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In der Corona-Krise drohen Engpässe

Welche Berufe sind in Deutschland unverzichtbar für die Grundversorgung der Bevölkerung und wo drohen in der Corona-Krise Fachkräfteengpässe? Weil es auf diese Fragen bislang keine eindeutigen Antworten gibt, ist das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) im Institut der deutschen Wirtschaft dem Problem in einer Studie nachgegangen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Das Institut der deutschen Wirtschaft hat 501 versorgungsrelevante Berufe in Deutschland identifiziert.
  • In fast der Hälfte dieser Berufe bestehen derzeit Fachkräfteengpässe oder sie sind aufgrund der Corona-Pandemie zu erwarten.
  • Um den Engpässen entgegenzuwirken, sollten die Bevölkerung, öffentliche Institutionen sowie Unternehmen mehr Informationen zum Fachkräftebedarf in diesen Berufen erhalten.
Zur detaillierten Fassung

Systemrelevant – dieser Begriff fiel in den vergangenen Tagen und Wochen oft, wenn es um die Grundversorgung der Bevölkerung in der Corona-Krise ging. Das Problem: Es gibt bisher keine einheitliche Definition und der Begriff ist eher unpassend. Denn es geht nicht um das „System“ der Wirtschaft, zu dem alle Branchen gehören, sondern um „kritische Infrastrukturen“ mit besonderer Bedeutung für die Grundversorgung der Bevölkerung und die öffentliche Sicherheit. Für diese Infrastrukturen haben Bund und Länder definiert, welche Branchen dazugehören und welche eben nicht.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat nun mit einer Studie eine einheitliche Grundlage für weitere Diskussionen geschaffen. Dabei sprechen die Forscher von „Versorgungsrelevanz“, da dieser Begriff zutreffender ist. Er wird zudem weiter gefasst als bisher, damit auch die für die Grundversorgung der Bevölkerung benötigten Wertschöpfungsketten berücksichtigt werden. So kann beispielsweise ein Arzt im Krankenhaus die Patienten nicht angemessen behandeln, wenn die Haustechnik nicht funktioniert oder es an Hygieneartikeln mangelt.

Engpässe in versorgungsrelevanten Berufen

Anders als bisher üblich haben die Forscher nicht mehr ganze Branchen als versorgungsrelevant definiert, sondern entsprechende Berufe. So ist zum Beispiel die Lebensmittelindustrie zwar grundsätzlich wichtig für die Versorgung der Menschen. Berufe, in denen alkoholische Getränke hergestellt werden, sind aber nicht versorgungsrelevant. Nach dieser Definition zeigt sich (Grafik):

In Deutschland gibt es insgesamt 501 versorgungsrelevante Berufe.

Zahl der versorgungsrelevanten Berufe je Sektor und deren Corona-bedingtes Engpassrisiko Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die meisten davon sind in den Bereichen Gesundheit (102), Transport und Verkehr (95) sowie Ernährung (68) zu finden. Blickt man auf die Fachkräftesituation in den versorgungsrelevanten Berufen, so zeigen sich Herausforderungen bei der Bewältigung der Krise.

In fast der Hälfte der versorgungsrelevanten Berufe bestehen derzeit Fachkräfteengpässe oder sie sind zu erwarten.

Um herauszufinden, wie sich die Fachkräftesituation in den einzelnen Bereichen im Detail darstellt, hat das IW einen Index anhand von vier Kriterien entwickelt:

 

 

  1. Mehrbedarf an Fachkräften wie derzeit im Gesundheitssektor,

 

 

  1. Fachkräfteengpässe vor der Corona-Krise,

 

 

  1. Wegfall von Arbeitskräften, zum Beispiel durch vermehrte Krankheitsfälle, und

 

 

  1. mögliches Aktivierungspotenzial, etwa durch Beschäftigte aus nicht versorgungsrelevanten Branchen.

Das Ergebnis der Berechnungen zeigt ein eindeutiges Bild:

Es gibt in Deutschland 27 Berufe, die besonders anfällig für Corona-bedingte Fachkräfteengpässe sind – 22 davon gehören zum Gesundheitssektor.

Den höchstmöglichen Indexwert acht und damit ein ausgesprochen hohes Risiko eines Fachkräftemangels hat das IW bei Fachkrankenpflegerinnen und -pflegern, Führungskräften im Gesundheitsbereich, wie beispielsweise Stationsleitungen, sowie Altenpflege-Spezialisten ausgemacht.

Es gibt in Deutschland 27 Berufe, die besonders anfällig für Corona-bedingte Fachkräfteengpässe sind.

Außerhalb des Gesundheitsbereichs weisen Berufe in der öffentlichen Verwaltung die höchsten Risiken auf.

In weiteren 195 versorgungsrelevanten Berufen besteht mit einem Indexwert von drei bis fünf ein erhöhtes Risiko, in der Corona-Krise durch einen Fachkräfteengpass in Versorgungsprobleme zu geraten.

Auch wenn der Gesundheitsbereich die meisten gefährdeten Berufe aufweist, sind andere Bereiche ebenfalls stark betroffen. So sind elf der 15 Berufe im Bereich Betreuung und Erziehung einem erhöhten Risiko eines Fachkräfteengpasses ausgesetzt.

Von den Berufen in der Kategorie Medizintechnik, Hygieneartikel und Verpackung trägt knapp die Hälfte ein erhöhtes Risiko, in der Transportbranche und der Verwaltung sind es jeweils 43 Prozent.

Auf der Grundlage dieser Informationen gilt es nun, die nächsten Schritte zu tun, um dem Fachkräftemangel in versorgungsrelevanten Berufen entgegenzuwirken.

So sollten Bevölkerung, öffentliche Institutionen sowie Unternehmen mehr Informationen zum Fachkräftebedarf in diesen Berufen erhalten. Ziel ist es, Angebot und Nachfrage durch intensiven Austausch und kluge Nutzung bestehender Plattformen effektiv zusammenzuführen. Stärker vereinheitlichte Regularien sowie ein zentrales Informationsportal aller Bundesländer würden dabei helfen. Außerdem sollten qualifizierte Arbeitskräfte noch leichter kurzfristig und vorübergehend in versorgungsrelevante Tätigkeiten wechseln können.

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