EU-Haushalt: Mehrwert statt mehr Geld
Die Europäische Union möchte in den Jahren 2021 bis 2027 nicht nur an der Ausgabenschraube drehen, sondern auch zusätzliche Einnahmequellen erschließen. Sinnvoll wäre jedoch das Gegenteil: Die EU sollte sich bei der Finanzierung auf eine der drei bisherigen Geldquellen fokussieren.
- Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2021 bis 2027 vorgelegt – er sieht real 5 Prozent mehr Mittel vor als der aktuelle Finanzrahmen.
- Der größte Ausgabenposten bleibt die Kohäsionspolitik: Zwar sind weniger Mittel dafür vorgesehen als zuletzt, doch es ließe sich noch mehr einsparen, würde sich die Regionalförderung auf jene Länder konzentrieren, die Hilfe wirklich nötig haben.
- Die Einnahmeseite würde dem Kommissionsvorschlag zufolge durch neue Finanzierungsquellen aufgebläht, darunter eine Abgabe auf Verpackungsmüll aus Plastik und eine EU-Beteiligung an den Einnahmen aus der Körperschaftssteuer.
MFR – so lautet die Abkürzung für den mehrjährigen Finanzrahmen, mit dem die EU ihre Ausgabenschwerpunkte festlegt. Der Vorschlag der EU-Kommission für den MFR 2021 bis 2027 liegt inzwischen auf dem Tisch, nun sollen sich die Mitgliedsstaaten auf die Finanzierung der EU für die Zeit nach dem Brexit einigen. Dabei geht es um viel Geld (Grafik):
Nach den Vorstellungen der Kommission soll der neue MFR insgesamt gut 1.279 Milliarden Euro an Mitteln für Verpflichtungen umfassen.
Diese Verpflichtungen setzen den Rahmen für die tatsächlichen Zahlungen (siehe Kasten unten).
Der MFR hätte damit ein Volumen von 1,11 Prozent des gemeinsamen Bruttonationaleinkommens (BNE) der verbleibenden 27 EU-Staaten. Gegenüber dem Finanzrahmen 2014 bis 2020 würde die EU künftig real – und unter anderem um den Brexit-Effekt bereinigt – über 5 Prozent mehr Mittel verfügen.
Damit bleibt die EU-Kommission hinter den Forderungen des Europäischen Parlaments zurück, das den nächsten MFR sogar mit Mitteln in Höhe von 1,3 Prozent des EU-weiten BNE ausstatten möchte.
Einigen Mitgliedsstaaten gehen aber selbst die Kommissions-Vorstellungen zu weit. Vor allem die Niederländer haben sich gegen eine Erhöhung des Budgets ausgesprochen und sie werden darin von Dänemark, Österreich und Schweden unterstützt. Angesichts der unterschiedlichen Interessen dürfte der Wunsch der Kommission, den MFR noch vor den Europawahlen im Mai 2019 unter Dach und Fach zu bringen, wohl unerfüllt bleiben.
Umstritten ist aber nicht nur der Umfang des MFR, auch der genauere Blick auf die Ausgaben- und die Einnahmenseite gibt Anlass zu Kritik.
Die Ausgabenseite des EU-Haushalts
Im Fokus stehen hier erstens die Mittel für die Kohäsionspolitik, also die Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts. Sie machen mit 373 Milliarden Euro einen Großteil der Ausgaben in Kategorie 2 – Zusammenhalt und Werte – aus. Zweitens geht es um die Ausgabenkategorie 3 – Natürliche Ressourcen und Umwelt –, für die insgesamt 379 Milliarden Euro vorgesehen sind, hauptsächlich für die Agrarpolitik.
Damit wären die Mittel für die Kohäsionspolitik zwar real um etwa 7 Prozent und jene für die Agrarpolitik um real 12 Prozent geringer als im MFR für 2014 bis 2020. Auf beide Bereiche würden aber noch immer 57 Prozent der EU-Ausgaben entfallen.
Dabei könnten in der Agrarpolitik die Mittel aus dem EU-Budget weiter reduziert werden, wenn sich die Mitgliedsstaaten zu einer nationalen Kofinanzierung durchringen könnten, also zum Beispiel einen Teil der Direktzahlungen an die Landwirte übernehmen.
