Energiekrise Lesezeit 3 Min.

Enthalten die Entlastungspakete auch klimapolitische Anreize?

In Brüssel und Berlin wurden in den vergangenen Jahren hohe Klimaziele gesteckt. Um sie zu erreichen, sollen fossile Energieträger verteuert und klimafreundliche Alternativen attraktiver werden. Allerdings zwingt die Energiekrise die Bundesregierung zum kurzfristigen Handeln, um Bürger und Unternehmen zu stützen. Ob es gelingt, mit den beschlossenen Maßnahmen ungünstige Verteilungswirkungen abzumildern und gleichzeitig dem Klimaschutz zu dienen, hat das IW untersucht.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um die Mehrbelastungen für Bürger und Wirtschaft abzufedern, hat die Bundesregierung drei Entlastungspakete geschnürt – für die Politik ein echter Balanceakt: Denn sie darf dabei nicht die klimapolitischen Anreize aus den Augen verlieren.
  • Während die Heizkostenpauschale für Wohngeldempfänger und die Energiepreispauschale die Anreize zum Energiesparen aufrechterhalten, war der Tankrabatt klimapolitisch eher kontraproduktiv.
  • Auch die Gaspreisbremse erhält Sparanreize, allerdings fällt trotz der geplanten Besteuerung der geldwerten Vorteile zumindest die absolute Entlastung für die oberen Einkommensbereiche höher aus
Zur detaillierten Fassung

Von den hohen Energiepreisen sind in Deutschland alle betroffen – besonders hart trifft es aber jene, die zu den einkommensschwächeren Schichten gehören (Grafik):

Gemessen am Marktpreis müssen Haushalte im unteren Einkommensbereich im Schnitt derzeit fast 16 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für Energie aufwenden – 5,5 Prozentpunkte mehr als 2021.

So viel Prozent des monatlichenHaushaltsnettoeinkommens müssen diese Einkommensschichten 2022 für Energie ausgeben Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die sogenannte untere Mitte, also zum Beispiel Alleinstehende mit einem Nettoeinkommen zwischen 1.370 und 1.830 Euro, muss inzwischen gut 11 Prozent des Nettoeinkommens für Strom, Warmwasser und Heizung ausgeben. Im Schnitt zahlen Haushalte in Deutschland aktuell knapp 287 Euro mehr für Energie, wenn sie einen Neuvertrag abschließen müssen.

Für die Bundesregierung sind die drei Entlastungspakete ein echter Balanceakt: Denn sie darf dabei nicht die klimapolitischen Anreize aus den Augen verlieren.

Auch für Unternehmen sieht die Situation am Energiemarkt nicht gut aus: Zwar ist die EEG-Umlage abgeschafft, durch die hohen Beschaffungskosten für Energie steigen dennoch die Ausgaben:

Der durchschnittliche Strompreis für die Industrie betrug im ersten Halbjahr 2022 rund 33 Cent pro Kilowattstunde, 2021 waren es noch 21,4 Cent.

Um die Mehrbelastungen für Bürger und Wirtschaft abzufedern, hat die Bundesregierung drei Entlastungspakete geschnürt – für die Politik ein echter Balanceakt: Denn sie darf dabei nicht die klimapolitischen Anreize aus den Augen verlieren. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat nun untersucht, welche verteilungs- und klimapolitischen Effekte die Maßnahmen der Regierung haben:

EEG-Umlage. Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 mildert die Belastung durch die gestiegenen Strompreise und führt bei Haushalten mit den geringsten Einkommen zur höchsten relativen Entlastung. Zugleich bleibt der Anreiz bestehen, Strom aus erneuerbaren den rein fossilen Energieträgern vorzuziehen. Zur Entlastung der privaten und gewerblichen Stromkunden soll zusätzlich die Strompreisbremse greifen.

Tankrabatt. Hiervon haben zumindest kurzfristig jene profitiert, die einen Pkw mit Verbrennungsmotor nutzen. Allerdings ist die Maßnahme aus ökonomischer Sicht kritisch zu bewerten. Aufgrund des fehlenden Knappheitssignals sank die Nachfrage nicht. Die Marktpreise stiegen weiter und fraßen einen Teil der Steuersenkung auf. Damit war der Tankrabatt klimapolitisch kontraproduktiv, zumal Geld von allen Steuerzahlern zu Pkw-Fahrern umverteilt wurde.

Heizkostenpauschale für Wohngeldempfänger. Diese Maßnahme des dritten Entlastungspakets soll zielgerichtet wirken, da nur Haushalte mit niedrigen Einkommen profitieren. Ein solcher Transfer verzerrt die Preissignale nicht und die hohen Preise für fossile Energieträger halten den Anreiz zum Sparen aufrecht – beides dient dem Klimaschutz. Mit der umfassenden Wohngeldreform zum 1. Januar 2023 wird dieses Instrument gestärkt.

Energiepauschale. Ob Erwerbstätige, Rentner, Selbstständige oder Gewerbetreibende – alle haben bereits oder werden vom Staat eine zu versteuernde Einmalzahlung von 300 Euro erhalten. Auch wenn die Pauschale sozialpolitisch hinterfragt werden kann, greift sie nicht verzerrend in die Preise ein und entlastet in der Breite eben auch jene, die mit ihren Steuerzahlungen zur Finanzierung der Maßnahmen beitragen. An den klimapolitisch günstigen Anreizwirkungen durch die hohen Preise für fossile Energieträger ändert die Maßnahme nichts.

Gaspreisbremse und Abschlagszahlung. Vor dem Hintergrund der stark steigenden Gaspreise wird im Jahr 2023 eine Gaspreisbremse eingeführt. Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs soll dann ein Preis von 12 Cent je Kilowattstunde gelten und als Rabatt ausgezahlt werden. Für den aktuellen Verbrauch fällt der jeweilige Marktpreis an, um Sparanreize zu erhalten. Zudem soll eine Einmalzahlung in Höhe der Abschlagszahlung im Dezember 2022 kurzfristig für Entlastung sorgen. Der Effekt (Grafik):

Trotz der geplanten Besteuerung der geldwerten Vorteile fällt zumindest die absolute Entlastung für die oberen Einkommensbereiche höher aus.

Um so viel Euro werden Haushalte durch die Einmalzahlung der Bundesregierung im Dezember 2022 entlastet Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Insgesamt werden für die Einmalzahlung gemäß IW-Schätzung rund 4,6 Milliarden Euro an Haushalte fließen, die mit Gas oder Fernwärme heizen. Da der geldwerte Vorteil für Zahler des Solidaritätszuschlags steuerpflichtig werden soll, wird der Staat rund 200 Millionen Euro zurückbekommen.

Entlastung von Unternehmen. Kredit- und Bürgschaftsprogramme sollen Betriebe in prekärer Lage unterstützen. Der Tankrabatt und der Wegfall der EEG-Umlage entlasteten beziehungsweise entlasten auch die Unternehmen. Dennoch kommt es vor allem bei den energieintensiven Firmen bereits zu Produktionsausfällen. Deshalb greifen für diese Industriebetriebe die Gas- und die Strompreisbremse schon früher, gelten allerdings nur für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs.

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