Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Interview Lesezeit 6 Min.

„Eine Regierung der Günstlinge“

„Make America great again“ – mit diesem Versprechen ist Donald Trump vor vier Jahren ins Weiße Haus eingezogen. Ob er es gehalten hat, wie seine ökonomische Bilanz ausfällt und was die Welt von einer zweiten Amtszeit Trumps beziehungsweise von einem Präsidenten Joe Biden zu erwarten hat, darüber sprach der iwd mit Rüdiger Bachmann. Er ist Stepan Family College Professor of Economics an der University of Notre Dame, Indiana.

Kernaussagen in Kürze:
  • „Bei Trump kann sich jeder etwas herauspicken, was er gutheißt, auch wenn man ihn insgesamt nicht so toll findet“, beschreibt Rüdiger Bachmann, Wirtschaftsprofessor an der University of Notre Dame, das Erfolgsrezept des US-Präsidenten.
  • Am Anfang habe Trump zwar noch umstrittene, aber fachlich qualifizierte Leute in der Regierung gehabt, mittlerweile seien dort nur noch Günstlinge zu finden.
  • Sollte Joe Biden die Wahl gewinnen, können Deutschland und Europa eine ruhigere, ausgestreckte Hand erwarten. Es werde wieder mehr internationale Kooperationen geben, sagt Bachmann.
Zur detaillierten Fassung

Herr Bachmann, in Deutschland können sich die meisten Menschen schlichtweg nicht erklären, wie Donald Trump auch nur in die Nähe eines öffentlichen Amtes kommen konnte – geschweige denn, dass er eventuell sogar wiedergewählt wird. Können Sie – als Deutsch-Amerikaner – dieses Phänomen erklären?

Es gibt eine große Frustration in Teilen der amerikanischen Bevölkerung mit der Küstenelite. Diese Frustration bringt Trump sehr emotional auf den Punkt. Er hat zwar eine verrückte, aber doch sehr effektive Kommunikationsstrategie, die genau diese Emotionen bedient. Er schafft es, die Schuld für die Pandemie anderen aufzuladen – ob es China ist oder demokratische Gouverneure.

Und dann hat er natürlich auch geliefert. Er hat demnächst wahrscheinlich drei Verfassungsrichter ernannt, die auf Jahrzehnte das amerikanische Rechtssystem extrem konservativ machen werden. Das kommt bei vielen gut an. Es gibt auch Leute, die sagen, endlich wurden Steuern gesenkt sowie Regularien und Bürokratie abgebaut. Bei Trump kann sich also jeder etwas herauspicken, was er gutheißt, auch wenn man ihn insgesamt nicht so toll findet.

Rüdiger Bachmann ist Stepan Family College Professor of Economics an der University of Notre Dame; Foto: University of Notre Dame Außerdem kommt noch die Propaganda hinzu. Die Amerikaner – auch die politische Mitte – sind sehr skeptisch gegenüber linken und linksakademischen Ideen. Die Republikaner pushen die Erzählung, dass Trump das letzte Bollwerk ist, bevor Amerika marxistisch wird. Etwas verrückt, ich weiß.

Und schließlich ist da noch eine spezielle Eigenschaft der Amerikaner: Sie sind nicht bereit, sich mit anderen Ländern zu vergleichen. Deshalb nutzt es nichts, zu sagen, Trump hat die Pandemie nicht gut gehändelt, siehe Deutschland. Das gilt auch für die gebildeten Teile der Bevölkerung.

Ist die Frustration in der Bevölkerung aus ökonomischer Sicht nachvollziehbar?

Es ist schon einiges nicht gut gelaufen in Amerika. Da ist zum einen die wachsende Ungleichheit, die sinkende soziale Mobilität. Nach der Finanzkrise hatten die Menschen das Gefühl, dass zwar die Banken gerettet wurden, nicht aber die Bergarbeiter. Zudem wissen immer mehr Afroamerikaner nicht mehr genau, ob sie bei den Demokraten richtig aufgehoben sind. Nach dem Motto: Sie wollen uns zwar als Wähler haben, aber wirklich etwas für uns getan haben sie nicht.

Kurzum: Es ist nicht alles so schwarz-weiß, wie es in Deutschland manchmal ankommt.

Amerika wird derzeit geführt wie eine Bananenrepublik. Trump nutzt die Regierung als erweiterten Arm seiner Firma.

Vor Corona hatten die USA ordentliche Wachstumsraten und es herrschte praktisch Vollbeschäftigung – wie viel davon geht auf Trumps Konto?

Relativ wenig. Er hat von der guten Lage der Weltwirtschaft profitiert und davon, dass die Regierung Obama nach der Finanzkrise eine vernünftige Politik gemacht hat. Ökonomisch hat Trump nicht viel gemacht. Seine größte Leistung war die Steuerreform. Die ist deshalb interessant, weil sie die Menschen am unteren und am oberen Ende entlastet. Aber die Mitte – von der Trump weiß, dass sie ihn niemals wählen würde – wurde benachteiligt.

Trump hat die Volkswirtschaft USA wie eine Firma – seine Firma – geführt. Was sagen amerikanische Ökonomen zu diesem Stil?

Er führt nicht nur die Volkswirtschaft so, sondern auch die Bundesregierung. Am Anfang konnte man noch argumentieren, dass Trump zwar umstrittene, aber fachlich qualifizierte Leute in der Regierung hatte. Das ist alles vorbei. In der Regierung sitzen nur Günstlinge, die Geschäfte mit Trump gemacht haben. Amerika wird derzeit geführt wie eine Bananenrepublik. Trump nutzt die Regierung als erweiterten Arm seiner Firma. Manche konservative Ökonomen in den USA sagen zwar, dass das, was die Republikaner machen, immer noch besser sei als das, was die Demokraten tun würden. Die namhaften Ökonomen sind aber geschlossen anderer Meinung. Ich auch.

Was passiert, wenn Trump wiedergewählt wird?

Dazu muss man wissen: Die amerikanischen Wahlen sind eigentlich erst beendet, wenn einer der Kandidaten sagt, dass der andere gewonnen hat. Es gibt verfassungsrechtlich wenig Kriterien, wann in den USA eine Wahl offiziell beendet ist. Ich vermute, dass Biden das im Fall eines knappen Wahlsiegs Trump nicht machen wird. Dann haben wir eine Verfassungskrise und das Vertrauen in die amerikanischen Institutionen ist endgültig zerstört.

Das hätte natürlich massive Auswirkungen auf die Wirtschaft, denn wie soll investiert werden, wenn solche massiven politischen Unsicherheiten bestehen?

Davon abgesehen wird Corona zunächst einmal die Wirtschaft weiter lähmen. Ich erwarte keine große Erholung – auch nicht, wenn Biden gewählt wird.

Die Globalisierung geschieht einfach und wird nicht verschwinden, aber sie wird anders aussehen.

Was hätten Europa und Deutschland von einem Präsidenten Biden zu erwarten?

Eine ruhigere, ausgestreckte Hand. Es wird wieder mehr internationale Kooperationen geben. Mit Biden werden die USA auch wieder in das Pariser Klimaabkommen eintreten. Es wird eine Regierung sein, mit der man wieder besser zusammenarbeiten kann.

Glauben Sie, dass die Demokraten als Regierung so protektionistisch agieren werden, wie es ihr Wahlprogramm vermuten lässt?

Da bin ich relativ gelassen. Biden wird einen zentristischen Mittelweg finden mit ein bisschen Protektionismus, im Grunde genommen aber mit dem Bekenntnis zu offenen Märkten. Er wird politisch Ruhe reinbringen – und das ist es, was die Wirtschaft braucht, um zu investieren. Man kann von Biden aber keine Wunderdinge erwarten, denn es gibt immer noch eine Pandemie zu bewältigen.

Jahrzehntelang war die Globalisierung das Maß aller Dinge, inzwischen wird der Protektionismus immer populärer. Stehen wir vor einem Paradigmenwechsel?

Die Globalisierung geschieht einfach und wird nicht verschwinden, aber sie wird anders aussehen. Die Unternehmen werden sich – auch im Rahmen der Pandemie – überlegen, ob sie weiterhin auf wenige Märkte setzen oder ob sie diversifizieren. Das würde schlussendlich mehr Globalisierung bedeuten statt weniger. Die Globalisierung wird unter anderen geopolitischen Bedingungen stattfinden. Das liegt hauptsächlich an Akteuren wie China, Russland und anderen autoritären Regimen.

In den Entwicklungsländern gibt es für diese Regime zum Teil viele Sympathien, weil sie einfacheres Geld versprechen. Westliche Regierungen gucken eher noch mal auf Arbeits- und Umweltrechte, bevor sie investieren.

Das ist eine langfristige Entwicklung, auf die der Westen noch keine Antwort gefunden hat. Es würde natürlich sehr helfen, wenn die USA wieder ein wichtiger Mitspieler in diesem geopolitischen Konzert werden würde. Dadurch würde der Westen attraktiver und schlagkräftiger. Das ist auch ein Grund, warum Biden die Wahl gewinnen muss. Europa ist wichtig, aber allein zu schwach.

Sollte Biden gewählt werden, werden die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa zwar nicht konfliktfrei verlaufen, aber mit dem größeren Wunsch nach Kompromissen.

Wie sehen Sie die derzeitige Situation in Europa mit Blick auf den Brexit?

Ich würde folgende Strategie vorschlagen: Gegenüber der britischen Regierung hart bleiben und keine faulen Kompromisse eingehen. Dann sollen die Briten schauen, wie sie zurechtkommen. Auf der anderen Seite wünsche ich mir, dass in Brüssel ein Nachdenken einsetzt, wie es überhaupt so weit kommen konnte.

Ich befürchte aber, dass es nach dem Brexit in der EU eine Siegermentalität geben wird. Deutschland im Speziellen hat das Problem, dass es ökonomisch ein gewisser Hegemon in Europa sein muss, es aus historischen Gründen selbst aber nicht will.

Und wie sollte sich Europa im transatlantischen Handelsstreit positionieren?

Sollte Biden gewählt werden, werden die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa zwar nicht konfliktfrei verlaufen, aber mit dem größeren Wunsch nach Kompromissen.

Sollte Trump im Amt bleiben, muss Europa möglicherweise Entscheidungen treffen, die ihm kurzfristig schaden, aber langfristig Stärke zeigen.

Es ist aber schwierig zu sagen, wie sich eine Trump-Regierung, die ja dann auch nicht mehr wiedergewählt werden muss, verhalten wird. Es fehlt dort mittlerweile massiv an Expertise, sodass mir unklar ist, wie dann überhaupt internationale Politik gemacht werden soll.

Vielleicht ist es so, dass Europa dann einfach vier Jahre durchhalten muss – so wie in einer Pandemie.

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