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In der Familienpolitik haben andere Länder die Nase vorn

Wie steht es um die Förderung von Familien in Deutschland und wie schneidet die hiesige Politik im europäischen Vergleich ab? Dies hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer neuen Studie untersucht – das Ergebnis ist durchwachsen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im europäischen Vergleich kriegt so manch anderes EU-Land die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich besser hin als Deutschland.
  • In der Bundesrepublik gibt es sogar den dritthöchsten Anteil an erwerbstätigen Müttern, die weniger als 30 Stunden in der Woche arbeiten.
  • Das liegt vor allem an der Betreuungslage im Land. Gegenüber den Spitzenreitern Dänemark und den Niederlanden hat Deutschland einen immensen Nachholbedarf, da hierzulande nur 31 Prozent der unter Dreijährigen im Jahr 2019 betreut wurden.
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Beruf und Familie sind hierzulande nach wie vor nicht immer gut vereinbar – meistens muss ein Elternteil beruflich kürzertreten, um den Spagat zwischen Job und Kinderbetreuung zu meistern. Das betrifft – nicht nur in Deutschland – überwiegend die Frauen. Im europäischen Vergleich kriegt so manch anderes Land die Vereinbarkeit von Familie und Beruf allerdings deutlich besser hin (Grafik):

Im Jahr 2019 gab es in Slowenien mit knapp 87 Prozent den EU-weit höchsten Anteil an erwerbstätigen Müttern mit Kindern unter 15 Jahren.

So viel Prozent der Minderjährigen lebten im Jahr 2019 in Haushalten in der EU mit weniger als 60 Prozent des mittleren Äquivalenzeinkommens Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Deutschland landet mit gut 75 Prozent nur auf Rang 13. Hinzu kommt, dass die Bundesrepublik den dritthöchsten Anteil an erwerbstätigen Müttern hat, die weniger als 30 Stunden in der Woche arbeiten. Nur in den Niederlanden und in Österreich sind noch mehr Mütter in diesem geringen Stundenumfang erwerbstätig.

Ganz anders sieht das bei den fünf Spitzenreitern aus:

In Slowenien, Schweden, Portugal, Dänemark und Litauen arbeitet der Großteil der erwerbstätigen Mütter 30 Wochenstunden und mehr.

Je nach Alter des jüngsten Kindes ändert sich das Bild: So ist der Anteil der arbeitenden Mütter mit Kindern im Alter unter drei Jahren in Ungarn, der Slowakei und Tschechien am niedrigsten – zugleich zählen diese Länder zur Spitzengruppe bei erwerbstätigen Müttern mit Kindern im Alter zwischen sechs und 14 Jahren. Deutschland bekleckert sich in keiner dieser Altersgruppen mit Ruhm – bei den arbeitenden Müttern mit Kindern im Alter unter drei Jahren landet die Bundesrepublik sogar nur auf Rang 19.

Immerhin hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verbessert:

Die Erwerbstätigkeit der Mütter mit unter dreijährigen Kindern ist von 2009 bis 2019 um 8,7 Prozentpunkte gestiegen – das war EU-weit der dritthöchste Anstieg.

In der Bundesrepublik gibt es den dritthöchsten Anteil an erwerbstätigen Müttern, die weniger als 30 Stunden in der Woche arbeiten.

Es gibt aber noch weitere Faktoren, die zeigen, wie Deutschland in Sachen Familienpolitik abschneidet. Zum Beispiel beeinflusst sie, wie stark Kinder von Armut bedroht sind. Im europäischen Vergleich landet die Bundesrepublik hier auf Rang sechs (Grafik):

Im Jahr 2019 waren in Deutschland gut 12 Prozent der Minderjährigen armutsgefährdet – halb so viele wie beispielsweise in Italien.

So viel Prozent der Minderjährigen lebten im Jahr 2019 in Haushalten in der EU mit weniger als 60 Prozent des mittleren Äquivalenzeinkommens Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Am geringsten ist das Armutsrisiko für Kinder in Dänemark und Finnland – am häufigsten sind Minderjährige dagegen in Bulgarien und Rumänien von Armut bedroht.

Beim Nachwuchs landet Deutschland hinten

Auch anhand der Geburtenrate lässt sich beurteilen, wie es um die Familienpolitik im Land steht. Schließlich entscheiden sich Paare für oder gegen Kinder je nachdem, wie sie die Situation für Familien einschätzen.

Insgesamt ist die Zahl der Geburten je 1.000 Einwohner von 2009 bis 2019 in fast allen EU-Ländern gesunken. Nur in Österreich und Deutschland machte die Geburtenrate einen kleinen Sprung nach oben. Trotzdem werden in anderen EU-Ländern deutlich mehr Kinder geboren. So erreichte die Bundesrepublik bei der Anzahl der Kinder je Frau im europäischen Vergleich zuletzt nur Rang 16:

Mit 1,54 Kindern je Frau fiel die Geburtenquote im Jahr 2019 hierzulande um ein Sechstel niedriger aus als in Frankreich – dort erblickten 1,86 Kinder je Frau das Licht der Welt.

Auch hier gibt es also noch einiges zu tun, damit die Gründung einer Familie für Paare attraktiver wird. Das betrifft vor allem die Betreuungslage im Land. Gegenüber den Spitzenreitern Dänemark und den Niederlanden, wo gut 66 beziehungsweise rund 65 Prozent der unter Dreijährigen in Einrichtungen betreut werden, hat Deutschland einen immensen Nachholbedarf:

Im Jahr 2019 haben nur 31 Prozent der unter Dreijährigen eine öffentlich geförderte Betreuungseinrichtung besucht oder wurden von Tageseltern betreut.

Damit landet die Bundesrepublik im EU-Vergleich auf Rang 15 und sogar deutlich unter dem EU-Durchschnittswert von gut 35 Prozent (siehe "Kitaplätze: Anspruch und Wirklichkeit").

Der Ausbau der Betreuungsangebote für unter Dreijährige ist von 2009 bis 2019 zwar vorangekommen, aber in vielen anderen Ländern noch dynamischer verlaufen – trotz des seit 2013 geltenden Rechtsanspruchs für einen Betreuungsplatz. So ist das Plus von 12,4 Prozentpunkten bei der Betreuungsquote gegenüber dem Jahr 2009 zwar beachtlich – allerdings nur der dreizehnthöchste Wert in der EU. In Malta und Luxemburg war der Anstieg mit gut 30 respektive 26 Prozentpunkten mehr als doppelt so stark.

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