Bildungspolitik: Es gibt viel zu tun
In den meisten Bundesländern sind die Herausforderungen im Bildungssystem im Vergleich zum Jahr 2013 gewachsen. Vor allem bei der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund hat die Bildungspolitik noch viel Arbeit vor sich.
- Im aktuellen INSM-Bildungsmonitor liegt Sachsen im Ranking vorn, gefolgt von Bayern und Hamburg.
- Am Ende der Skala finden sich Nordrhein-Westfalen, Brandenburg sowie das Schlusslicht Bremen.
- Da zugewanderte Kinder in Deutschland schlechtere Bildungsergebnisse aufweisen als in anderen Ländern, sollte vor allem die Sprachförderung verbessert werden.
Wie gerecht ist unser Bildungssystem? Trägt es optimal zur Fachkräftesicherung bei? Macht es Deutschland mit Blick auf die Digitalisierung oder die Dekarbonisierung fit für die Zukunft? Diesen Fragen geht der INSM-Bildungsmonitor nach, der seit 2004 jährlich vom Institut der deutschen Wirtschaft erstellt wird. Er beschreibt die Fortschritte aller Bundesländer in 13 Handlungsfeldern, zum Beispiel die Betreuungsbedingungen, die Schulqualität oder die Integration im Bildungssystem.
Aktuell weisen zugewanderte Kinder in Deutschland schlechtere Bildungsergebnisse auf als in anderen Ländern. Um dies zu ändern, kommt vor allem der Sprachförderung eine besondere Bedeutung zu.
2024 belegt das gleiche ostdeutsche Bundesland wie in den Vorjahren den ersten Platz (Grafik):
Sachsen liegt im Ranking vorn, gefolgt von Bayern und Hamburg. Am Ende der Skala finden sich Nordrhein-Westfalen, Brandenburg sowie das Schlusslicht Bremen.
Sachsen erreicht in vier Handlungsfeldern den ersten Platz: bei der Förderinfrastruktur, der Schulqualität, im Vermeiden von Bildungsarmut sowie bei der Forschungsorientierung. Gleichwohl gibt es noch Verbesserungsbedarf, etwa in puncto Zeiteffizienz. So werden in Sachsen relativ viele Kinder verspätet eingeschult, zudem wiederholen mehr Grundschüler eine Klasse als im Bundesdurchschnitt. Die Betreuungsbedingungen sind ebenfalls noch nicht optimal. So kamen in Sachsen im Jahr 2023 auf eine Kita-Betreuerin im Schnitt 8,7 Kinder, im Bundesdurchschnitt waren es 5,5.
Bayern erreicht in der beruflichen Bildung die meisten Punkte. Der Grund: Im Freistaat gab es 2023 mit 4 Prozent relativ wenige unversorgte Ausbildungsplatzbewerber (im Bundesdurchschnitt waren es 8 Prozent), zudem stehen Fortbildungen dort hoch im Kurs: Im Jahr 2022 haben rund 7 Prozent der 25- bis 40-jährigen Menschen in Bayern eine Fortbildungsprüfung bestanden, deutschlandweit waren es knapp 5 Prozent. Beim Ausbau der Förderinfrastruktur hinkt Bayern dagegen trotz zuletzt großer Fortschritte hinterher. Der Anteil der ganztags betreuten Vorschulkinder liegt nur bei knapp 34 Prozent, bundesweit sind es annähernd 47 Prozent.
Hamburg erreicht den Spitzenplatz in puncto Internationalisierung, denn in der Hansestadt erlernen fast alle Grundschüler eine Fremdsprache. In der Folge weisen die Hamburger Schüler ein weit überdurchschnittliches Hör- und Leseverständnis in der englischen Sprache auf. Verbessern könnte sich Hamburg im Handlungsfeld Schulqualität. Die Mathematikkenntnisse der Viertklässler sind etwas schlechter als im Bundesdurchschnitt, das Gleiche gilt für die Lesekompetenz der Neuntklässler. Beide haben sich aber in den letzten Jahren weniger stark verschlechtert als die Ergebnisse in vielen anderen Bundesländern.
Integration im Fokus
Ein besonderes Augenmerk legt der INSM-Bildungsmonitor 2024 auf die Integration, schließlich hat sich in den vergangenen Jahren der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund stark erhöht:
Im Jahr 2005 hatten 19 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund, 2022 waren es fast 30 Prozent.
Noch stärker steigt der Anteil der Personen mit ausländischen Wurzeln in der jungen Generation. Im Jahr 2012 wiesen 26 Prozent der bei PISA getesteten 15-Jährigen in Deutschland einen Migrationshintergrund auf, 2022 waren es 39 Prozent. Angesichts dessen sollten sich die Bundesländer stärker darum bemühen, diese jungen Leute erfolgreich ins deutsche Bildungssystem zu integrieren – schließlich tragen sie wesentlich dazu bei, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern. Doch aktuell weisen zugewanderte Kinder in Deutschland schlechtere Bildungsergebnisse auf als in anderen Ländern.
Um dies zu ändern, kommt vor allem der Sprachförderung eine besondere Bedeutung zu. Lesekompetenzen sind entscheidend für den Bildungserfolg, allerdings nimmt die häusliche Ausstattung mit Büchern sowie die Zeit, in der gelesen wird, bei Kindern und Jugendlichen ab. Insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund haben weniger Vorleseerfahrungen, was ihre Lesekompetenzen beeinträchtigt (Grafik):
Fast 77 Prozent der Vorschulkinder ohne Migrationshintergrund bekommen täglich Geschichten erzählt oder vorgelesen, Kinder mit eigener Migrationserfahrung nur zu 18 Prozent.
Das tägliche Vorlesen für Kindergartenkinder wirkt sich weitreichend positiv aus. So weisen diese Kinder deutlich bessere schulische Leistungen im Grundschulalter auf. Das tägliche Selbstlesen von Zehnjährigen wiederum korreliert mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen und später bessere Schulnoten zu erzielen.
Eltern bei der Leseförderung unterstützen
Die Sprach- und Leseförderung sollte deshalb so früh wie möglich beginnen. Allerdings besuchen Kinder mit Migrationshintergrund deutlich seltener Kitas und Kindergärten als solche ohne Migrationshintergrund. Zudem gibt es sowohl im Vorschulbereich als auch an den Grundschulen bundesweit immer noch nicht genügend Betreuungs- und Ganztagsplätze. Hier ist ein weiterer quantitativer und qualitativer Ausbau notwendig. Zusätzlich sollten auch die Eltern bei der Leseförderung ihrer Kinder unterstützt werden, indem sie beispielsweise Materialien für das Lesenüben zu Hause erhalten.