IW-Konjunkturprognose Lesezeit 3 Min.

Der Konjunkturaufschwung kommt nicht von allein

Deutschland tritt wirtschaftlich auf der Stelle. Zwar legt der Konsum in diesem Jahr zu, aber vor allem die Industrie und die Bauwirtschaft sorgen dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt 2024 stagniert. Ein Aufwärtstrend ließe sich einläuten, dazu müsste die Politik allerdings zügig weitreichende Entscheidungen fällen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die IW-Konjunkturprognose zeigt: Das reale Bruttoinlandsprodukt Deutschlands wird in diesem Jahr stagnieren.
  • Abwarten ist kein probates Mittel, um diese Phase zu überwinden. Vielmehr muss die Politik jetzt aktiv werden.
  • Wichtige Maßnahmen sind niedrigere Unternehmenssteuern, eine Rentenreform, Investitionen in die Infrastruktur und langfristige Förderungen für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft.
Zur detaillierten Fassung

Deutschlands Motor stottert. Im vergangenen Jahr sank das Bruttoinlandsprodukt nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 0,2 Prozent. Zum einen wirkten sich der Krieg in der Ukraine und die Konflikte im Nahen Osten sowie internationale Spannungen mit China negativ auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft aus. Zum anderen schwächelten große Wirtschaftszweige weiterhin (Grafik):

Die Bruttowertschöpfung in der Industrie lag Ende 2023 rund 2 Prozent unter dem Wert von 2019. Im Baugewerbe betrug das Minus sogar 9 Prozent.

Preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigte Bruttowertschöpfung in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Einzig der Dienstleistungssektor legte im selben Zeitraum mit 3 Prozent leicht zu – konnte die Verluste der anderen Bereiche im Jahr 2023 aber nicht ausgleichen. Und auch der Blick auf das laufende Jahr ist in den Unternehmen mehrheitlich trüb, wie die IW-Konjunkturumfrage vom Frühjahr dieses Jahres gezeigt hat (siehe: „IW-Konjunktur­umfrage: Perspektiven für die Unternehmen bleiben trist“).

Deutschland braucht ein wirtschaftspolitisches Programm, um sowohl den Standort zu stärken als auch die Investitionsbedingungen zu verbessern.

Für die Konjunktur bedeutet das nichts Gutes, zumal aufgrund der unverändert schwierigen Weltlage erst einmal nicht mit großen positiven Effekten von außen zu rechnen ist. Entsprechend ernüchternd fällt die Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft aus (Grafik):

Das reale Bruttoinlandsprodukt Deutschlands wird in diesem Jahr stagnieren.

Veränderung wichtiger Konjunkturindikatoren gegenüber dem Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Einige Ergebnisse der Prognose im Detail:

Außenhandel. Bereits seit dem dritten Quartal 2022 schrumpft der deutsche Außenhandel. Ende 2023 lagen die preisbereinigten Exporte 4,4 Prozent, die Importe sogar 7 Prozent unter dem damaligen Höchstwert. Die Entwicklung ist zum einen durch die schwache Weltwirtschaft bedingt. Zum anderen haben hohe Preissteigerungen die Importe gebremst.

Inflation und Geldpolitik. Hohe Energiekosten haben die Inflation in den vergangenen beiden Jahren angeheizt. Die Preissteigerungen sind zuletzt aber geringer ausgefallen. Die unsichere Lage im Nahen Osten birgt allerdings das Risiko, dass der Ölpreis und damit die Inflation wieder anziehen. Die Zentralbanken könnte dies dazu verleiten, noch etwas länger an ihrer restriktiven Geldpolitik festzuhalten, was wiederum die Investitionen bremst.

Privater Konsum. Dass die deutsche Wirtschaft nicht noch ein weiteres Jahr schrumpft, liegt zu einem großen Teil am Konsum der Bundesbürger. Dieser wächst im Jahr 2024 voraussichtlich um knapp 1 Prozent.

Arbeitsmarkt. Trotz der Rekordmarke von 46 Millionen Erwerbstätigen im Jahresdurchschnitt 2024 werden die Folgen der konjunkturellen Schwäche auf dem Arbeitsmarkt zu sehen sein. Etwa 100.000 Arbeitslose mehr bedeuten einen Anstieg der Arbeitslosenquote um knapp 0,3 Prozentpunkte auf fast 6 Prozent.

Was jetzt zu tun ist

Um die aktuelle Stagnationsphase zu überwinden, reicht es nicht, auf Besserung zu warten. Vielmehr braucht Deutschland ein wirtschaftspolitisches Programm, um sowohl den Standort zu stärken als auch die Investitionsbedingungen zu verbessern. Die wichtigsten Maßnahmen:

  • Der Standort Deutschland hat einen der höchsten Steuersätze weltweit. Kurzfristige Entlastungen sind dringend notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dazu zählt etwa, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen.
  • Der drohende Anstieg der Sozialausgaben würde Arbeit noch teurer machen. Eine Reform der Rentenversicherung sollte oben auf der Agenda stehen, um den Kostendruck zu senken und das Wachstum anzukurbeln.
  • Die marode Infrastruktur Deutschlands ist zunehmend ein Geschäftsrisiko. Das gilt nicht nur für Straßen und Brücken, sondern auch für Energienetze und die digitale Infrastruktur. Modernisierung und Ausbau müssen deutlich schneller vorangehen.
  • Viele Regulierungen und bürokratische Lasten machen Investitionen in Deutschland unattraktiv. Hier gilt es nachzubessern, indem die öffentliche Verwaltung digitalisiert und Systeme vereinheitlicht werden.
  • Gerade für Branchen, die stark von der Dekarbonisierung betroffen sind, ist ein stabiler und vor allem langfristiger Förderrahmen für die klimafreundliche Umstellung essenziell. Nur so können Unternehmen ihre notwendigen Investitionen tätigen.
  • Viele der genannten Punkte müssen finanziert werden. Um die Mittel dafür freizumachen, gilt es zum einen, die öffentlichen Haushalte effizienter aufzustellen und so Geld zu sparen. Zum anderen muss die Politik eine Lösung finden, mehr Investitionen tätigen zu können, ohne dabei von der Schuldenbremse eingeschränkt zu werden.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene