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„Die deutschen Autobauer würde es hart treffen“

Kein Abkommen in Sicht: Sowohl Brüssel als auch London zeigen sich nach sieben Verhandlungsrunden desillusioniert, dass ein Brexit-Abkommen noch zustande kommt. Die Zeit wird knapp, sagt auch Rolf J. Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft im Interview. Nach Meinung des Außenhandelsexperten wird am Ende viel von der Bereitwilligkeit der EU abhängen, den Briten entgegenzukommen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Es bleibt kaum noch Zeit, den harten Brexit zu verhindern, sagt Professor Rolf J. Langhammer, Außenhandelsexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft.
  • Laut Langhammer sollte die EU als die wirtschaftlich stärkere und politisch vernünftigere Partei den Briten zum Nutzen beider Seiten ein Stück weit entgegenkommen.
  • Dennoch sieht er schwere Zeiten für Großbritannien herannahen. Viele Handelspartner werden mit den Briten künftig viel unnachgiebiger umgehen als während ihrer EU-Mitgliedschaft.
Zur detaillierten Fassung

Was bedeutet der Brexit für die Europäische Union?

Es drohen Zölle im Falle eines harten Brexits, also ohne Einigung. Exportgüter aus der EU nach Großbritannien würden dadurch teurer. Das Gleiche gilt im Gegenzug für Produkte von der Insel. Zudem könnten Arbeitnehmer und Dienstleister vom Kontinent nicht mehr so einfach in Großbritannien arbeiten, sie brauchen dann eine Extragenehmigung. Allein diese beiden Beispiele zeigen: Vieles würde komplizierter und damit teurer als heute.

Zu den Zöllen – was kommt da auf uns zu?

Nehmen wir als Beispiel die deutschen Autos: Auf die Preise der Exporteure käme dann ein Zoll von 10 Prozent drauf, wenn die Briten den gleichen Zollsatz wählen würden wie die EU gegenüber Mitgliedern der Welthandelsorganisation WTO. Das würde Fahrzeugbauer wie BMW, Audi und deren Zulieferunternehmen hart treffen. Auch andere Güter wie beispielsweise Maschinen sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse würden mit einem Zoll belegt. Bei den britischen Exporten in die EU würde es genauso laufen.

Sind Zölle unausweichlich?

Ja, weil Großbritannien nicht mehr in der EU ist. Es sei denn, man würde sich doch noch auf ein Freihandelsabkommen für Güter einigen. Ansonsten gelten die multilateralen Abmachungen, die beide Seiten als Mitglieder der WTO eingegangen sind.

Rolf J. Langhammer ist Außenhandelsexperte beim Kieler Institut für Weltwirtschaft; Foto: IfW Kiel Aber Zölle kann doch niemand wirklich wollen, oder?

Natürlich nicht. Aber die Briten wollen für sich nur die Vorteile des großen EU-Binnenmarktes, aber so gut wie keine Einschränkungen. Sie wollen frei entscheiden, ohne dass die EU ein Wort mitredet. Die Idee der völligen Souveränität verträgt sich nicht mit einem Handelsvertrag, der Rechte und Pflichten fixiert.

Das Streitthema Fischerei ist aus meiner Sicht der größte Stolperstein.

Nur mit gemeinsam beschlossenen und umgesetzten Spielregeln kann solch ein Vertrag funktionieren.

Ja. Premierminister Johnson will die aber nicht akzeptieren. Es gelten ja in der Union gemeinsame Standards für Produkte, Dienstleistungen, aber auch für Arbeitsverträge. Die EU befürchtet, dass die Briten niedrigere Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards beschließen – und so die der EU unterbieten, was Brüssel als unvereinbar mit den Regeln für den Binnenmarkt ablehnt. Ein großes Problem ist, dass sich die Briten bei Streitigkeiten über die Regeln des Güterhandels nicht dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs beugen wollen.

Und dann geht es noch um das Streitthema Fischerei.

Das ist aus meiner Sicht der größte Stolperstein. Das Vereinigte Königreich fordert für seine Fischer exklusiv eine Wirtschaftszone, die 200 Seemeilen ins Meer reichen soll. Derzeit wird mehr als die Hälfte des Fischfangs in britischen Gewässern von Booten aus anderen EU-Ländern angelandet. Deshalb ist Brüssel gegen die exklusive Wirtschaftszone. Das Thema ist auf der Insel wegen der Frage der territorialen Souveränität emotional hoch aufgeladen. Dabei steuert die Fischerei nur 0,6 Prozent zur britischen Wirtschaftsleistung bei. Gerade die Fischer haben damals mit großer Mehrheit für den Brexit gestimmt und nehmen Johnson für ihre Interessen in die Pflicht.

Wie werden die Unternehmen in den EU-Staaten auf einen harten Brexit reagieren?

Sie werden wahrscheinlich Produktionen von der Insel abziehen und in die EU verlagern. Dann wird das Land noch mehr industrielle Fertigungskapazität verlieren. Dabei hat der verarbeitende Sektor schon heute auf der Insel einen wesentlich geringeren Anteil an der Wirtschaftsleistung als in Deutschland und kann dadurch nur schwach zur Bildung qualifizierter Arbeitsplätze beitragen.

Ist ein harter Brexit noch zu verhindern?

Es bleibt dazu kaum noch Zeit. Die Frage ist, ob die EU am Ende bereit ist, den Briten weit entgegenzukommen. Als die wirtschaftlich stärkere und hoffentlich politisch vernünftigere Partei sollte sie dies zum Nutzen beider Seiten tun.

Was kommt nach dem Brexit auf die Briten zu?

Schwere Zeiten. Sie sind längst nicht mehr die große Nation, das alte Empire. Und dann auch nicht mehr unter dem Dach der wirtschaftlich mächtigen EU, sondern nur noch ein kleiner Partner für andere. Und die werden mit den Briten viel unnachgiebiger umgehen als mit der EU. Die USA haben es schon gezeigt. Das könnte ein ziemlich böses Erwachen für die Anhänger des Brexits geben.

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