Zoll um Zoll: Handelsstreit eskaliert
Seit US-Präsident Donald Trump die ersten Strafzölle auf Stahl und Aluminium verhängt hat, eskaliert der Handelsstreit. Immer mehr Staaten erheben Vergeltungszölle und setzen damit auch amerikanische Unternehmen weiter unter Druck.
- Ausgerechnet die USA als Gründungsmitglied haben mit ihrer Zollpolitik begonnen, die Errungenschaften der Welthandelsorganisation (WTO) auszuhebeln – die Gründe für die Anhebung der Stahlzölle erscheinen jedoch nicht triftig.
- Nun droht ein weiterer Anstieg der weltweiten Überproduktion von Stahl und eine Eskalation des Handelsstreits: Ob China oder EU – überall wird schon jetzt an den Zollschrauben gedreht.
- In der Folge drohen Produktionsverlagerungen, Arbeitsplatzverluste und höhere Preise für die Verbraucher.
Tee, Bananen, Käse, Getreide, Uhren oder Autos: Wenn es um Zölle geht, kann es jede Ware treffen. Und weil kein Land damit einverstanden ist, wenn ausgerechnet die eigenen Exportschlager mit „Handelsschutzinstrumenten“ – so heißen Strafzölle beschönigend – belegt werden, keilt man halt zurück. Und schon ist der Handelskrieg entfacht.
Zölle sind kein neues Instrument der Handelspolitik, es gab sie schon in Altertum und Mittelalter. Und manche halten sich erstaunlich lange: Bis heute sorgt der in den 1960er Jahren geführte „Chicken War“ dafür, dass für Pick-ups, die nach Amerika eingeführt werden, ein 25-prozentiger Zoll fällig wird. Diesen Vergeltungszoll verhängte der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson, weil Westdeutschland und Frankreich sich zuvor dafür eingesetzt hatten, dass billiges US-Hähnchenfleisch, das massenweise in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft importiert wurde, mit einer saftigen Ausgleichsabgabe belegt wurde.
Mit der Gründung der Welthandelsorganisation WTO verpflichteten sich die Vertragspartner 1995 auf kollektive Zollsenkungen sowie eine Nichtdiskriminierung von ausländischen Produkten.
Doch während Geflügel mittlerweile wieder den Atlantik passieren darf, solange die strengen lebensmittelrechtlichen EU-Vorschriften eingehalten werden und der ausländische Betrieb für den Export in die EU zugelassen ist – momentan erfüllen 30 US-Unternehmen diese Kriterien –, ist der US-Zoll für Nutzfahrzeuge nach wie vor in Kraft.
Ganz so einfach ist es mit der willkürlichen Verhängung von Strafzöllen auf ungeliebte Importprodukte heute nicht mehr. Mit der Gründung der Welthandelsorganisation WTO verpflichteten sich die Vertragspartner 1995 unter anderem auf kollektive Zollsenkungen sowie eine Nichtdiskriminierung von ausländischen gegenüber inländischen Produkten. Der WTO gehören mittlerweile 164 Länder an – die USA waren übrigens Gründungsmitglied und haben die Regeln der Organisation maßgeblich mitgestaltet.
Wie Trumps Handelspolitik die WTO-Regeln aushebelt
Doch seit Donald Trump US-Präsident ist, hat der Zank um den Zoll wieder mächtig Fahrt aufgenommen (vgl. „Dossier: Freihandel versus Protektionismus“). Um „America great again“ zu machen, setzen die USA verstärkt auf Abgaben – so werden seit dem 23. März dieses Jahres 25 Prozent Zoll auf Stahl und 10 Prozent Zoll auf Aluminium fällig, beide Zölle gelten seit dem 1. Juni auch für die Europäische Union. Erlaubt sind solche Handelshemmnisse eigentlich nicht, doch die WTO-Vorläuferorganisation GATT hat ein paar Ausnahmeregelungen zugelassen: Die Mitgliedsstaaten können Zölle und andere Handelsbeschränkungen einführen, wenn sie bei aus dem Ausland eingeführten Gütern Dumpingpreise feststellen, wenn eine Branche durch ein unvorhergesehenes Ereignis substanziell durch Importe gefährdet ist oder wenn durch Importe die nationale Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist.
Trump beruft sich bei seinen jüngsten Zollmaßnahmen auf die Gefährdung der nationalen Sicherheit – diese sieht er durch die hohe Abhängigkeit von Stahl- und Aluminiumimporten bedroht. Und tatsächlich sind die USA Nettoimporteur von Stahl (Grafik):
Im Jahr 2017 verbrauchten die USA fast 100 Millionen Tonnen Stahl, selbst stellten sie nur knapp 82 Millionen Tonnen her.
