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Erdgas: Die Brücke bröckelt

Erdgas ist in den vergangenen Jahrzehnten für Deutschland immer wichtiger geworden und soll als Brückentechnologie in eine klimaneutrale Zukunft dienen. Doch die Abhängigkeiten beim Gas sind hoch. Zudem werden langfristig hohe Preise erwartet. Es gibt nur einen Ausweg.

Kernaussagen in Kürze:
  • Erdgas ist die zweitwichtigste Energiequelle in Deutschland und soll als Brückentechnologie Richtung Klimaneutralität dienen.
  • Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die hohe Nachfrage nach Flüssiggas werden die Preise für Gas auf absehbare Zeit hoch bleiben.
  • Deutschland muss die Energiewende möglichst schnell und effizient vorantreiben, um seine Abhängigkeit von Gasimporten zu verringern.
Zur detaillierten Fassung

Industrielle Produktion, Stromerzeugung, Heizen – der Energieträger Erdgas ist für viele Bereiche wichtig bis unabdingbar. Deutschland hat seit den 1990er Jahren immer stärker auf Gas gesetzt, heute ist es hierzulande die zweitwichtigste Primärenergiequelle (Grafik):

Im Jahr 2022 betrug der Anteil von Erdgas am Energieverbrauch in Deutschland fast 24 Prozent.

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Nur Mineralöl war mit 35 Prozent noch wichtiger, erneuerbare Energien kamen auf gut 17 Prozent.

Den höchsten Gasverbrauch haben die Industrie mit rund 37 Prozent und die privaten Haushalte mit knapp 31 Prozent – hier fallen vor allem die bundesweit 21 Millionen Gasheizungen ins Gewicht. Gas soll auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen, bis die Transformation zu einer klimaneutralen Energieerzeugung in Deutschland geschafft ist.

Die Gründe sind simpel: Erdgas hat eine bessere CO2-Bilanz als Kohle. Außerdem lassen sich Gaskraftwerke schnell hoch- und wieder herunterfahren sowie in ihrer Produktionsmenge gut steuern. So können Schwankungen im Stromnetz, verursacht durch die erneuerbaren Energien, ausgeglichen werden. Des Weiteren ist es mittel- bis langfristig möglich, Gaskraftwerke umzurüsten und mit grünem Wasserstoff zu betreiben.

Doch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat gleich mehrere Schwachstellen in der deutschen Strategie, Erdgas als Brückentechnologie zu nutzen, offenbart. So ist Deutschland abhängig von anderen Staaten, da es selbst nur noch wenig Erdgas fördert. Russland war in der Vergangenheit der mit Abstand wichtigste Lieferant:

Im Jahr 2021 bezog die Bundesrepublik 55 Prozent ihrer Erdgasimporte aus Russland.

Inzwischen erhält Deutschland kein Pipelinegas mehr direkt aus Russland, bleibt aber von den Lieferungen anderer Staaten abhängig.

Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, hat sich die Bundesregierung dazu entschieden, Terminals für Flüssiggas (LNG) zu bauen. Doch auch dabei gibt es unangenehme Wahrheiten zu akzeptieren: Flüssiggas war im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 etwa 30 Prozent teurer als europäisches Pipelinegas. Gründe dafür sind die zusätzlichen Kosten für die energieintensive Verflüssigung und den Transport per Spezialschiff.

Ein weiterer wichtiger Faktor: Höchstwahrscheinlich zieht die Nachfrage nach Flüssiggas in Asien – dem aktuell wichtigsten Zielmarkt für LNG – weiter an. Das bedeutet, dass die Preise entsprechend eher steigen als fallen.

Deutschland muss die Energiewende möglichst schnell und effizient vorantreiben, um seine Abhängigkeit von Gasimporten zu verringern.

Auf Gas verzichten kann Deutschland derzeit aber nicht – Stichwort Brückentechnologie. Angesichts des Atomkraft- und Kohleausstiegs lässt sich der Gasverbrauch nur dann schneller reduzieren, wenn die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden. Doch dabei geht es nur langsam voran, wie ein Blick auf aktuelle Daten unterstreicht (Grafik):

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland lag 2022 bei weniger als 50 Prozent.

Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

In den einzelnen Teilbereichen gibt es deutliche Diskrepanzen zwischen den Ausbauzielen und dem Istzustand. So sollen ab dem Jahr 2025 jährlich Windanlagen an Land mit einer Gesamtkapazität von zehn Gigawatt entstehen. Der durchschnittliche Zubau lag in den vergangenen drei Jahren lag aber nur bei 2,9 Gigawatt. Ähnlich sieht es bei Offshore-Windparks und Photovoltaikanlagen aus.

Eine weitere umweltfreundliche Energiequelle soll künftig grüner – also mittels erneuerbarer Energien hergestellter – Wasserstoff sein. Auch hier steht Deutschland noch vor großen Aufgaben. So müssen zum einen Transportketten für den Import aufgebaut werden, zum anderen fehlen im Inland Kapazitäten für erneuerbar erzeugten Strom sowie Elektrolyseprojekte mit großer Leistung, damit Deutschland selbst einen Teil des benötigten Wasserstoffs produzieren kann.

Schnellere Planung, intensive Förderung

Angesichts all dieser Herausforderungen ist schnelles und gezieltes Handeln wichtig – und zwar auf mehreren Ebenen:

Schneller Staat. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen schneller werden. Standardisierte Prozesse, Checklisten und typisierte Verfahren können den Behörden Orientierung bieten und die Effizienz erhöhen. Außerdem ist eine höhere Digitalisierung unerlässlich.

Erneuerbare Energien. Deutschland hat derzeit nur eine Strompreiszone – die regional unterschiedliche Nachfrage und die unterschiedlichen Produktionsbedingungen etwa für Windenergie spielen für die Preisbildung keine Rolle. Durch eine Aufspaltung in mehrere Strompreiszonen würden sich Investitionen in erneuerbare Energien zum einen dort lohnen, wo grüner Strom günstig erzeugt werden kann. Zum anderen würde die Aufspaltung aber auch zu mehr Investitionsanreizen in Regionen mit hohem Stromverbrauch führen, weil der Strom in einer solchen Preiszone teurer würde.

Außerdem müssen in Deutschland bis 2030 Speicherkapazitäten von rund 100 Gigawattstunden entstehen, um Schwankungen bei der Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien ausgleichen zu können.

Transformationsfähige Unternehmen. Die CO2-Bepreisung verteuert emissionsintensive Produktionsverfahren und erhöht die Attraktivität klimafreundlicher Alternativen. Doch die sind bislang häufig teurer als die konventionellen Verfahren und der Umbau der Produktion erfordert beträchtliche Investitionen. Mit Förderinstrumenten kann und sollte die Politik auf europäischer und nationaler Ebene Unternehmen deshalb bei ihrer Transformation unterstützen.

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