Chemiebranche: Ein Schwergewicht mit Standortsorgen
Die Chemiebranche zählt zu den traditionell starken Industriezweigen der deutschen Wirtschaft und ist auch in Krisenzeiten ein sicherer Arbeitgeber. Allerdings haben sich in den vergangenen Jahren die Standortbedingungen hierzulande verschlechtert – auch wegen der hohen Strompreise.
- Chemieunternehmen sind in Deutschland regional fest verankert und hochinnovativ, wovon hierzulande auch viele weitere Wirtschaftszweige profitieren.
- Jeder Euro direkte Wertschöpfung, der von Unternehmen der chemischen Industrie erwirtschaftet wird, stößt mehr als 1 Euro zusätzliche Wertschöpfung in der deutschen Wirtschaft an.
- Allerdings haben sich in den vergangenen Jahren die Standortbedingungen hierzulande verschlechtert – daran sind vor allem die hohen Energiekosten schuld, die die Investitionstätigkeit beeinträchtigen.
Chemieunternehmen sind in Deutschland regional fest verankert und hochinnovativ, wovon hierzulande auch viele weitere Wirtschaftszweige profitieren. Schließlich steht die Chemie als Grundstoffproduzent für viele Branchen am Anfang der Wertschöpfungskette und ist ein wichtiger Zulieferer: Jeder Euro direkte Wertschöpfung, der von Unternehmen der chemischen Industrie erwirtschaftet wird, stößt mehr als 1 Euro zusätzliche Wertschöpfung in der deutschen Wirtschaft an.
Durch die Vorleistungstätigkeit hat die Chemieindustrie auch einen großen Effekt auf die allgemeine Beschäftigung: Jeder Arbeitsplatz in der chemischen Industrie ist mit 2,6 weiteren Arbeitsplätzen in der Gesamtwirtschaft verbunden. Insgesamt lassen sich der deutschen Chemie damit 787.461 Arbeitsplätze zurechnen. Zudem müssen die Arbeitnehmer in der Branche selten um ihren Arbeitsplatz bangen (Grafik):
Zwischen 2010 und 2018 stieg die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in der Chemie von 493 auf 549 Millionen und damit um gut 11 Prozent.
Sogar in Krisenphasen – wie der Finanzkrise 2009, der Euro-Schuldenkrise 2012/2013 und der Industrierezession, die 2018 begann – schrumpfte das Arbeitsvolumen um sehr viel weniger als die reale Bruttowertschöpfung in der Branche. Ihren Anteil an allen im Verarbeitenden Gewerbe geleisteten Arbeitsstunden konnte die Chemie seit 2010 sogar leicht ausbauen.
In den vergangenen Jahren haben sich für die Chemiebranche hierzulande die Standortbedingungen verschlechtert – daran sind vor allem die hohen Energiekosten schuld, die die Investitionstätigkeit beeinträchtigen.
Seit jeher gehört die Chemieindustrie auch zu den exportstarken Branchen und weist einen anhaltenden Handelsbilanzüberschuss auf. Allerdings haben sich die Standortbedingungen für die Unternehmen in den vergangenen Jahren offensichtlich verschlechtert. Ein Beleg dafür ist, dass sich die Investitionen der Chemieindustrie am hiesigen Standort – im Gegensatz zu den Direktinvestitionen im Ausland – weniger dynamisch entwickelt haben als im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt:
Die realen Investitionen der Chemiebranche in Deutschland sind von 2010 bis 2019 nur um knapp 12 Prozent gestiegen – im gesamten Verarbeitenden Gewerbe betrug der Zuwachs im selben Zeitraum nahezu 40 Prozent.
Neben anderen Faktoren wie der Regulierung im Baurecht und langen Genehmigungsverfahren beeinträchtigen seit einigen Jahren vor allem die hohen Energiekosten die Investitionstätigkeit am Standort D (Grafik):
Zwar ist die Belastung durch die EEG-Umlage schon deutlich gesunken – trotzdem steigt der Strompreis in Deutschland für Industrieunternehmen kontinuierlich an.
Chemiefirmen, die zur Minderung von Treibhausgasemissionen auf Strom umsteigen wollen, sind damit einer hohen Abgabenbelastung ausgesetzt – es sei denn, sie werden als „stromintensiv“ eingestuft und dadurch zumindest von der EEG-Umlage und der Stromsteuer entlastet.
Schon jetzt ist die Chemie für etwa ein Fünftel des Industriestromverbrauchs verantwortlich. Da auch andere Industriezweige, der Verkehrssektor und die Gebäudewärme künftig mehr Strom aus erneuerbaren Energien benötigen, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren, ist der zusätzliche Bedarf an grünem Strom enorm.
Damit die Emissionen der chemischen Industrie in Deutschland im Jahr 2050 auf null sinken können, werden 628 Terawattstunden erneuerbar erzeugter Strom pro Jahr benötigt.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieunternehmen nicht weiter zu gefährden, braucht die energieintensive Branche mit Blick auf die Politik mehr Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit in Sachen Klimaschutz. Grüner Strom muss künftig in großen Mengen verfügbar sein und viel günstiger werden.