Trotz der Nettoimporte verfügen die Vereinigten Staaten über eine gut ausgebaute eigene Stahlproduktion, die im Fall der Fälle zur Wahrung der nationalen Sicherheit mehr als ausreichen dürfte. Hinzu kommt, dass die USA das Argument der nationalen Sicherheit zuletzt während des Kalten Kriegs angewendet haben. Heute sind die politischen Verhältnisse anders und es ist fraglich, ob die WTO die Abhängigkeit Amerikas von Stahl- und Aluminiumimporten unter Sicherheitsaspekten aktuell genauso einschätzt wie zu Ostblockzeiten.
Doch solange die WTO nicht eingreift, verändert sich der Markt: Aufgrund der Zölle steigen die Stahl- und Aluminiumpreise in den USA, einige stahlverarbeitende amerikanische Unternehmen haben bereits Ausnahmegenehmigungen für ihre Stahlimporte erwirkt oder beantragt. Die übrigen Firmen müssen versuchen, die Mehrkosten aufgrund der Importzölle auf ihre Kunden abzuwälzen. Gelingt dies nicht, drohen Gewinneinbußen und Auftragsverluste.
Auf dem Stahlmarkt selbst wird es zu Umlenkungseffekten kommen. Hersteller, die ihre Produkte bisher in die USA verkauften, werden versuchen, auf andere Märkte auszuweichen. Das wird die schwierige Situation auf dem globalen Stahlmarkt weiter verschärfen:
Bereits 2017 belief sich die Überproduktion von Stahl weltweit auf mehr als 100 Millionen Tonnen.
Wenn die amerikanischen Stahlunternehmen aufgrund der Importzölle nun außerdem die Produktion steigern sollten, wird dies das globale Überangebot zusätzlich vergrößern – was wiederum zu sinkenden Stahlpreisen auf den Weltmärkten führt und die gesamte Stahlindustrie gefährdet.
Die unschönen Folgen der Zoll-Eskalation
Doch nicht nur der Stahlmarkt kommt unter Druck. Viele Länder reagieren auf die von den USA verhängten Einfuhrzölle mit Vergeltungsmaßnahmen. Als Gegenreaktion auf den neuen Protektionismus der USA verhängte China – der größte Nettostahlexporteur (Grafik) – im April Vergeltungszölle auf 128 US-Produkte.
Seitdem sind die Ausfuhren von amerikanischem Schweinefleisch, Wein und Obst – aktuell ist Kirschernte – Richtung Asien rapide gesunken. Viele Bauern in den USA fürchten um ihr Geschäft, schließlich ist China mit annähernd 20 Milliarden Dollar Umsatz der zweitgrößte Absatzmarkt für landwirtschaftliche Produkte.
Der US-Motorradhersteller Harley-Davidson hat bereits angekündigt, weitere Teile seiner Produktion ins Ausland zu verlagern.
Auch die EU hat schon reagiert – mit einer WTO-Klage, der Prüfung sogenannter Safeguard Measures zum Schutz der heimischen Stahlindustrie und mit 25-prozentigen Vergeltungszöllen auf US-Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Seit dem 22. Juni unterliegen Eisen- und Stahlprodukte, aber auch typisch amerikanische Artikel wie Bourbon, Erdnussbutter und Levi's-Jeans an den EU-Außengrenzen dem Strafzoll.
Der US-Motorradhersteller Harley-Davidson, für dessen Erzeugnisse der Zollsatz in Europa von 6 auf 31 Prozent stieg, kündigte bereits Ende Juni an, weitere Teile seiner Produktion ins Ausland zu verlagern. Damit will Harley-Davidson die europäischen Zölle umgehen, die laut Unternehmensangaben jedes einzelne in Europa verkaufte Motorrad um 2.200 Dollar teurer machen würden.
Und was tut Präsident Donald Trump? Er bleibt auf Eskalationskurs und droht mit 20-prozentigen Strafzöllen auf europäische Autos. Die ersten deutschen Autohersteller haben ihre Gewinnprognosen für das laufende Jahr bereits nach unten korrigiert. Die größten Verlierer werden allerdings die Verbraucher sein – geht der Handelsstreit weiter, drohen ihnen höhere Preise und schlimmstenfalls der Verlust des Arbeitsplatzes.