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Bürgergeld: Mehr Informationen, andere Meinungen

Zu Jahresbeginn löste das Bürgergeld Hartz IV ab. Der Regelsatz für arbeitslose Singles erhöhte sich etwa um 53 Euro – viele Menschen empfinden diesen Betrag als zu niedrig. Das Stimmungsbild ändert sich aber, wenn Befragte mehr Informationen zu den Sozialleistungen erhalten.

Kernaussagen in Kürze:
  • Viele Bundesbürger halten die jüngste Erhöhung des Bürgergeldes einer IW-Umfrage zufolge für zu gering.
  • Wenn die Befragten allerdings Informationen zu den weiteren finanziellen Leistungen des Staates erhalten, finden sie die Regelsätze tendenziell eher passend oder zu hoch.
  • Ausnahme sind AfD-Wähler. Bei ihnen führen die weiteren Informationen teils zu gegenteiligen Bewertungen.
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Für die Ampelkoalition war es das zentrale sozialpolitische Anliegen in dieser Legislaturperiode: die Einführung des Bürgergeldes. Zum 1. Januar 2023 löste es die bisherige Grundsicherung Hartz IV ab.

Was ist neu? Die Arbeitslosen erarbeiten nun gemeinsam mit den Mitarbeitern der Arbeitsagentur einen Kooperationsplan, in dem sie festlegen, wie sie ihren Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt angehen. Außerdem setzt die Politik stärker auf Weiterbildung und nachgeholte Berufsabschlüsse statt auf die Vermittlung in Hilfsjobs. Vermögen und Wohnung bleiben durch neue Karenzzeiten länger geschützt.

Die in der Öffentlichkeit präsenteste Änderung betrifft aber die Regelsätze:

Ein alleinstehender Bürgergeldempfänger erhält 502 Euro pro Monat vom Staat. Der Hartz-IV-Satz betrug 449 Euro.

Für Paare gibt es pro Kopf jeweils 451 Euro, für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren fließen 420 Euro.

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat nun untersucht, was die Bürger über die neuen Regelsätze denken. Dazu befragten die Forscher von Ende Februar bis Anfang März 2023 fast 4.900 Personen. Um herauszufinden, inwieweit zusätzliche Informationen die Einschätzungen verändern, wurden die Befragten in drei Gruppen unterteilt.

Dass trotz des emotional aufgeladenen Themas Bürgergeld viele Menschen bereit sind, ihre Meinung der Informationslage anzupassen, ist für den gesellschaftlichen Diskurs positiv.

Die Personen der ersten Gruppe erhielten nur die Angaben zu den Regelsätzen und gaben daraufhin ihre Meinung ab. Gruppe zwei bekam zusätzlich die Information, dass der Staat die Krankenkassenbeiträge – je Erwachsenen sind das 100 Euro pro Monat – sowie Wohn- und Heizkosten je nach örtlichem Mietspiegel erstattet. Das entsprechende Beispiel war Leipzig mit Zuzahlungen von maximal 347 Euro. Gruppe drei erhielt dieselben Informationen wie Gruppe zwei mit dem Unterschied, dass für den Wohnkostenzuschuss das Beispiel Köln mit einem Höchstsatz von 713 Euro genannt wurde. Erstes Ergebnis (Grafik):

Von der Gruppe, die ausschließlich die Informationen zum neuen Regelsatz erhielt, waren gut 46 Prozent der Meinung, die Erhöhung sei zu gering ausgefallen.

So viel Prozent der Befragten mit diesen Parteipräferenzen und diesem Informationsstand schätzen die Erhöhung der Regelsätze des Bürgergelds so ein Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Mehr Wissen über das Bürgergeld führte zu anderen Einschätzungen. So sank der Anteil derer, die höhere Regelsätze für nötig halten, in Gruppe zwei auf gut 42 Prozent, in Gruppe drei sogar auf knapp 34 Prozent. Entsprechend stieg auch die Zustimmung zur aktuellen Regelung sowie der Anteil derer, die das Bürgergeld für zu hoch halten.

Das IW hat zusätzlich die Daten der drei Gruppen nach den politischen Präferenzen der Befragten ausgewertet. Demnach halten Anhänger der Linken das Bürgergeld anteilig am häufigsten für zu niedrig, gefolgt von Wählern der Grünen. Union-, FDP- und AfD-Anhänger sehen die Höhe der Regelsätze eher als angemessen oder zu hoch an. Was auffällt:

Über die Parteizugehörigkeit hinweg führen zusätzliche Informationen zum Bürgergeld dazu, dass die Befragten die Regelsätze tendenziell als passend oder zu hoch empfinden.

Einzige Ausnahme bilden die AfD-Wähler. Der Hinweis zur Leistungshöhe in Köln wirkt kaum, die Informationen zum Höchstsatz in Leipzig sogar leicht in eine gegensätzliche Richtung – eventuell, weil die Befragten generell von einer höheren staatlichen Unterstützung ausgingen.

Dass trotz des emotional aufgeladenen Themas viele Menschen bereit sind, ihre Meinung der Informationslage anzupassen, ist für den gesellschaftlichen Diskurs eine positive Erkenntnis. Nur die AfD-Wähler fallen hier, wie die Daten zeigen, aus dem Rahmen.

Zwei Charakteristika könnten dafür ausschlaggebend sein. Zum einen schätzen AfD-Anhänger wirtschaftliche Kennzahlen oft pessimistischer ein als der Rest der Bevölkerung. Zum anderen informieren sie sich häufiger in den sozialen Medien und könnten sich dort in ihren Sichtweisen bestätigt sehen, weil die Algorithmen Inhalte ausspielen, die zur persönlichen Meinung passen. Eine Kombination aus beidem legt nahe, dass ein Teil dieser Gruppe ihre Haltung auch dann nicht mehr ändert, wenn politische Maßnahmen ihren Präferenzen entsprechen.

Um diese Entkopplung zu verhindern, braucht es tiefgreifende, nicht bevormundende Bildungs- und Informationsangebote, die das komplexe Sozialsystem verständlich erklären. Hierzu gehört, dass Alleinerziehende beim Bürgergeld höhere Ansprüche haben und Sozialleistungen für Asylbewerber geringer ausfallen als die Bürgergeld-Regelsätze. Anders als häufig öffentlich vermittelt, sind Arbeitslose auch weiterhin verpflichtet, bei der Arbeitssuche aktiv mitzuwirken.

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