kupfer stammte im selben Zeitraum zu mehr als einem Viertel aus Russland – nach den Sanktionen im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine ging der Anteil im Jahr 2023 allerdings auf 6 Prozent zurück. Weitere wichtige Lieferanten sind Polen, Finnland, Belgien und Schweden, auf die jeweils zwischen 11 und 13 Prozent der Importe von raffiniertem Kupfer entfielen.

Anhand der Angebotskonzentration – nur wenige Länder weltweit verfügen über relevante Kupfervorkommen oder exportieren in großem Maße kupferhaltige Produkte – und des Länderrisikos der Exportnationen lassen sich 19 Prozent der kupferhaltigen Importe als gefährdet einstufen. Dabei steigt die Gefahr entlang der Wertschöpfungskette. Das liegt daran, dass die ersten Schritte der Kupferverarbeitung einfach sind und kein spezifisches Fachwissen voraussetzen. Anders sieht das für Vorleistungs- und fertige Konsumgüter aus, wodurch sich deren Herstellung auf wenige Länder konzentriert – allen voran auf China.

Lithium. Ohne Lithium keine Elektromobilität – so einfach ist die Rechnung, bis alternative Batterien entwickelt werden. Auch in Smartphones ist das Metall in der Regel verbaut. Die größten Lithiumvorkommen gibt es auf dem südamerikanischen Kontinent (Grafik):

Bolivien, Argentinien und Chile verfügen zusammen über annähernd 60 Prozent der weltweiten Lithiumressourcen.

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Aus Chile kommt mit 72 Prozent auch der größte Teil der deutschen Importe von reinem Lithiumcarbonat. Betrachtet man allerdings zusätzlich Vorprodukte und fertige Güter, die Lithium enthalten, ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner. Im Jahr 2022 stammten rund 23 Prozent aller lithiumhaltigen Importe aus dem Reich der Mitte. Tschechien und die USA folgten mit jeweils 8 Prozent. Die Vormachtstellung Chinas führt dazu, dass der Anteil der gefährdeten deutschen Lithiumimporte mit 31 Prozent deutlich höher ist als der entsprechende Wert für Kupfer.

In der lithiumhaltigen Produktion sind in Deutschland rund 480.000 Menschen beschäftigt. Die vergleichsweise hohe Bruttowertschöpfung von 69 Milliarden Euro und der Produktionswert von etwa 216 Milliarden Euro lassen sich darauf zurückführen, dass der Kraftfahrzeugbau am stärksten in die Verwendung von Lithium eingebunden ist.

Seltene Erden. Im Sonstigen Fahrzeugbau und im Kraftfahrzeugbau wird mit 67 beziehungsweise 65 Prozent ein Großteil der Wertschöpfung mit Produkten erzielt, die seltene Erden enthalten. Ebenfalls stark auf den Rohstoff angewiesen sind die Hersteller von elektronischen und optischen Erzeugnissen (55 Prozent). In der Summe steuerte die Fertigung von Gütern, die seltene Erden enthalten, zuletzt mit rund 161 Milliarden Euro 21 Prozent der gesamten industriellen Wertschöpfung bei. Etwa 1,3 Millionen Menschen sind in diesem Bereich erwerbstätig – und damit 17 Prozent aller Beschäftigten des Verarbeitenden Gewerbes.

Auf den größten Reserven für seltene Erden sitzt China (Grafik):

Mehr als ein Drittel der weltweiten Vorkommen von seltenen Erden findet sich in der Volksrepublik.

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Weitere nennenswerte Vorräte besitzen Brasilien, Australien, Russland und Grönland.

Wie für Kupfer und Lithium geht auch für die seltenen Erden das größte importseitige Risiko für Deutschland von China aus. Von dort stammen rund 58 Prozent der Importe, die seltene Erden enthalten. Insgesamt lässt sich knapp ein Fünftel der eingeführten seltenen Erden oder Produkte mit dem Rohstoff als gefährdet einstufen.

Maßnahmen zur Reduzierung der Abhängigkeit

Um die Rohstoffversorgung insgesamt langfristig zu sichern und die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern zu reduzieren, kann Deutschland auf unternehmerischer und auf staatlicher Ebene gezielte Maßnahmen ergreifen:

  • Um weniger Rohstoffe beziehen zu müssen, sind ein verbessertes Recycling und eine höhere Material- und Rohstoffeffizienz ein effektiver Weg.
     
  • Unternehmen können ihren Rohstoffbezug absichern, indem sie zum einen langfristige Lieferverträge abschließen und zum anderen auf eine größere Zahl an Lieferanten setzen.
     
  • Deutschland und die anderen europäischen Länder könnten ihre eigenen Vorkommen stärker fördern. Unter dem Staatsgebiet der Bundesrepublik finden sich zum Beispiel etwa 3 Prozent der weltweiten Lithiumreserven. Wichtig ist dabei, fördernde Unternehmen mit schlanken Genehmigungsverfahren und Sicherheiten für ihre Investitionen zu unterstützen. Außerdem muss sicher-gestellt sein, dass die Rohstoffe innerhalb der EU weiterverarbeitet werden können.

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