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Brückenstrompreis: Nicht perfekt, aber pragmatisch

Die Strompreise für die Industrie in Deutschland sind hoch und gefährden die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Das Wirtschaftsministerium will mit einem „Brückenstrompreis“ gegensteuern und so die energieintensiven Branchen unterstützen. Langfristig sollen die erneuerbaren Energien für günstigere Strompreise sorgen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die hohen Industriestrompreise belasten die energieintensiven Unternehmen in Deutschland und gefährden ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.
  • Das Bundeswirtschaftsministerium will die Betriebe mit einem Brückenstrompreis bis 2030 unterstützen. Dann soll Strom durch mehr erneuerbare Energien günstiger sein.
  • Wie die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien und die langfristige Versorgung mit grünem Strom in Deutschland erreicht werden sollen, ist aber unklar.
Zur detaillierten Fassung

Nicht erst seit der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verursachten Energiekrise ist Strom in Deutschland ein kostspieliges Gut. Bis vor Kurzem mussten in Europa nur die Dänen höhere Strompreise stemmen. Grund dafür ist vor allem die Vielzahl an Steuern, Abgaben und Umlagen in der Bundesrepublik.

Zwar schaffte die Bundesregierung im vergangenen Jahr die EEG-Umlage ab und steuerte zumindest etwas gegen die hohen heimischen Strompreise. Doch die Energiekrise hat die Kosten in Deutschland und ganz Europa noch einmal deutlich nach oben getrieben (Grafik):

Im Schnitt stiegen die europäischen Industriestrompreise zwischen dem zweiten Halbjahr 2020 und dem zweiten Halbjahr 2022 um 64 Prozent.

Durchschnittlicher Preis für Industrieunternehmen pro Kilowattstunde Strom in Cent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Da sich die Preise in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern vergleichsweise moderat erhöhten, lag die Bundesrepublik Ende 2022 mit ihren Industriestrompreisen im europäischen Mittelfeld. Allerdings bleiben die Nachteile im globalen Wettbewerb bestehen. In den USA beispielsweise zahlen die Industriebetriebe pro Kilowattstunde Strom weniger als ein Drittel dessen, was in Deutschland fällig wird.

Um die deutschen Unternehmen konkurrenzfähig zu halten, hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Brückenstrompreis angekündigt, der bis zum Jahr 2030 gelten soll. Die Idee: Für Unternehmen mit einem Stromkostenanteil von mindestens 14 Prozent an der Bruttowertschöpfung und einem Stromverbrauch von mehr als einer Gigawattstunde pro Jahr wird der Preis für 80 Prozent des verbrauchten Stroms auf 6 Cent pro Kilowattstunde zuzüglich Steuern und Abgaben gedeckelt. Die Subventionen sollen jedoch abhängig vom durchschnittlichen Marktpreis gewährt werden. Das heißt:

Zahlen Unternehmen mehr als 6 Cent pro Kilowattstunde, der durchschnittliche Marktpreis liegt aber darunter, erhalten die Betriebe keinen Zuschuss.

Außerdem ist die staatliche Unterstützung an einige Bedingungen geknüpft. So müssen sich Firmen, die profitieren wollen, verpflichten, ihren Standort in Deutschland zu erhalten und bis 2045 klimaneutral zu werden.

Beim Brückenstrompreis handelt es sich um keinen perfekten, aber doch einen pragmatischen Ansatz, um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien zu erhalten.

Ab 2030 – so die Überlegung des Wirtschaftsministeriums – sollen die Strompreise durch den Umstieg auf die erneuerbaren Energien deutlich niedriger sein. Bereits in den vergangenen Jahren haben sich die Preise an der Börse nach unten orientiert, sobald große Mengen an Wind- und Sonnenenergie ins Netz eingespeist wurden.

Eine zentrale Säule, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern, sollen sogenannte Power Purchase Agreements (PPA) sein. Hinter dem Begriff verbergen sich bilaterale langfristige Verträge für grünen Strom. Anlagenbetreiber können so ihren Strom direkt an Unternehmen verkaufen, egal ob für die nächsten zwei oder 20 Jahre. Die finanzielle Klarheit durch diese PPA soll den Bau neuer Wind- und Solaranlagen absichern.

In der Vergangenheit lagen die Strompreise, die im Rahmen solcher PPA festgelegt wurden, bereits teilweise unter dem anvisierten Brückenstrompreis von 6 Cent je Kilowattstunde. Aber die Energiekrise macht auch vor Wind- und Sonnenenergie nicht halt (Grafik):

Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise hat auch die Preise der Langzeitverträge für Strom aus Solar- und Windenergie in die Höhe getrieben.

So viele Cent je Kilowattstunde Strom zahlen Unternehmen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt einen mehrjährigen Stromliefervertrag mit garantierter Abnahme für diesen Energieträger abgeschlossen haben Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Grundsätzlich ist der Brückenstrompreis so gewählt, dass PPA für die energieintensiven Betriebe weiterhin interessant bleiben. Ab 2030 sollen diese Verträge mit auslaufender Subvention des Industriestrompreises durch den Staat noch wichtiger werden.

Dennoch: Das Wirtschaftsministerium greift nun in einen Markt ein, in dem es zwar zuletzt hohe Preise gab, aber auch wichtige Anreize zur Veränderung. Stärker in erneuerbare Energien zu investieren und in Zeiten geringer Einspeisung durch Sonne und Wind Strom zu sparen, waren und sind lohnende Ziele für die Wirtschaft.

Die Knappheit auf dem Energiemarkt, die durch die Preise widergespiegelt wird, kann durch Eingriffe von außen verzerrt werden. Durch die Orientierung am Börsenstrompreis hebelt das Ministerium die Gesetze des Marktes zumindest nicht gänzlich aus. Fazit:

Beim Brückenstrompreis handelt es sich um keinen perfekten, aber doch einen pragmatischen Ansatz, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Trotzdem ist es generell besser, die Verbraucher durch die Senkung staatlich induzierter Kostenbestandteile wie der Stromsteuer zu entlasten, statt die Preise zu deckeln. Wichtig ist auch, dass die Maßnahme vom Ende her gedacht wurde, also bereits heute klar ist, wie lange die Subvention gewährt wird und wie es dann mit den Strompreisen weitergehen soll. Was allerdings weiterhin fehlt, ist eine klare Antwort auf die Frage, wie die Ausbauziele und die langfristige Versorgung mit grünem Strom in Deutschland erreicht werden sollen.

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