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Corona-Pandemie beeindruckt die Börsen kaum

Vor knapp einem Jahr fragten sich Ökonomen besorgt, wie tief der Absturz der deutschen Wirtschaft infolge der Corona-Pandemie ausfallen würde und ob die Krise der Realwirtschaft auf die Finanzmärkte durchschlagen würde. Tatsächlich aber zeigen sich die Börsen relativ unbeeindruckt. Das hat Gründe.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Kursverluste an den Börsen sind in der Corona-Pandemie wesentlich kleiner als nach der Finanzmarktkrise 2008.
  • Ein Grund dafür ist, dass sich die Corona-Krise und die Finanzmarktkrise grundlegend voneinander unterscheiden.
  • Während es nach 2008/2009 kein Weiter-so geben konnte, stehen die Zeichen für die Zeit nach Corona auf Wachstum.
Zur detaillierten Fassung

Minus 9 Prozent – so groß schätzte das IW den Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts 2020 Anfang Juni vergangenen Jahres. Zu dieser Zeit hatte Deutschland den ersten Lockdown – mehr oder weniger – hinter sich, wochenlang waren die meisten Geschäfte geschlossen oder zumindest stark eingeschränkt, das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Luftverkehr sowie die Messe- und Ausstellungswirtschaft lagen genauso brach wie der Kulturbereich.

Im Dezember revidierte das IW – wie andere Wirtschaftsforschungsinstitute auch – seine Prognose für 2020 auf rund minus 5 Prozent. Das ist viel, aber immerhin doch weniger als der Rückgang von 5,7 Prozent im Finanzkrisenjahr 2009.

Die Kursverluste an den Börsen sind in der Corona-Krise wesentlich kleiner als nach der Finanzmarktkrise 2008.

Inzwischen ist der zweite Lockdown verhängt: Millionen Beschäftigte sind in Kurzarbeit, Homeoffice und Homeschooling sind jedem ein Begriff, das Coronavirus mutiert, die Impfungen laufen schleppend.

Und was macht der Dax? Er erreichte am 4. Februar mit einem Schlusskurs von 14.060 Punkten ein neues Rekordhoch und stieg am 8. Februar im Tagesverlauf sogar auf 14.169 Punkte.

Aber auch der Classic All Share, ein Aktienindex der Deutschen Börse, schnitt in der Corona-Krise bislang gut ab. In diesem Index finden sich 197 Aktien, vor allem aus dem MDax und SDax sowie andere Nebenwerte, die nicht im Dax vertreten sind (Grafik):

Mit maximal 35 Prozent fiel das Minus im Classic All Share in der Corona-Krise bisher wesentlich kleiner aus als die Kursverluste von mehr als 50 Prozent nach der Finanzmarktkrise 2008.

Entwicklung der Aktienindizes nach Beginn der Finanzmarktkrise und der Corona-Krise Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Für diese Entwicklung gibt es zwei gute Gründe: Zinsen und Zukunft – denn das ist es, was an der Börse zählt.

Die Zinsen. Je höher das Zinsniveau, desto niedriger werden Aktien bewertet. Der Hintergrund dieser Faustregel ist, dass Investoren einen sicheren Ertrag einer riskanten Geldanlage vorziehen.

Im Euroraum gab es aufgrund der Corona-Pandemie vor allem in Italien Zinsanstiege. Die Renditen auf Staatsanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit stiegen von 0,54 Prozent am 9. März 2020 auf 1,18 Prozent am 18. März 2020, denn die Investoren befürchteten eine Staatsschuldenkrise durch die Verschärfung der Corona-Pandemie.

Doch nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) am 18. März 2020 ihr Notfallprogramm ankündigte, mit dem sie zeitlich begrenzt Anleihen öffentlicher und privater Schuldner aufkauft, haben sich die Risikoaufschläge stabilisiert. Seitdem sind die Zinsen in Italien auf aktuell 0,58 Prozent gesunken. In Deutschland befinden sich die Renditen auf Staatsanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit weiterhin im negativen Bereich.

Prognosen auf Basis des IW Financial Expert Survey gehen von leicht steigenden Zinsen in Deutschland und den USA aus. Laut den befragten Experten sollen die Zinsen bis zum Ende der ersten Hälfte 2021 im Durchschnitt um 0,2 Prozentpunkte steigen.

Unsicherheitsfaktor Inflation

Zwar wird die Geldpolitik der EZB wohl noch für die Dauer der Pandemie expansiv bleiben. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Notenbank auf eine steigende Inflationsrate reagieren muss und die Zügel anzieht. Hintergrund: Weil die privaten Haushalte aufgrund des Lockdowns nicht viel Geld ausgeben konnten, ist die Sparquote im Jahr 2020 stark gestiegen. Wird der Konsum nach der Pandemie zumindest teilweise nachgeholt, führt das – wenn das Angebot nicht schnell genug ausgeweitet werden kann – zu höheren Preisen.

In Zeiten niedriger Zinsen haben die Anleger als Alternative zu Aktien offenbar die Kryptowährung Bitcoin entdeckt. Obwohl das Engagement darin hochriskant ist, hat der Bitcoin in der Corona-Krise einen kometenhaften Aufstieg hingelegt (Grafik):

Am 1. Februar 2020 kostete ein Bitcoin knapp 9.400 Dollar – ein Jahr später ist der Kurs auf fast 33.600 Dollar gestiegen.

Kurs in Dollar Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Zum Vergleich: Gold, das vielen wie der Bitcoin als Krisenanlage dient, verteuerte sich im gleichen Zeitraum nur um 280 auf 1.856 Dollar je Feinunze.

Die Zukunft. An den Börsen wird die Zukunft gehandelt, heißt es, und für die Zeit nach der Corona-Pandemie sind die Investoren offenbar wesentlich optimistischer, als sie es in der Finanzkrise waren.

Das liegt zum einen an den historischen Konjunkturpaketen, die rund um den Globus zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie geschnürt worden sind.

Ein anderer, vielleicht noch wichtigerer Grund für den Optimismus ist, dass sich die Corona-Krise grundlegend von der Finanzmarktkrise unterscheidet: Die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Pandemie sind von außen gekommen – die Finanzmarktkrise dagegen war hausgemacht und hat viel Vertrauen in die Politik und die Finanzwirtschaft zerstört.

Hoffen auf Wachstum

Während es also 2008/2009 kein Weiter-so geben konnte und die Finanzmärkte ihre Infrastruktur erst einmal neu aufbauen mussten, kann nach der Corona-Krise wieder Wachstum eintreten. Das zeigt sich auch in den Prognosen (siehe iwd 26/2020):

Vorausgesetzt, die Welt bekommt die Pandemie durch das Impfen in den Griff, rechnen Ökonomen für das Jahr 2021 mit einer weltweiten Wachstumsrate von 4,5 Prozent – nach minus 4 Prozent im Jahr 2020.

Als ein Wachstumstreiber gilt die Digitalisierung, der die Corona-Krise offenbar einen kräftigen Schub versetzt. Die verstärkte Nutzung digitaler Technologien, zum Beispiel für Videokonferenzen, Homeoffice und Online-Handel, könnte die Produktivität erhöhen, wenn die eingesparten Gelder und die eingesparte Zeit für produktivere Zwecke eingesetzt werden.

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