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Energieintensive Industrien wichtig für deutsche Wirtschaft

Aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise mussten die energieintensiven Industrien ihre Produktion zurückschrauben. Das schwächt die deutsche Wirtschaft enorm – schließlich generieren diese Industrien eine hohe Wertschöpfung, sichern zahlreiche Arbeitsplätze und versorgen viele nachgelagerte Branchen mit ihren Produkten.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die energieintensiven Industrien in Deutschland stehen oft am Anfang der Wertschöpfungskette und produzieren zentrale Vorleistungsgüter, die deutsche Schlüsselbranchen wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau weiterverarbeiten.
  • Im Jahr 2022 generierten sie eine gesamte Wertschöpfung von rund 241 Milliarden Euro und sicherten gut 2,4 Millionen Jobs.
  • Außerdem trugen sie 2022 schätzungsweise rund 46 Milliarden Euro zum Steuer- und Abgabenaufkommen der Bundesrepublik bei.
Zur detaillierten Fassung

Chemie, Pharma, Glas, Metall und Papier – diese fünf Industrien gelten als energieintensiv. Das heißt, ihre Produktionsprozesse benötigen besonders viel Energie. Der Energiekostenanteil am Bruttoproduktionswert in diesen Branchen lag im Jahr 2020 zwischen 3,3 Prozent (Chemie) und 4,9 Prozent (Glas und Metall). Zum Vergleich: Der Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes betrug 1,7 Prozent.

Folglich leiden die fünf Industrien besonders an den stark gestiegenen Energiepreisen. Die Chemieindustrie produzierte 2022 im Vergleich zum Vorjahr beispielsweise rund 10 Prozent weniger. Das ist besorgniserregend, da die energieintensiven Industrien eine große Rolle für die deutsche Wirtschaft spielen.

So stehen sie oft am Anfang der Wertschöpfungskette und produzieren zentrale Vorleistungsgüter, die deutsche Schlüsselbranchen wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau weiterverarbeiten. Von den nicht exportierten Waren, die Chemie-, Pharma-, Glas-, Metall- und Papierindustrie herstellen, gehen im Durchschnitt etwa 87 Prozent in andere Branchen. Im gesamten Verarbeitenden Gewerbe liegt der Anteil bei lediglich 55 Prozent. Die energieintensiven Industrien sind damit ein wichtiger Faktor für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik.

Die wirtschaftliche Bedeutung der fünf Branchen belegt auch ihre direkte Wertschöpfung (Grafik):

Insgesamt generierten die energieintensiven Industrien im Jahr 2022 eine direkte Wertschöpfung von 135 Milliarden Euro.

Direkte Wertschöpfung der energieintensiven Industrien in Deutschland im Jahr 2022 in Milliarden Euro Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das waren rund 4 Prozent der gesamten Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft und fast ein Fünftel der Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes. Den größten Anteil hatten Chemie- und Pharmaindustrie – die beiden Branchen vereinten rund 60 Prozent der Wertschöpfung energieintensiver Unternehmen auf sich.

Die energieintensiven Industrien in Deutschland generierten 2022 eine gesamte Wertschöpfung von rund 241 Milliarden Euro und sichern gut 2,4 Millionen Jobs.

Indirekte und induzierte Effekte unterstreichen zusätzlich die Wirtschaftskraft von Chemie, Pharma und Co. So sorgen die Unternehmen dieser Branchen durch ihre Nachfrage nach Vorleistungsprodukten und Dienstleistungen für Aufträge bei ihren Zulieferern – das ist der indirekte Effekt. Zudem geben die Beschäftigten der energieintensiven Industrien und ihrer Zulieferer einen großen Teil ihres Lohns für Konsumgüter aus und sind dadurch für weitere Wertschöpfung verantwortlich – der induzierte Effekt.

Wissenschaftler des IW und der IW Consult haben beide Effekte für die energieintensiven Industrien berechnet:

Zu den direkt erwirtschafteten 135 Milliarden Euro Wertschöpfung im Jahr 2022 kamen 82 Milliarden Euro durch die Zulieferer und 24 Milliarden Euro durch den Konsum der Beschäftigten hinzu – die gesamte Wertschöpfung belief sich damit auf rund 241 Milliarden Euro.

Auch der gesamte Beschäftigungseffekt lässt sich so ermitteln. Direkt in den Unternehmen der energieintensiven Industrien sind etwa 1,1 Millionen Erwerbstätige beschäftigt, in den Zulieferbetrieben rund eine Million. Der Konsum dieser 2,1 Millionen Beschäftigten sichert zusätzlich 300.000 Arbeitsplätze. Insgesamt hängen also gut 2,4 Millionen Jobs an den fünf Branchen. Das sind mehr als 5 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland.

Steuern und Abgaben der energieintensiven Branchen

Die IW-Wissenschaftler haben darüber hinaus berechnet, wie viele Steuern und Sozialabgaben die energieintensiven Branchen zahlen – erneut sowohl direkt als auch indirekt und induziert. Ausgehend von Daten aus dem Jahr 2018 rechneten sie das Steueraufkommen der Industrien auf das Jahr 2022 hoch, für das noch keine offiziellen Branchenzahlen vorliegen. Für das direkte Aufkommen zogen sie die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer, die veranlagte Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag heran. Um das indirekte Aufkommen zu ermitteln, betrachteten sie die Lohnsteuer sowie die Umsatzsteuer – Zweitere, da sie zwar von den Unternehmen entrichtet, aber von den Verbrauchern beim Warenkauf gezahlt wird. Das Ergebnis (Grafik):

Die energieintensiven Industrien in Deutschland trugen im Jahr 2022 schätzungsweise rund 46 Milliarden Euro zum Steuer- und Abgabenaufkommen der Bundesrepublik bei.

Direkte und indirekte Steuern und Abgaben der energieintensiven Industrien in Deutschland im Jahr 2022 in Milliarden Euro nach Steuer- und Abgabeart bzw. nach Branche Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

11 Milliarden Euro davon entrichteten die Branchen direkt, 35 Milliarden Euro indirekt. Fast die Hälfte der Gesamtsumme waren Sozialabgaben, den größten Steuerposten bildete mit 10,4 Milliarden Euro die Lohnsteuer. Mit fast 13 Milliarden Euro kam das meiste Geld aus der Chemieindustrie.

Hinzu kommen die induzierten Steuern und Abgaben. Die zuvor ermittelten 106 Milliarden Euro an indirekter und induzierter Wertschöpfung werden der durchschnittlichen Steuer- und Abgabenquote des vergangenen Jahres von rund 42 Prozent unterlegt. Das Resultat:

Für 2022 ergibt sich ein induziertes Steuer- und Abgabenaufkommen von 44 Milliarden Euro. Insgesamt waren damit Steuern und Abgaben von rund 90 Milliarden Euro auf die energieintensiven Branchen zurückzuführen.

Einige Steuern wie die Grundsteuer, die Grunderwerbsteuer, die Energiesteuer, die Kfz-Steuer sowie Zölle fehlen in der Berechnung. Der Grund: Die Staatseinnahmen daraus lassen sich kaum nach Unternehmen und Privathaushalten aufteilen. Damit ist das Steueraufkommen der energieintensiven Branchen leicht unterschätzt. Vergleiche mit anderen Analysen lassen vermuten, dass sich der Wert der nicht berücksichtigten Steuerarten zwischen einem hohen dreistelligen Millionenbetrag und einem geringen einstelligen Milliardenbetrag bewegt.

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