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Das Rentenpaket II steht auf wackeligen Füßen

Die Bundesregierung will mit dem geplanten Rentenpaket II das sogenannte Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente auf dem bisherigen Level halten. Die finanziellen Mehrbelastungen für die Beitragszahler sollen zwar langfristig durch ein neues Vermögen gemildert werden. Doch ob die Rechnung aufgeht, ist alles andere als sicher.

Kernaussagen in Kürze:
  • Kommt das Rentenpaket II, werden die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2035 mit rund 631 Milliarden Euro voraussichtlich um 34 Milliarden Euro höher ausfallen.
  • Der Beitragssatz zur Rentenversicherung würde mit dem Rentenpaket II schätzungsweise bis auf 22,3 Prozent im Jahr 2035 steigen.
  • Zwar will die Ampelkoalition den Beitragsanstieg bremsen – aber erst ab 2036. Die finanziellen Mehrbelastungen für die Beitragszahler sollen zwar langfristig durch ein neues Vermögen gemildert werden. Dass dieser Plan funktioniert, ist allerdings keineswegs sicher.
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1.692 Euro – diese monatliche Rente bekommt eine Rentnerin oder ein Rentner in Deutschland derzeit vor Steuern, wenn er oder sie zuvor 45 Jahre lang mit einem stets durchschnittlichen Einkommen in die Rentenkasse eingezahlt hat. Das Alterseinkommen beträgt damit 48 Prozent des aktuellen Durchschnittsverdiensts – im Fachjargon wird dies als Sicherungsniveau der Rente bezeichnet.

Diese Kennziffer hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit seinem Entwurf zum Rentenpaket II im Blick. Bislang war die Bundesregierung in ihren Vorausberechnungen davon ausgegangen, dass das Sicherungsniveau vor Steuern von zuletzt rund 48 Prozent bis 2035 auf gut 45 Prozent sinken müsse – bei einem von 18,6 auf 21,1 Prozent steigenden Rentenbeitragssatz.

Damit würden die Folgen des demografischen Wandels – heute stehen je 100 Beitragszahlern 52 Rentner gegenüber, in anderthalb Jahrzehnten werden es voraussichtlich 63 sein – auf Rentner und Arbeitnehmer verteilt. Die einen müssten sich mit geringeren Rentenanpassungen zufriedengeben, die anderen höhere Rentenbeiträge zahlen.

Stabiles Sicherungsniveau kein Mittel gegen Altersarmut

Das Rentenpaket II soll nun aber gewährleisten, dass die Renten auch künftig in gleichem Maß steigen wie der Durchschnittsverdienst, das Sicherungsniveau also bei 48 Prozent verharrt. Die Politik suggeriert damit, das Armutsrisiko im Alter zu verringern. Allerdings sagt das Sicherungsniveau nichts über die Höhe des individuellen Rentenanspruchs aus, denn das hängt von der jeweiligen Erwerbsbiografie ab – also wie lange jemand gearbeitet und welches Einkommen er oder sie erzielt hat. Zudem ist für das individuelle Armutsrisiko entscheidend, wie hoch die Summe aller Einkommen ist, über die der jeweilige Haushalt verfügt. Dazu zählt also auch die Rente des Ehepartners.

Der Beitragssatz zur Rentenversicherung würde mit dem Rentenpaket II schätzungsweise bis auf 22,3 Prozent im Jahr 2035 steigen.

Das Sicherungsniveau der Rente bei 48 Prozent zu halten, ist also kein zielgenaues Mittel gegen Altersarmut. Ziemlich sicher ist dagegen, dass das Vorhaben in den kommenden Jahren viel Geld verschlingen wird, wie eine IW-Schätzung zeigt (Grafik):

Kommt das Rentenpaket II, werden die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung beispielsweise im Jahr 2035 mit rund 631 Milliarden Euro voraussichtlich um 34 Milliarden Euro höher ausfallen, als nach aktueller Gesetzeslage zu erwarten wäre.

IW-Schätzung auf Basis des aktuellen Rentenversicherungsberichts Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Bleibt es dabei, dass diese Ausgaben wie zuletzt zu etwa 77 Prozent über Beiträge finanziert würden und der Rest aus Steuermitteln käme, müsste der Bund seinen Zuschuss um 7 bis 8 Milliarden Euro erhöhen. Ob und in welcher Form dann die Steuerzahler zusätzlich zur Kasse gebeten würden, bleibt abzuwarten.

Um die erforderlichen Beitragseinnahmen zu erzielen, käme die Bundesregierung in jedem Fall nicht umhin, die Rentenbeiträge stärker als bislang geplant anzuheben:

Der Beitragssatz zur Rentenversicherung würde mit dem Rentenpaket II schätzungsweise bis auf 22,3 Prozent im Jahr 2035 steigen.

Zwar will die Ampelkoalition den Beitragsanstieg bremsen – aber erst ab 2036. Das Rentenpaket II sieht hierzu eine „Stiftung Generationenkapital“ vor. Die Erträge aus dem in diesem Rahmen gebildeten Vermögen sollen ab Mitte der 2030er Jahre dafür sorgen, dass der Rentenbeitragssatz weniger stark steigt, als es sonst nötig wäre.

Viele offene Fragen

Dass dieser Plan funktioniert, ist allerdings keineswegs sicher. Um das Stiftungsvermögen aufzubauen, will der Bund steuerfinanzierte Darlehen bereitstellen – zum Start in diesem Jahr sind das gut 12 Milliarden Euro, in den kommenden Jahren soll der Betrag jeweils um 3 Prozent höher ausfallen. Weitere 15 Milliarden Euro will der Bund aus seinen Vermögensbeständen an die Stiftung übertragen. So sollen bis zum Jahr 2035 insgesamt 200 Milliarden Euro zusammenkommen.

Das setzt allerdings eine jährliche Anlagenrendite von gut 4 Prozent voraus. Auf den ersten Blick ein leicht erreichbarer Wert – ließen sich doch bei längerfristigen Aktienengagements am Kapitalmarkt zuletzt jahresdurchschnittliche Renditen von mehr als 8 Prozent einfahren. Doch in diesem Fall muss der Bund sicherstellen, dass der Vermögenswert jederzeit erhalten bleibt und genug Liquidität verfügbar ist, damit die späteren Überweisungen an die Rentenkasse gewährleistet sind. Diese Risikominimierung lässt die Renditechancen sinken.

Hinzu kommt: Sollen wie geplant ab 2036 jährlich 10 Milliarden Euro aus dem Stiftungsvermögen an die Rentenkasse fließen, muss dessen Rendite sogar 5 Prozent betragen. Und selbst mit diesen Zuschüssen droht der Beitragssatz über das zu erwartende Niveau von 22,3 Prozent zu steigen, weil die Bevölkerung weiter altert. Folglich müsste der Bund ein noch höheres Vermögen aufbauen, um gegenzusteuern – die Frage ist, ob künftige Bundesregierungen den Vermögensaufbau aus Steuermitteln fortsetzen wollen und können. Sollte dies nicht der Fall sein, sind die Beitragszahler nach 2035 ein weiteres Mal gekniffen.

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