Medienvertrauen Lesezeit 4 Min.

Die Gefahr der Filterblasen

Die Nutzung traditioneller Medien wie Fernsehen, Radio oder Zeitungen dominiert nach wie vor das politische Informationsverhalten der deutschen Bevölkerung. Vor allem junge Menschen wenden sich aber zunehmend den sozialen Medien zu, wenn sie sich informieren wollen. Da die subjektive Einschätzung der Glaubwürdigkeit der einzelnen Medien gleichzeitig stark durch das eigene Nutzungsverhalten beeinflusst wird, birgt dies einige Risiken.

Kernaussagen in Kürze:
  • Das IW hat in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum untersucht, wie sich die Bundesbürger politisch informieren und wie glaubwürdig sie die verschiedenen Medienformate einschätzen.
  • Die klassischen Medien, besonders der Rundfunk, werden nach wie vor stark frequentiert und insgesamt auch als vertrauenswürdiger bewertet.
  • Die Menschen schätzen allerdings diejenigen Medien als glaubwürdiger ein, welche sie selbst vermehrt nutzen.
Zur detaillierten Fassung

Seien es die aktuellen Fallzahlen an Corona-Infizierten, die jeweiligen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen in den verschiedenen Regionen oder die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus auf Deutschland und die Welt – mit der Corona-Pandemie geht ein gestiegenes Informationsbedürfnis der Bundesbürger einher (siehe "Medienkonsum steigt im Lockdown").

Das Internet und die sozialen Medien bieten dazu eine schier unendliche Fülle an potenziellen Informationsquellen. In dieser auf den ersten Blick erstrebenswerten Vielfalt liegt aber zugleich die Krux, denn nicht alle Inhalte sind rein informativ, objektiv und faktenbasiert aufbereitet. Sogenannte Fake News, also die bewusste Verbreitung von Fehlinformationen mit manipulativer Absicht, sind in Deutschland nicht erst seit Corona-Leugnern und Impfgegnern ein zunehmendes und viel diskutiertes Problem.

Vor diesem Hintergrund hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum auf der Basis einer repräsentativen Befragung untersucht, wie sich die Bundesbürger politisch informieren und für wie glaubwürdig sie die verschiedenen Medienformate halten.

Das Ergebnis: Die klassischen Medien Rundfunk und Zeitung stehen in der deutschen Bevölkerung nach wie vor hoch im Kurs. Das verrät der Blick auf die Nutzungshäufigkeit verschiedener medialer Angebote zur politischen Information (Grafik):

Mit Ausnahme der Boulevardzeitung werden alle traditionellen Medienformate häufiger als Informationsquelle genutzt als die sozialen Medien.

So viel Prozent der Bevölkerung nutzen diese Quellen, um sich politisch zu informieren Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Besonders der Rundfunk – sei es der öffentlich-rechtliche, der private oder der lokale – wird von den Befragten gerne genutzt. Unter den sozialen Medien führen YouTube und Facebook, die rund jeder Zweite konsultiert, um sich zu informieren.

Welche Formate genutzt werden, ist aber auch eine Frage des Alters: Für die unter 30-Jährigen spielen traditionelle Medien eine deutlich geringere Rolle als für ältere Befragte. Stattdessen greifen junge Leute überdurchschnittlich oft auf die sozialen Medien als Quelle für politische Informationen zurück. Mehr als zwei Drittel von ihnen nutzen dazu YouTube; der Videodienst ist in dieser Altersgruppe damit die am vierthäufigsten genannte Informationsquelle.

Im Bundesdurchschnitt dominieren allerdings die herkömmlichen Medien – und sie werden insgesamt auch als glaubwürdiger eingeschätzt (Grafik):

Fast alle traditionellen Medienformate liegen in Sachen Glaubwürdigkeit vor den sozialen Medien.

So viel Prozent der Bundesbürger bewerten die Inhalte dieser Medienformate als glaubwürdig Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Ausnahme bilden Boulevardzeitungen, die nur jeder Fünfte der Befragten für glaubwürdig hält. Während mehr als drei Viertel dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio vertrauen, sind Facebook-Inhalte nur für 19 Prozent der Befragten glaubwürdig – ähnlich wie bei der Boulevardpresse. Twitter kommt auf einen noch niedrigeren Wert. YouTube-Quellen schätzen mit 26 Prozent etwas mehr Menschen als glaubwürdig ein.

Traditionelle Medien genießen ein ungebrochen großes Vertrauen in der deutschen Bevölkerung. Die Einschätzung der Glaubwürdigkeit wird allerdings stark durch das Nutzungsverhalten beeinflusst.

Setzt man die Glaubwürdigkeit allerdings in Bezug zur Nutzungsintensität des jeweiligen Medienformats, zeigt sich ein auffälliges Muster. So wird die Einschätzung der Glaubwürdigkeit einzelner Medien stark durch das eigene Nutzungsverhalten beeinflusst: Die Befragten schätzen diejenigen Medien als glaubwürdiger ein, welche sie selbst vermehrt nutzen.

Beispielsweise vertrauen 72 Prozent der häufigen YouTube-Nutzer dem Videoportal als Quelle, bei den Usern von Twitter sind es noch 4 Prozentpunkte mehr.

Die Befragung erlaubt zwar kein Urteil darüber, in welche Richtung der Zusammenhang zwischen Nutzungshäufigkeit und Glaubwürdigkeit funktioniert – ob eine häufigere Nutzung eines Mediums dazu führt, dass es subjektiv als glaubwürdiger eingeschätzt wird, oder ob sich die Personen für die Nutzung des jeweiligen Mediums entscheiden, weil sie es für glaubwürdig halten. Was aber deutlich wird, ist: Die Deutungshoheit des politischen Geschehens verschiebt sich immer mehr zur eigenen Bezugsgruppe.

Durch Algorithmen entstehen Filterblasen

Die verstärkte Nutzung sozialer Medien, die Inhalte bereitstellen, ohne diese unabhängig zu bewerten und auszuwählen, birgt damit das Risiko, dass sich kommunikative Filterblasen bilden: Die zunehmende Zahl der Menschen, die sich regelmäßig über Facebook, Twitter und Co informieren, läuft Gefahr, nur mit einseitiger Berichterstattung versorgt zu werden.

Der Grund dafür sind die hinter den Seiten liegenden Algorithmen, die dem Benutzer hauptsächlich jene Informationen anzeigen, die mit seinen bisherigen Ansichten übereinstimmen. Der Nutzer wird so in einer Blase gegenüber Informationen isoliert, die nicht seinem Standpunkt entsprechen. Auf gleiche Weise verbreiten und verfestigen sich Fake News: Wird oft auf Falschmeldungen geklickt, spuckt der Algorithmus immer mehr vergleichbare Inhalte aus und zieht die Person tiefer in den Strudel der „alternativen Fakten“.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist es wichtig, dass Kindern schon in der Schule Medienkompetenz und digitale Souveränität vermittelt werden. Aber auch ältere Bevölkerungsgruppen, die nicht mit digitalen Medien groß geworden sind, dürfen nicht aus dem Blick geraten und sollten mittels auf sie zugeschnittener Informationsangebote im Umgang mit neuen Medien geschult werden.

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