Südeuropa Lesezeit 4 Min.

Ehemalige Krisenstaaten: Reformen zeigen Wirkung

Alle ehemaligen Euro-Krisenstaaten haben in unterschiedlicher Intensität Reformen umgesetzt und Sparprogramme aufgelegt, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Die zumeist von konservativen Regierungen eingeführten Strukturreformen haben die nachfolgenden linksorientierten Bündnisse in der Regel weitestgehend fortgesetzt.

Kernaussagen in Kürze:
  • In den ehemaligen Euro-Krisenstaaten Portugal, Spanien und Griechenland wird die Wirtschaft in diesem Jahr jeweils um mehr als 2 Prozent wachsen.
  • Hauptverantwortlich dafür sind dauerhafte Strukturreformen. In Spanien und Portugal sind vier Fünftel der Strukturreformen, die während der Euro-Schuldenkrise ergriffen wurden, immer noch in Kraft.
  • In Italien wurden dagegen viele der ohnehin wenig ambitionierten Reformen zurückgenommen. Die Konsequenz: In diesem Jahr kommt die italienische Wirtschaft voraussichtlich über ein Nullwachstum nicht hinaus.
Zur detaillierten Fassung

Wachstumsraten von rund 2 Prozent – davon können Länder wie Deutschland und Frankreich momentan nur träumen. Doch ausgerechnet drei EU-Staaten, die im Zuge der 2010 ausgebrochenen Euro-Schuldenkrise mittels milliardenschwerer Rettungspakete vor dem Staatsbankrott bewahrt wurden, dürften diese Zielmarke im Jahr 2019 erreichen – und das trotz lahmender Weltkonjunktur: Portugal, Spanien und Griechenland.

Besonders gut lief es zuletzt auf der Iberischen Halbinsel (Grafik):

In Spanien wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2015 bis 2018 im Jahresdurchschnitt um 2,9 Prozent, in Portugal um 2,7 Prozent.

Jahresdurchschnittliche Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts von 2015 bis 2018 in den Euro-Krisenstaaten in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch in Italien und Griechenland wächst die Wirtschaft seit einiger Zeit wieder, wenn auch nicht ganz so stark: Im Durchschnitt der vergangenen vier Jahre betrug das jährliche Plus jeweils gut 1 Prozent.

Dauerhafte Strukturreformen

Dass die Euro-Schuldenkrise in diesen vier Ländern nicht noch länger nachwirkte, ist in erster Linie auf die Reformkurse der zumeist konservativen Regierungen zurückzuführen, die nach 2008 dort an die Macht kamen. Sie setzten nennenswerte und teilweise auch umfangreiche Strukturreformen um, die von den nachfolgenden, meist linksorientierten Regierungen zwar korrigiert, aber nirgendwo gänzlich gestoppt oder gar umgekehrt worden sind. Eine Studie der London School of Economics kommt zu folgendem Fazit:

In Spanien und Portugal sind vier Fünftel der Strukturreformen, die während der Euro-Schuldenkrise im Justiz- und Finanzsystem sowie auf den Arbeits- und Produktmärkten ergriffen wurden, immer noch in Kraft.

Vor allem Portugal gilt als Musterschüler unter den Ex-Krisenstaaten. Als der sozialistische Ministerpräsident António Costa 2015 die Mitte-rechts-Regierung von Pedro Coelho ablöste, lockerte er zwar die Ausgabenpolitik an einigen besonders öffentlichkeitswirksamen Stellen – die Bezüge von Rentnern und Beamten sowie der Mindestlohn wurden wieder auf das Vorkrisenniveau angehoben und Privatisierungen zum Teil rückgängig gemacht –, doch gleichzeitig sparte die Minderheitsregierung unter Costa weiter: Indirekte Steuern auf Benzin und zuckerhaltige Getränke stiegen, staatliche Investitionen – beispielsweise im Gesundheitssektor – wurden zurückgefahren. Infolgedessen sank das öffentliche Haushaltsdefizit beträchtlich:

Im Jahr 2015 betrug das öffentliche Haushaltsdefizit Portugals 4,4 Prozent des BIP, 2019 dürfte es lediglich noch bei 0,4 Prozent liegen.

Im selben Zeitraum sank auch die Staatsschuldenquote deutlich – von 131 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2014 auf voraussichtlich weniger als 117 Prozent im Jahr 2020.

Die Reformanstrengungen schlagen sich ebenfalls auf dem portugiesischen Arbeitsmarkt nieder (Grafik):

Im Jahr 2013 erreichte die Arbeitslosenquote in Portugal mit mehr als 16 Prozent ihren Höchststand, mittlerweile beträgt sie nur noch rund 6 Prozent.

Entwicklung der Arbeitslosenquote in den Euro-Krisenländern Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Damit hat sich die Arbeitslosigkeit nicht nur um fast zwei Drittel vermindert, mit 6 Prozent liegt sie auch deutlich unter den Quoten, die Italien, Spanien und Griechenland immer noch aufweisen. Doch auch Spanien und Griechenland ist es seit 2013 gelungen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren. Lediglich Italien erreichte nur ein Minus von rund 2 Prozentpunkten und weist damit eine Arbeitslosenquote von aktuell etwas mehr als 10 Prozent auf.

Die ehemaligen Euro-Krisenstaaten befinden sich dank diverser Reformen auf einem guten Weg. Vor allem Portugal gilt als Musterschüler unter den Ex-Krisenstaaten.

Anders als Portugal hat Italien in der Folge der Euro-Schuldenkrise nur begrenzt Reformen eingeleitet – auch deshalb, weil Rom kein Rettungsprogramm erhielt, das an strenge Reform- und Sparauflagen geknüpft war. Hinzu kommt, dass die populistische Regierung unter Giuseppe Conte seit Juni 2018 von den ohnehin wenig ambitionierten Reformen große Teile zurücknahm. Dies war vor allem in der Rentenpolitik und auf dem Arbeitsmarkt der Fall, wo unter anderem nun wieder ein strengerer Kündigungsschutz gilt.

Für diese wachstumsfeindliche und verunsichernde Politik zahlt Italien einen Preis: In diesem Jahr kommt die italienische Wirtschaft voraussichtlich über ein Nullwachstum nicht hinaus, nachdem das BIP 2017 real immerhin noch um 1,7 Prozent zulegte.

Griechenland gewinnt Vertrauen zurück

Und wie steht es um Griechenland? Im Jahr 2017 kehrte auch der größte Euro-Sorgenstaat endlich wieder auf den Wachstumspfad zurück, nachdem der zögerliche Reformkurs der von Alexis Tsipras geführten Koalition, die Anfang 2015 die griechischen Regierungsgeschäfte übernahm, seine Wirkung entfalten konnte. Im Zeitraum von 2015 bis 2018 reichte es aufgrund der vorherigen Schwächephase zwar nur für ein jahresdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent, doch im Jahr 2019 dürfte das griechische BIP sogar um mehr als2 Prozent expandieren.

Der neue konservative griechische Ministerpräsident, Kyriakos Mitsotakis, will die Steuern senken und sein Land weiter reformieren. Dieser Kurs dürfte dazu beitragen, dass das Vertrauen in Politik und Wirtschaft wieder wächst. Denn wenn Mitsotakis liefert, dürften die Partner im Euroraum zustimmen, den Sparkurs – der Voraussetzung für einen teilweisen Erlass der griechischen Schulden gegenüber den Euroländern ist – ein wenig zu lockern.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene