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Risiken und Chancen für die deutsche Pharmaindustrie

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexits auf die pharmazeutische Industrie sind inzwischen spürbar – allerdings leidet die britische Seite mehr als die deutsche. Rechtlich und institutionell kann ein ungeregelter Brexit für alle Beteiligten zur Herausforderung werden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der anstehende Brexit hat in der Pharmaindustrie bereits Spuren hinterlassen. Der Anteil der deutschen Pharma-Ausfuhren nach Großbritannien ist von 2015 bis 2018 um fast 11 Prozentpunkte gesunken.
  • Die deutsche Pharmaindustrie ist aber nicht sehr abhängig von Großbritannien. Nur 2 Prozent aller Vorleistungen kommen aus dem Vereinigten Königreich.
  • Für die Pharma-Branche mit ihren komplexen und hochregulierten Abläufen birgt der Brexit vor allem institutionelle und rechtliche Probleme, zum Beispiel bei klinischen Studien oder Zulassungsverfahren.
Zur detaillierten Fassung

Die Pharmaindustrie zählt zu den am strengsten regulierten Branchen, das Arzneimittelrecht ist weitgehend europäisch harmonisiert. Weil der britische Pharmamarkt deshalb eng mit dem europäischen verzahnt ist, wird der Brexit – vor allem, wenn er ungeregelt ist – in den international ausgerichteten Wertschöpfungsketten der Branche Spuren hinterlassen.

In den deutsch-britischen Handelsbeziehungen sind bereits Bremsspuren zu sehen (Grafik):

Der Anteil der deutschen Pharma-Ausfuhren nach Großbritannien ist von 2015 bis 2018 um fast 11 Prozentpunkte gesunken.

Ausfuhren pharmazeutischer Erzeugnisse in die EU-Mitgliedsstaaten in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch in umgekehrter Richtung bremst der Brexit die Geschäfte, wenn auch weniger stark:

Der Anteil deutscher Pharma-Importe aus Großbritannien ist von 2015 bis 2018 um 1,2 Prozentpunkte auf 6,4 Prozent der gesamten Einfuhren zurückgegangen.

Das heißt: Die Abhängigkeit der deutschen Pharmaindustrie von britischen Einfuhren ist deutlich geringer, als dies bei ihren Ausfuhren ins Königreich der Fall ist.

Aus ökonomischer Sicht ist ein harter Brexit für die deutsche Pharmaindustrie zwar ein Risiko, aufgrund der geringen Vorleistungsbezüge aber kompensierbar.

Diese Zahlen der Ein- und Ausfuhren unterscheiden jedoch nicht, ob es sich dabei um Endprodukte oder um Vorleistungen handelt – die aber spielen eine entscheidende Rolle. Was den deutsch-britischen Vorleistungshandel angeht, ist die deutsche Abhängigkeit gering: Nur 2 Prozent aller Vorleistungen bezieht die Pharmaindustrie aus Großbritannien – umgekehrt stammen jedoch 7 Prozent der britischen Vorleistungsbezüge aus der Bundesrepublik.

Aus ökonomischer Sicht ist ein harter Brexit für die deutsche Pharmaindustrie zwar ein Risiko, aufgrund der geringen Vorleistungsbezüge sollte eine Kompensation und Neujustierung der Vertriebskanäle allerdings machbar sein. Für die Pharma-Branche mit ihren komplexen und hochregulierten Abläufen zeigen sich vor allem institutionelle und rechtliche Probleme:

Klinische Studien dürfen in der EU nur durchgeführt werden, wenn ein sogenannter Sponsor seinen Sitz in der EU hat. Für die Genehmigung einer klinischen Studie in der EU und im Vereinigten Königreich muss ein Unternehmen also zukünftig doppelte Strukturen vorhalten.

Die Zulassungsverfahren von Medikamenten gestalten sich schwieriger. Will ein Unternehmen seine Arzneien nach dem Brexit sowohl in der EU als auch in Großbritannien verkaufen, muss es sowohl im Vereinigten Königreich als auch in einem Mitgliedsland Niederlassungen einrichten und vorhalten.

Ihre Vertriebsstrukturen werden die Unternehmen zum Teil neu organisieren müssen. Ist das Vereinigte Königreich aus Sicht der EU ein Drittland, braucht es für Arzneimitteleinfuhren von der Insel eine Einfuhrerlaubnis. Dies gilt nicht nur für Arzneimittel, die in Großbritannien hergestellt wurden, sondern auch für solche, die zum Beispiel aus logistischen Gründen in einem anderen Land hergestellt, aber über Großbritannien in die EU geliefert werden.

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