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Beruf und Betreuung als doppelte Herausforderung

Immer mehr Menschen in Deutschland versorgen pflegebedürftige Angehörige. Ein großer Teil der Pflegenden ist im erwerbsfähigen Alter und geht mindestens einer Teilzeit-, oft sogar einer Vollzeitbeschäftigung nach.

Kernaussagen in Kürze:
  • Rund die Hälfte aller Menschen in Deutschland, die privat Angehörige oder Freunde pflegen, gehört zur Altersgruppe der 30- bis 59-Jährigen und die Mehrzahl von ihnen sind Frauen.
  • Insgesamt trägt der überwiegende Til der Pflegenden im erwerbsfähigen Alter eine Doppelbelastung aus Pflege und Beruf.
  • Deshalb gilt es, die Rahmenbedingungen für pflegende Berufstätige bestmöglich zu gestalten. Viele Unternehmen haben sich dieses Themas bereits angenommen.
Zur detaillierten Fassung

Die Bundesbürger werden im Schnitt immer älter. Und obwohl viele Senioren lange fit bleiben, gehört zur Realität auch, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigt:

Im Jahr 1999 waren in Deutschland gut zwei Millionen Menschen pflegebedürftig – 2019 betrug ihre Zahl schon 4,2 Millionen.

Der überwiegende Teil dieser Gruppe wird im häuslichen Umfeld versorgt und meist kümmern sich mehrere Angehörige um einen Pflegebedürftigen: Im Jahr 2017 – dies ist der aktuellste Stand der Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel – teilten sich knapp fünf Millionen Menschen die häusliche Pflege von 2,7 Millionen Pflegebedürftigen. Neben der gesundheitlichen Versorgung im engeren Sinne geht es dabei auch um Betreuungsleistungen wie Essen kochen, einkaufen oder andere Besorgungen erledigen.

Pflege ist oft Frauensache

Oft sind all diese Pflegetätigkeiten Frauensache – im Jahr 2017 waren rund 60 Prozent aller Pflegenden weiblich. Differenziert man nach Altersgruppen, zählte rund die Hälfte aller Pflegenden zu den 30- bis 59-Jährigen, wobei hier der Anteil der Frauen mit rund 63 Prozent sogar noch etwas höher war als im Durchschnitt. Jeweils rund ein Fünftel der privat Pflegenden war 60 bis 69 Jahre beziehungsweise über 70 Jahre alt, nur knapp ein Zehntel war jünger als 30 Jahre.

Die Pflegenden in Deutschland gehören also hauptsächlich zu jenen Altersklassen, die zugleich die meisten Erwerbstätigen stellen. Und auch hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern (Grafik):

Im Jahr 2017 arbeiteten 76 Prozent der männlichen, aber lediglich 35 Prozent der weiblichen Pflegenden im Alter von 30 bis 59 Jahren in Vollzeit. Zugleich waren 39 Prozent der pflegenden Frauen dieser Altersgruppe in Teilzeit beschäftigt – aber gerade einmal 4 Prozent der Männer.

So viel Prozent der Frauen bzw. Männer im Alter von 30 bis 59 Jahren in Deutschland, die im Jahr 2017 im privaten Umfeld pflegten, hatten diesen Erwerbsstatus Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das bedeutet unterm Strich:

Der überwiegende Teil der Pflegenden im erwerbsfähigen Alter trägt eine Doppelbelastung aus Pflege und Beruf.

Diese Angaben sagen allerdings noch nichts darüber aus, wie groß die zeitliche Belastung derjenigen ist, die ihre Angehörigen und Freunde versorgen und betreuen. Im Durchschnitt kümmerten sich die Pflegenden in Deutschland 2017 montags bis freitags 2,6 Stunden pro Tag um eine pflegebedürftige Person, am Wochenende waren es im Schnitt 2,5 Stunden täglich. Jeweils rund 10 Prozent der pflegenden Männer und Frauen wendeten unter der Woche sogar mindestens fünf Stunden pro Tag für Pflegetätigkeiten auf. Dabei pflegen Frauen im Schnitt etwas länger als Männer – vor allem am Wochenende.

Tendenziell leisten Ältere mehr Pflegestunden als Jüngere:

An Werktagen wendeten die unter 30-Jährigen im Jahr 2017 durchschnittlich 2,4 Stunden und die 30- bis 59-Jährigen 2,3 Stunden täglich für die Pflege auf – bei den über 70-Jährigen waren es dagegen 3,4 Stunden.

Dies ist insofern plausibel, als es sich bei den über 70-Jährigen vor allem um Menschen handeln dürfte, die ihre Ehepartner allein pflegen; in den jüngeren Altersgruppen teilen sich vermutlich oft mehrere Kinder die Pflege-Verantwortung für den Vater oder die Mutter. Außerdem dürfte vor allem in der Gruppe der 30- bis 59-Jährigen eine Rolle spielen, dass der Großteil der Pflegepersonen mindestens einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht.

Dies schlägt sich auch in der nach Erwerbsstatus differenzierten Zahl der täglichen Pflegestunden nieder (Grafik):

Während die voll- und teilzeitbeschäftigten 30- bis 59-Jährigen an einem Werktag im Schnitt weniger als zwei Stunden für Pflegetätigkeiten aufwenden, sind es bei den nicht Erwerbstätigen mehr als vier Stunden.

Tägliche Pflegestunden von 30 bis 59-Jährigen an Werktagen und Wochenenden nach Erwerbsstatus Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Am Wochenende pflegen die Berufstätigen meist etwas länger – vermutlich holen sie dann Erledigungen für ihre Angehörigen nach, die sich unter der Woche nicht mit dem Job vereinbaren lassen.

Rahmenbedingungen sind entscheidend

Gerade diese Vereinbarkeit der privaten Pflege mit dem Beruf bleibt eine gesellschaftliche Herausforderung – zumal die Politik das Ziel formuliert hat, dass Pflegebedürftige in Deutschland möglichst lange im vertrauten Umfeld bleiben können. Dies entspricht auch deren Wünschen: Laut der Barmer Versichertenbefragung 2018 geben 56 Prozent derjenigen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, als Motivation an, dass die betreffende Person nicht von jemand anderem gepflegt werden möchte.

Umso mehr kommt es darauf an, die Rahmenbedingungen für pflegende Berufstätige bestmöglich zu gestalten. Viele Unternehmen haben sich dieses Themas bereits angenommen und unterstützen ihre Mitarbeiter – sei es durch flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zum Homeoffice oder durch Kooperationen mit externen Dienstleistern, die die Beschäftigten bei einem Pflegefall beraten. Firmen, die sich in dieser Form für ihre Belegschaft einsetzen, dürften im Wettbewerb um knappe Fachkräfte auf längere Sicht im Vorteil sein.

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