„Bitcoin ist für Menschen, die dem Staat nicht trauen“
Am Institut der deutschen Wirtschaft forscht Markus Demary zu Geldpolitik und Finanzmarktökonomik. Der iwd sprach mit dem Wissenschaftler über die Chancen einer globalen Digitalwährung wie Facebooks Libra, deren Unterschied zur Kryptowährung Bitcoin, aber auch über die Twitter-Präsenz des amerikanischen Präsidenten und die Frage, ob der Euro die wichtigste Währung der Welt werden kann.
- Facebooks Digitalwährung Libra, die in Afrika starten soll, könnte auch in der westlichen Welt für Innovationen sorgen, sagt IW-Finanzexperte Markus Demary.
- Libra könnte Erfolg haben und seine Konstruktion als Geldmarktfonds dürfte die Wechselkurse stabil halten.
- Die EU-Kommission tut gut daran, den Euro als Währung zu stärken, die Dollar-Vormacht dürfte das allerdings nicht brechen.
Haben Sie heute schon etwas getwittert, Herr Demary?
Nein, aber ich bin durch Twitter auf einen sehr interessanten Artikel darüber gestoßen, dass die niedrigen Zinsen noch zu keinen Zombie-Unternehmen geführt haben. Einige Wissenschaftler hatten ja prophezeit, dass unrentable Firmen durch billige Kredite als Untote weiterleben.
Warum haben Sie angefangen zu twittern?
Ursprünglich wollte ich andere auf meine Forschungsergebnisse hinweisen. Aber schnell ging es mir vor allem um den Austausch mit Ökonomen. Zum Glück diskutieren wir Themen zwar durchaus kontrovers, aber immer sachlich – anderen Nutzern geht es da ja manchmal anders, sie werden angefeindet und bepöbelt.
Apropos: Der amerikanische Präsident bewegt mit seinen Tweets die Märkte. Ist das gut oder schlecht?
Das will ich nicht bewerten. Jeder amerikanische Präsident hat mit seinen Aussagen die Märkte bewegt – ob im Fernsehen, im Radio oder im Zeitungsinterview. Twitter ist da nur ein neuer Kanal. Und lange vor Twitter gab es beispielsweise Bloomberg als Informationsdienst für Broker. Da haben sich Infos sehr schnell verbreitet und die Märkte haben reagiert.
Facebook und andere große Tech-Firmen wollen mit Libra eine neue, rein digitale Währung schaffen. Wie sinnvoll ist das?
Konkurrenz belebt das Geschäft. Das gilt auch hier – das Vorhaben, das ja in Afrika starten soll, könnte auch in der westlichen Welt für Innovationen sorgen. Denn eine globale Währung, die Bezahlvorgänge deutlich vereinfachen könnte, hat ihren Reiz.
Eine globale Währung, die Bezahlvorgänge deutlich vereinfachen könnte, hat ihren Reiz.
Allerdings gehe ich davon aus, dass Libra eine Währung für die privaten, kleinen Käufe und Überweisungen in andere Länder sein wird. Ich sehe nicht, dass Libra zu einer Alternative für große Transaktionen, zum Beispiel zwischen Unternehmen, werden könnte.
Immer wieder gibt es Konflikte zwischen einer Zentralbank und der zugehörigen Regierung. Das gäbe es bei Libra nicht. Wäre das nicht ein gewaltiger Vorteil?
Das sehe ich anders: Streit gibt es zwischen Regierungen und Zentralbanken eigentlich immer nur, wenn es um Finanzierungskosten geht, die ja von der Höhe der Zinsen abhängen, die die Zentralbank festlegt.
Beim Thema Zahlungsverkehr verhalten sich Regierungen und Zentralbanken dagegen eigentlich immer sehr kooperativ.
Auch Bitcoin ist eine staatenunabhängige, digitale Währung. Sie hat es aber nie über ihre Nische hinausgeschafft.
Die Idee hinter Bitcoin ist eine ganz andere. Da geht es um eine Kultur, eine Lebenseinstellung, wie beim Pop. Bitcoin wurde einst geschaffen von Menschen, die anonym bleiben wollten und dem Staat nicht trauten. Grundlage für Libra wird dagegen Facebook sein, also eine Community, die ohnehin sehr viel von sich preisgibt.
Libra könnte also wirklich Erfolg haben?
Durchaus. Auch die Konstruktion als Geldmarktfonds ist sinnvoll: Das Geld, das ins System fließt, wird wirklich investiert in „echtes“ Geld. Damit hält man die Wechselkurse stabil. Gefährlich würde es nur, wenn es zu einem Run auf die Banken käme, also alle auf einmal ihr Geld aus dem System abziehen wollten.
Aus europäischer Perspektive gab es nie die Notwendigkeit für eine digitale Währung.
Fragen sollte man bei Libra aber immer nach dem Geschäftsmodell: Die Kosten decken und Gewinne erzielen will man über etwaige Wertsteigerungen des Geldmarktfonds. Durch die Niedrigzinsen dürfte das nur bedingt möglich sein. Aber wahrscheinlich ist Facebook das ziemlich egal, wenn das Unternehmen neben all den Daten, die es schon hat, zusätzlich Zugriff auf Abermillionen Informationen zum Zahlungsverkehr bekommt.
Warum braucht es eigentlich ein Unternehmenskonsortium, um eine digitale Währung zu schaffen? Weshalb wurden nie Regierungen in dieser Richtung aktiv?
Aus europäischer Perspektive gab es nie die Notwendigkeit für eine digitale Währung. Denn bei uns haben ja fast alle Zugang zu einer klassischen Bank, inklusive Online-Banking.
Zudem hätten sich ziemlich viele Staaten einigen müssen. Aber wer weiß? Nichts spricht gegen einen digitalen Euro …
Zurück zu den klassischen Währungen: Die EU-Kommission will die Rolle des Euro als Leitwährung stärken. Kann sie damit erfolgreich sein?
Es ist auf jeden Fall richtig, dass die Kommission den Euro attraktiv halten will. Schließlich fallen viele Risiken weg, wenn man in der eigenen und nicht in einer anderen Währung Geschäfte macht.
Die Dollar-Vormacht wird das aber nicht brechen. Denn die zugehörigen Abläufe sind über Jahrzehnte eingeübt und die Regeln sind allen bekannt. Jede Umstellung, nicht nur auf den Euro, sondern beispielsweise auch auf den chinesischen Renminbi, wäre mit Kosten verbunden.