Die Gründe für den Nebenjob
In Deutschland gehen Arbeitnehmer häufiger als früher einer Nebentätigkeit nach. Aus welchen Gründen sich die Bundesbürger eine zweite Stelle suchen und wie der typische Nebenjobber aussieht, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer neuen Studie untersucht.
- Rund 4,2 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben mindestens zwei Jobs. Warum sich viele Bundesbürger eine Zweitbeschäftigung suchen, hat das IW in einer neuen Studie untersucht.
- In erster Linie sollen mit dem Zweitjob Einkommensrisiken aus dem Haupterwerb ausgeglichen werden, da Mehrfachbeschäftigte darin oft in Teilzeit arbeiten.
- Würden durch politische Vorgaben Nebenerwerbe unattraktiver, könnten die sozialen Risiken für jene Betroffenen zunehmen, deren Verdienstmöglichkeiten im Haupterwerb begrenzt sind.
Rund 4,2 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben mindestens zwei Jobs. Damit arbeiten im Vergleich zu 2013 gut 650.000 mehr Bundesbürger in mehreren Beschäftigungsverhältnissen gleichzeitig.
Menschen mit Zweitjob sind entweder mehrfach abhängig beschäftigt oder abhängig beschäftigt mit einem zeitgleich selbstständigen Erwerb, das sind sogenannte Hybridbeschäftigte. In die zweite Kategorie fielen 2019 rund 691.500 Bundesbürger, 13 Prozent mehr als im Jahr 2013. Die Zahl der Mehrfachbeschäftigten in Deutschland stieg in diesem Zeitraum sogar noch stärker – um gut ein Viertel auf rund 3,5 Millionen.
Viele Bundesbürger suchen sich einen Zweitjob, um Einkommensrisiken aus dem Haupterwerb ausgleichen zu können.
Doch was macht den Zweitjob für so viele Bundesbürger attraktiv? Diese Frage hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer neuen Studie untersucht. Mithilfe der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) konnten darin für die Bundesbürger in Einfach-, Mehrfach- und Hybridbeschäftigungen typische persönliche Charakteristika bestimmt werden (Grafik):
Der überwiegende Teil der Mehrfach- und Hybridbeschäftigten sind Frauen, älter als 40 Jahre und ohne Migrationshintergrund.
Nahezu jeder zweite der Einfach- und Mehrfachbeschäftigten ist sogar älter als 50, hybrid Arbeitende sind im Schnitt knapp fünf Jahre jünger. Der Grund für die Altersunterschiede könnte darin liegen, dass ein Teil der abhängig Beschäftigten im jungen und mittleren Erwerbsalter die Aufnahme einer Nebentätigkeit als Sprung in die Selbstständigkeit wahrnimmt.
Während knapp jeder fünfte Einfach- und jeder sechste Hybridbeschäftigte einen direkten oder indirekten Migrationshintergrund hat, besitzt ein Viertel aller Mehrfachbeschäftigten ausländische Wurzeln. In dieser Gruppe findet sich gleichzeitig der größte Anteil an Personen, die eine Lehre oder vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben. Unter den Hybridbeschäftigten sind besonders viele Hochschulabsolventen – knapp 41 Prozent haben eine Fachhochschule oder Universität besucht.
Im Haupterwerb oft in Teilzeit
Arbeitszeiten. Betrachtet man die Arbeitszeiten der verschiedenen Gruppen, zeigt sich: Je nach Beschäftigungsform arbeiten die Bundesbürger unterschiedlich lange in ihrem Hauptjob – und auch die Zufriedenheit mit ihrem Stundenpensum variiert (Grafik):
Einfach- und Hybridbeschäftigte arbeiten im Haupterwerb länger als Mehrfachbeschäftigte, wünschen sich aber deutlich öfter weniger Wochenstunden.
Während einfach angestellte Bundesbürger am häufigsten 35 und mehr Wochenstunden arbeiten und damit zum großen Teil als Vollzeitbeschäftigte gelten, jobben Mehrfachbeschäftigte in ihrem Haupterwerb fast doppelt so oft in Teilzeit. Der zeitliche Umfang ihrer weiteren Jobs hält sich aber in Grenzen, nur rund ein Fünftel von ihnen wendet dafür mehr als zehn Stunden pro Woche auf.
Arbeitszeitwünsche. Über alle Beschäftigungsgruppen hinweg zeigt sich, dass der größte Anteil der Bundesbürger in ihrem Haupterwerb gerne weniger arbeiten würde. Während dies unter den Einfach- und Hybridbeschäftigten bei jeweils knapp zwei Dritteln der Fall ist, möchten nur annähernd 46 Prozent der Mehrfachbeschäftigten ihre Wochenstunden im Haupterwerbsjob reduzieren.
Fast ein Drittel von ihnen würde das Arbeitspensum sogar gerne aufstocken – berücksichtigt man allerdings zusätzlich die Arbeitsstunden aus der Nebentätigkeit, sinkt der Anteil auf 12 Prozent. Die Nebentätigkeit erfüllt also für viele der Mehrfachbeschäftigten ihren Wunsch nach mehr Arbeit.
Ausgleich finanzieller Risiken
Haushaltsstatus. Einen Hinweis darauf, warum Mehrfachbeschäftigte im Vergleich deutlich öfter mehr arbeiten möchten, als sie es tatsächlich tun, gibt die Haushaltssituation:
Während jeweils gut jeder Vierte der Hybrid- und Einfachbeschäftigten alleinstehend oder alleinerziehend ist, lebt von den Mehrfachbeschäftigten schon mehr als ein Drittel allein.
Ein geringeres Einkommen kann somit seltener durch Lebenspartner, die ihre Einkünfte mit in den gemeinsamen Haushalt bringen, aufgestockt werden. Da Bundesbürger mit mehreren Anstellungen darüber hinaus häufiger in Teilzeit arbeiten und öfter geringer qualifiziert sind als Hybridbeschäftigte, liegt die Vermutung nahe, dass der Zweit- oder Drittjob vor allem aus finanziellen Gründen nötig ist. Möglicherweise sollen so die Einkommensrisiken, die mit der Teilzeit im Haupterwerb verbundenen sind, zumindest teilweise ausgeglichen werden.
Einkommen. Die Ergebnisse aus dem SOEP zeigen aber auch, dass die Nebenbeschäftigungen diesen Zweck meist erfüllen: So sind Mehrfachbeschäftigte im Schnitt nicht häufiger einkommensarm als Einfachbeschäftigte und ähnlich zufrieden mit ihrem Haushaltseinkommen.
Würden aber durch politische Vorgaben beispielsweise Minijobs im Nebenerwerb unattraktiver, könnten die sozialen Risiken für jene Betroffenen zunehmen, deren Verdienstmöglichkeiten im Haupterwerb begrenzt sind.