„Die Geisteswissenschaften sollten sich für die Digitalisierung öffnen“
Immer noch arbeiten einige Geisteswissenschaftler in Berufen, für die sie überqualifiziert sind. Um adäquate Jobs zu ergattern, empfiehlt IW-Hochschulexpertin Christiane Konegen-Grenier, sich digitale Kenntnisse anzueignen – am besten bereits während des Studiums.
- Geisteswissenschaftler finden zwar schwerer einen adäquaten Job als Ingenieure oder Volkswirte, doch sie stehen nicht generell schlechter da als andere Absolventen, sagt IW-Hochschulexpertin Christiane Konegen-Grenier.
- Aus Sicht der Unternehmen bringen Geisteswissenschaftler vor allem Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit mit.
- Die geisteswissenschaftlichen Fakultäten sollten sich für die Digitalisierung öffnen, denn digitale Kompetenzen werden für Studienabsolventen immer wichtiger.
Das Studium der Geisteswissenschaften führt beruflich in eine Sackgasse – so das gängige Bild. Und tatsächlich haben es Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt schwerer als Ingenieure oder Ökonomen. Von einer weitverbreiteten Arbeitslosigkeit und einer mehrheitlich schlecht bezahlten Beschäftigung in wenig anspruchsvollen Berufen kann aber keine Rede sein, zumindest, was die in Vollzeit arbeitenden Geisteswissenschaftler betrifft.
Die Entscheidung zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung, die überwiegend freiwillig ist, stellt die Weichen für die künftige Berufssituation, vor allem hinsichtlich des Gehalts. Diese Entscheidung sollten künftige Absolventen deshalb sorgfältig überdenken.
Promovierte Geisteswissenschaftler stehen sehr gut da
Grundsätzlich ist die Lage der Geisteswissenschaftler sehr unterschiedlich: Sehr gut stehen die Promovierten da. Aber auch ein Drittel der Bachelorabsolventen schafft den Einstieg auf Positionen, für die eigentlich ein Masterabschluss gebraucht wird. Deshalb ist die Frage zu klären, was genau erfolgreiche Bachelors ausmacht, statt den Bachelorabschluss pauschal abzuwerten.
Geisteswissenschaftler haben es auf dem Arbeitsmarkt schwerer als Ingenieure oder Ökonomen.
Eine offene Frage ist auch, warum die Geisteswissenschaftlerinnen – selbst wenn sie Vollzeit arbeiten – in Bezug auf Position und Gehalt so viel schlechter abschneiden als ihre männlichen Kollegen. Sind sie zu schnell bereit, sich für Stellen zu entscheiden, für die man kein Studium braucht? Das legt zumindest eine Analyse der Daten der Bundesagentur für Arbeit nahe.
Ist ein beruflicher Einstieg unterhalb des akademischen Anforderungsniveaus nicht zu vermeiden, dann sollten sich Geisteswissenschaftler parallel weiterbilden und versuchen, die berufliche Übergangslösung so schnell wie möglich durch eine qualifizierte Stelle zu ersetzen. Die Chancen, einen solchen Sprung durch Zusatzqualifikationen zu schaffen, stehen nicht schlecht. Unternehmensbefragungen zeigen: Im Zuge der Digitalisierung werden Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit immer wichtiger – beide Fähigkeiten bringen Geisteswissenschaftler aus Sicht der Unternehmen verstärkt mit, die Kompetenzen sollten aber mit digitalen Kenntnissen kombiniert werden.
Digitale Kompetenzen immer wichtiger
In einigen Studiengängen besteht die Möglichkeit, geisteswissenschaftliche Themen mit digitalen Verfahren zu bearbeiten und gleichzeitig ein Zertifikat über Statistikmethoden, Datenbankaufbau und Programmierung zu erwerben. Viele geisteswissenschaftliche Fakultäten fremdeln aber noch, wenn es um die Digitalisierung in ihrer Disziplin geht. Sie sollten erkennen, dass digitale Analyseverfahren sowohl in der geisteswissenschaftlichen Forschung als auch für den Aufbau zusätzlicher Kompetenzen der Studierenden von Nutzen sind.
Angebote zum Erwerb digitaler Kompetenzen sollten im Studium und in der akademischen Weiterbildung konsequent ausgebaut werden. Im Mai dieses Jahres haben Bund und Länder beschlossen, im Förderprogramm „Innovation in der Hochschullehre“ jährlich bis zu 150 Millionen Euro bereitzustellen. In den neuen Ausschreibungsrunden sollte die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda stehen.