Interview Lesezeit 2 Min.

„China bewegt sich seit Jahren kaum noch“

Das Reich der Mitte nutzt die Lücken im Regelwerk der internationalen Handelspolitik mit vielen Subventionen und Staatsunternehmen. Warum die EU diesem Treiben mehr entgegensetzen muss und was Brüssel konkret tun kann, darüber sprach der iwd mit Jürgen Matthes, Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur im Institut der deutschen Wirtschaft.

Kernaussagen in Kürze:
  • China bewegt sich seit Jahren kaum, wenn es darum geht, Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Daher sollte die EU signalisieren, dass ihre Geduld zu Ende ist, meint IW-Ökonom Jürgen Matthes.
  • Die EU sollte zudem für kleine und mittlere Betriebe die Vorschriften zur Anwendung von Schutzinstrumenten lockern.
  • Man sollte die Abhängigkeit von China nicht überschätzen, sagt Matthes. Im Jahr 2015 hingen gerade einmal 2,3 Prozent der deutschen Arbeitsplätze an der Wertschöpfung, die in Exporten nach China steckt.
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Die USA geben sich im Handelsstreit mit China härter als die EU, sie verhängen zum Beispiel deutlich mehr und höhere Strafzölle. Warum ist die EU so zahm?

Die EU setzt traditionell auf Kooperation und Verhandlungen. Und sie hofft auch weiterhin, dass China einlenkt und seine Subventionspolitik und Wettbewerbsverzerrungen abbaut. Oder dass Peking zumindest neuen Handelsregeln zustimmt, die einen besseren Schutz europäischer Unternehmen ermöglichen.

China bewegt sich aber seit Jahren kaum. Daher sollte die EU signalisieren, dass ihre Geduld zu Ende ist. Und Brüssel sollte sich bei diesen Fragen noch stärker an die Seite der USA stellen. Ein neuer US-Präsident würde diesen Schritt sicherlich leichter machen.

Warum nutzen europäische Unternehmen die verfügbaren Antidumpinginstrumente so selten?

Jürgen Matthes ist Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien Die handelspolitischen Schutzinstrumente, die von der Welthandelsorganisation (WTO) erlaubt sind, ermöglichen Strafzölle auf Waren zu Dumpingpreisen oder auf unzulässig subventionierte Importe. Doch der bürokratische Aufwand ist hoch. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind damit oft überfordert.

Wie könnte die EU diese Unternehmen unterstützen?

Die EU könnte ihre Vorschriften zur Anwendung der Schutzinstrumente etwas lockern – Brüssel stellt teils höhere Anforderungen als die WTO. Außerdem sollte die EU für kleine und mittlere Betriebe die Beschwerdemöglichkeiten erleichtern, Fragebögen weiter abspecken und konkrete Unterstützung anbieten. Denn Schutzverfahren werden häufiger eingeleitet, wenn man Erfahrungen damit gesammelt hat.

Man sollte die Abhängigkeit von China nicht überschätzen. An der Wertschöpfung, die in den deutschen Exporten nach China steckt, hingen 2015 gerade einmal 2,3 Prozent der deutschen Arbeitsplätze.

Auch Schulungen für kleinere Branchenverbände sind sinnvoll, damit diese dann ihre Mitgliedsunternehmen besser informieren und weiterbilden können. Solche Schritte sind wichtig, weil damit zu rechnen ist, dass chinesische Anbieter weiter aufholen und zu stärkeren Konkurrenten auch für KMU in Europa werden.

Wenn die EU gegenüber China robuster auftritt, gefährdet sie dann nicht Arbeitsplätze in den deutschen Exportbranchen?

China könnte in der Tat Vergeltungsmaßnahmen ergreifen. Entsprechende Drohungen gab es bereits für den Fall, dass Huawei vom deutschen 5G-Netz ausgeschlossen würde. Allerdings sollte man die Abhängigkeit von China auch nicht überschätzen. An der Wertschöpfung, die in den deutschen Exporten nach China steckt, hingen im Jahr 2015 nach OECD-Angaben gerade einmal 2,3 Prozent der deutschen Arbeitsplätze. Und wenn Peking, wie angedroht, es deutschen Autofirmen in China schwer machen würde, gingen vor allen dort Jobs verloren, denn der Großteil des chinesischen Marktes wird ja durch Produktion vor Ort bedient.

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