Die Agrarmittel aus dem EU-Budget könnten reduziert werden, wenn die Mitgliedsstaaten zum Beispiel einen Teil der Direktzahlungen an die Landwirte übernehmen.
Auch in der Kohäsionspolitik ließe sich viel Geld sparen. Nach Angaben der OECD fließen im aktuellen MFR 90 Milliarden Euro und damit 25 Prozent der kohäsionspolitischen Ausgaben an Mitgliedsstaaten mit einem Bruttoinlandsprodukt je Einwohner von mehr als 75 Prozent des EU-Durchschnitts. Diese Länder sind wirtschaftlich stark genug, um die Ziele der Kohäsionspolitik selbst zu erreichen – das Engagement der EU sollte sich auf die ärmeren Mitgliedsstaaten beschränken (siehe „EU-Kohäsionspolitik: Aufs Wesentliche beschränken“).
Die auf diese Weise eingesparten Mittel sollte die EU in jene Aufgaben stecken, die gesamteuropäisch besser bewältigt werden können als auf nationaler Ebene. Zu den Bereichen, in denen die EU einen europäischen Mehrwert schafft, zählen unter anderem Forschung und Entwicklung, das Austauschprogramm Erasmus, Verteidigung, innere und äußere Sicherheit, die Bekämpfung des Klimawandels und die Verbesserung des Binnenmarktes.
Die Einnahmenseite des EU-Haushalts
Die EU finanziert ihre Ausgaben überwiegend aus den sogenannten Eigenmitteln. Dazu zählen Einnahmen aus Zöllen, die auf Wareneinfuhren aus Drittländern erhoben werden, sowie Einnahmen auf der Grundlage des Mehrwertsteueraufkommens in der EU. Die dritte Quelle ist die größte (Grafik):
Die Abführungen der Mitgliedsstaaten auf der Grundlage ihrer Bruttonationaleinkommen machten 2018 mit 103 Milliarden Euro 71 Prozent der Gesamteinnahmen im EU-Haushalt aus.
Diese Finanzierungsquellen haben sich bewährt, wie auch der Europäische Rechnungshof kürzlich betont hat. Dennoch sieht die EU-Kommission für den neuen MFR drei neue Eigenmittelquellen vor. Erstens will sie einen Abrufsatz von 3 Prozent auf die gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer einführen. Das würde im Schnitt der Jahre 2021 bis 2027 zu Einnahmen von schätzungsweise 12 Milliarden Euro führen. Zweitens sollen 20 Prozent der Einnahmen aus der Versteigerung von Zertifikaten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems in den EU-Haushalt fließen. Und drittens will die EU einen bestimmten Abgabensatz pro Kilo Verpackungsabfall aus Kunststoffen erheben.
Die geplante Reform des Eigenmittelsystems der EU würde die Einnahmenseite unnötig aufblähen und verkomplizieren.
Abgesehen davon, dass die Vorschläge der EU-Kommission zur Einführung der Körperschaftsteuer-Eigenmittel in absehbarer Zeit noch keine Rechtskraft erlangen dürften, würde die gesamte Reform des Eigenmittelsystems die Einnahmenseite unnötig aufblähen und verkomplizieren. Sinnvoller wäre es dagegen, die Struktur der Einnahmen zu vereinfachen, indem die Mehrwertsteuer-Eigenmittel abgeschafft und durch zusätzliche BNE-Eigenmittel ersetzt werden. Denn diese sind ein umfassender Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitgliedsstaaten und passen am besten zum Wesen der EU als Staatenverbund.
EU: Verpflichtungen versus Zahlungen
In ihren Haushaltsplänen unterscheidet die EU zwischen Verpflichtungen und Zahlungen. Die Verpflichtungen sind rechtlich verbindliche Ausgabenzusagen. Sie können im laufenden Haushaltsjahr, aber auch später zu tatsächlichen Zahlungen führen. Wenn aus Verpflichtungen nicht innerhalb eines Jahres Zahlungen resultieren, verfallen sie. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn von der EU im Rahmen der Kohäsionspolitik zur Verfügung gestellte Mittel von den Mitgliedsstaaten gar nicht abgerufen werden.