Konjunktur Lesezeit 3 Min.

Aufschwung der Wirtschaft lässt auf sich warten

Die deutsche Wirtschaft hat auch in diesem Jahr mit vielen Problemen zu kämpfen. Vor allem im Bausektor zeigt der Trend abwärts. Weil sowohl die Auslandsnachfrage als auch die Investitionen kaum zulegen und der private Konsum nicht mehr wie noch 2022 durch Nachholeffekte gestärkt wird, wächst das reale Bruttoinlandsprodukt 2023 der IW-Prognose zufolge nur minimal.

Kernaussagen in Kürze:
  • Ein merklicher Aufschwung in Deutschland ist der IW-Prognose zufolge vorerst nicht drin – das reale Bruttoinlandsprodukt wird 2023 nur um gut 1/4 Prozent über dem Niveau des vergangenen Jahres liegen.
  • Sowohl der Außenhandel als auch der private Konsum werden voraussichtlich sogar leicht schrumpfen, die realen Bruttoanlageinvestitionen dürften lediglich leicht zulegen.
  • Obwohl der Arbeitsmarkt an Dynamik verliert, legt die Zahl der Erwerbstätigen um gut 250.000 zu.
Zur detaillierten Fassung

Trotz Pandemiefolgen, Ukraine-Krieg und Energiekrise hat sich die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr einigermaßen über Wasser gehalten: Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) überstieg das Niveau von 2021 um 1,8 Prozent. Tempo machte die Konjunktur allerdings vor allem im ersten Quartal, anschließend ließ die Dynamik spürbar nach. Im vierten Quartal sank die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal sogar um 0,4 Prozent.

Hinter diesem gesamtwirtschaftlichen Verlauf stecken unterschiedliche Konjunkturtrends in den einzelnen Branchen (Grafik):

Während die Bruttowertschöpfung im Dienstleistungsbereich übers gesamte Jahr 2022 gesehen das Vorjahresniveau um fast 3 Prozent überstieg, trat die Industrie auf der Stelle und die Bauwirtschaft verzeichnete ein Minus von nahezu 3 Prozent.

Preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigte Bruttowertschöpfung in Deutschland, Jahresdurchschnitt 2019 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Schaut man auf die gesamtwirtschaftlichen Aussichten für 2023, lautet die Kurzfassung: Es bleibt schwierig. Zwar ist die Zeit der extremen Preisausschläge an den Energiemärkten vorerst vorbei, doch die Kosten für Gas und Strom bleiben deutlich höher als vor der Energiekrise. Auch bestehen nach wie vor bedeutende geopolitische Risiken – nicht zuletzt, weil ein Ende des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nicht absehbar ist.

Die deutsche Wirtschaft tritt nahezu auf der Stelle – das reale Bruttoinlandsprodukt wird der aktuellen IW-Prognose zufolge 2023 nur um gut ¼ Prozent über dem Niveau des vergangenen Jahres liegen.

All dies lässt hierzulande vorerst keinen merklichen Aufschwung zu (Grafik):

Das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland wird der aktuellen IW-Prognose zufolge 2023 nur um gut ¼ Prozent über dem Niveau des vergangenen Jahres liegen.

Veränderung der Konjunkturkomponenten auf der Entstehungs- und Verwendungsseite gegenüber dem Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Einige Ergebnisse der IW-Prognose im Detail:

Außenhandel. Der Ukraine-Krieg, Energieknappheiten und die hohen Inflationsraten trüben auch in vielen anderen Ländern die Konjunkturperspektiven. Das IW erwartet, dass die Weltwirtschaft real in diesem Jahr nur um 2 Prozent, der Welthandel sogar nur um 1 Prozent wachsen wird. All dies beeinträchtigt die exportorientierte deutsche Wirtschaft massiv. Hinzu kommt, dass die energieintensiven Industriebereiche zuletzt aufgrund der gestiegenen Energiekosten ihre Produktion drosseln mussten und damit auch weniger Güter ins Ausland liefern konnten. Die Folge:

Die deutschen Exporte werden preisbereinigt 2023 um etwa ¼ Prozent niedriger ausfallen als im vergangenen Jahr.

Auch die Importe, die 2022 noch von Nachholeffekten, zum Beispiel im Reiseverkehr, profitiert hatten, werden in diesem Jahr leicht sinken.

Investitionen. Die Coronapandemie und zuletzt auch die Folgen des Kriegs in der Ukraine haben in Deutschland in den vergangenen drei Jahren zu Investitionsausfällen von insgesamt etwa 120 Milliarden Euro geführt. Angesichts des weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Umfelds lässt sich diese Lücke auch 2023 nicht schließen.

Die realen Ausrüstungsinvestitionen, zu denen vor allem die Käufe neuer Produktionsanlagen und Maschinen zählen, werden in diesem Jahr lediglich um 1 ¾ Prozent wachsen.

Etwas stärker zulegen dürften die Investitionen in sonstige Anlagen, zu denen etwa die Ausgaben für Forschung und Software zählen. Hier schlagen sich vor allem die Digitalisierungsprozesse in den Unternehmen nieder.

Die Bauinvestitionen werden dagegen infolge der gestiegenen Kosten für Baumaterialien und der verteuerten Baufinanzierung erneut schrumpfen – mit voraussichtlich 3 Prozent sogar stärker als im Vorjahr. Dreh- und Angelpunkt für die tatsächliche Entwicklung werden die Zinsen sein – stabilisieren sie sich, dürfte auch die Baunachfrage wieder anziehen. Mittelfristig sind die Perspektiven für die Baubranche ohnehin positiv, schließlich ist der Bedarf an neuen Wohnungen weiterhin hoch.

Privater Konsum. Im vergangenen Jahr konnten die Bundesbürger nach den von Coronabeschränkungen geprägten Jahren 2020 und 2021 wieder unbeschwert reisen, essen gehen oder Konzerte besuchen. Die Ausgaben hierfür ließen den privaten Konsum real um mehr als 4 Prozent steigen.

In diesem Jahr dürften solche Nachholeffekte nicht nochmals zum Tragen kommen. Außerdem erweist sich die Inflation als hartnäckig, sodass viele Verbraucher trotz tendenziell steigender Löhne ihr Geld zusammenhalten. Infolgedessen wird der reale private Konsum 2023 um rund ½ Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen.

Arbeitsmarkt. Obwohl die geringe wirtschaftliche Dynamik auch die Arbeitskräftenachfrage abschwächt, ist im Schnitt des Jahres 2023 mit einem Anstieg der Erwerbstätigenzahl um gut 250.000 oder ½ Prozent zu rechnen. Eine Rolle spielt hierbei, dass die Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels selbst bei nicht voll ausgelasteten Kapazitäten ihre Belegschaft halten.

Trotz des positiven Beschäftigungstrends wird die Arbeitslosenquote voraussichtlich leicht steigen – nicht zuletzt, weil immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine nach den ersten Integrationsmaßnahmen nun einen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt suchen.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene