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Ein Jahrhundert Betriebsrat

Am 4. Februar 1920 trat mit dem Betriebsrätegesetz der Vorläufer des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft. Doch obwohl die Mitbestimmung seit 100 Jahren gesetzlich verankert ist, haben heute nur wenige Betriebe einen Betriebsrat.

Kernaussagen in Kürze:
  • Mit dem Betriebsrätegesetz von 1920 wurde die Mitbestimmung der Arbeitnehmer verbindlich geregelt und die Betriebsräte konnten in sozialen und personellen Angelegenheiten mitreden.
  • In Westdeutschland hatten 2018 nur 9 Prozent aller Betriebe einen Betriebsrat, in Ostdeutschland waren es 10 Prozent. Allerdings arbeiteten 42 beziehungsweise 35 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit einem Betriebsrat.
  • Ob es einen Betriebs- oder Personalrat gibt, hat auf die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten kaum Einfluss.
Zur detaillierten Fassung

Zwar gab es schon vor 1920 eine Art Betriebsrat, doch der damalige Arbeiterausschuss war eine freiwillige Einrichtung. Erst mit dem Betriebsrätegesetz wurde die Mitbestimmung verbindlich geregelt und die Betriebsräte konnten in sozialen und personellen Angelegenheiten mitreden, „zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber“, wie es in Paragraf 1 des Gesetzes hieß. Auch das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das 1952 das Betriebsrätegesetz ablöste, setzt auf ein kooperatives Miteinander: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und (…) zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.“ Gleichwohl gibt es auch einige Unterschiede zwischen dem Gesetz von damals und dem von heute (Grafik):

Ab einer Betriebsgröße von 101 Beschäftigten sieht das BetrVG für den Betriebsrat mehr Mitglieder vor als das Betriebsrätegesetz.

Gesetzliche Zahl der Betriebsratsmitglieder in Firmen unterschiedlicher Größe Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Außerdem werden dem Betriebsrat im BetrVG deutlich mehr und differenziertere Rechte eingeräumt. Im Gesetz von 1920 beschränkte sich die Mitwirkung vor allem auf die Vereinbarung von Dienstvorschriften, die Verwaltung von Pensionskassen und Werkswohnungen sowie auf die Einhaltung von Tarifverträgen.

Das BetrVG gewährt den Arbeitnehmern dagegen zahlreiche Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in sozialen, personellen und auch wirtschaftlichen Angelegenheiten. Dazu gehören Beratungs- und Anhörungsrechte, Informations- und Vorschlagsrechte, Zustimmungs- und Vetorechte bis hin zu erzwingbaren Mitbestimmungsrechten – zum Beispiel bei den Themen kollektive Arbeitszeitregelungen, Überstunden und Kurzarbeit sowie bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung.

Nur etwa jeder zehnte Betrieb in Deutschland hatte im Jahr 2018 einen Betriebsrat.

Das BetrVG gilt heute als tragende Säule der deutschen Arbeitsmarktordnung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Management und Betriebsrat trotz aller Interessenunterschiede in den meisten Fällen zu einer Lösung kommen:

In 95 Prozent aller betrieblichen Entscheidungen schaffen es Management und Betriebsrat, einen Konsens herzustellen.

Trotz dieser guten Zusammenarbeit ist die Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland beschränkt. Wie im Betriebsrätegesetz von 1920 gilt auch heute: Die Arbeitnehmer haben das Recht, einen Betriebsrat zu wählen, verpflichtet sind sie nicht. Und tatsächlich verzichten viele darauf (Grafik):

In Westdeutschland hatten 2018 nur 9 Prozent aller Betriebe einen Betriebsrat, in Ostdeutschland waren es 10 Prozent.

So viel Prozent der Betriebe in Deutschland hatten einen Betriebsrat Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Diese niedrigen Quoten gelten allerdings nicht generell. Denn es sind vor allem die kleinen und mittleren Betriebe, in denen nur selten ein Betriebsrat gewählt wird: Von den Firmen mit 5 bis 50 Beschäftigten haben in Westdeutschland nur 5 Prozent einen Betriebsrat – in großen Unternehmen ist er mit fast 90 Prozent dagegen Standard. Wenn man die Reichweite nicht auf die Betriebe bezieht, sondern auf die Beschäftigten, ergibt sich ein etwas besseres Bild: Demnach arbeiten im Westen 42 und im Osten 35 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit einem Betriebsrat. Ohnehin scheint die Existenz eines Betriebsrats für die Zufriedenheit der Arbeitnehmer keine notwendige Bedingung zu sein (Grafik):

Ob es einen Betriebs- oder Personalrat gibt, hat auf die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten kaum Einfluss.

Im Durchschnitt liegt die Arbeitszufriedenheit in Betrieben mit Betriebsrat bei 7,21 Punkten – ohne Betriebsrat sind es 7,25.

So viel Prozent der Arbeitnehmer beurteilten 2016 ihre Arbeitszufriedenheit wie folgt Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

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