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Wirtschaftsbau: Gute Chancen auf Wachstum

Die Investitionen in gewerbliche Bauten und in die öffentliche Infrastruktur in der EU haben sich nach der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 nur langsam wieder erholt. Die Aussichten sind jedoch günstig. Zum einen steigert die wachsende Zahl der Bürobeschäftigten den Bedarf an Büroraum. Zum anderen gibt es in Sachen Infrastruktur eine EU-weite Investitionslücke, die dringend geschlossen werden muss.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die für eine funktionierende Wirtschaft und eine hohe Lebensqualität wichtigen Investitionen in gewerbliche Bauten und in die Infrastruktur lagen im Jahr 2017 EU-weit real um gut 12 Prozent unter dem Niveau von 2007.
  • Vieles spricht aber für stärkere Investitionszuwächse in den kommenden Jahren. Zum einen ist der Bedarf an zusätzlichem Büroraum groß.
  • Zum anderen gibt es in der EU in Sachen Infrastruktur eine Investitionslücke, die dringend geschlossen werden muss.
Zur detaillierten Fassung

In den öffentlichen Debatten spielt die Bauwirtschaft vornehmlich dann eine Rolle, wenn es um das Thema Wohnungsmangel geht. Der Nicht-Wohnungsbau wird leicht übersehen, dabei würde ohne Bürogebäude, Ladenlokale, Logistikzentren, Schulen, Autobahnen und Eisenbahntrassen die Wirtschaft nicht funktionieren, beziehungsweise wäre die Lebensqualität erheblich geringer.

Die realen EU-weiten Investitionen in Nichtwohnbauten waren 2017 gut 12 Prozent geringer als zehn Jahre zuvor.

Angesichts dessen ist es bedenklich, dass in der EU die Investitionen in gewerbliche Bauten sowie in die Infrastruktur infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 stark eingebrochen sind und bis heute nicht wieder das vorherige Volumen erreicht haben (Grafik):

Im Jahr 2017 betrugen die EU-weiten Investitionen in Nichtwohnbauten 776 Milliarden Euro. In konstanten Preisen gerechnet, waren das gut 12 Prozent weniger als 2007 und 2008.

Entwicklung der realen Investitionen in Wohnimmobilien und Nichtwohnbauten in der EU seit 2000 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

In Slowenien war die Lücke zum Vorkrisenniveau zuletzt besonders groß – dort erreichten die realen Investitionen in den Nicht-Wohnungsbau 2017 lediglich 52 Prozent des Volumens von 2007. Auch Italien, Estland, Zypern und Spanien blieben im vergangenen Jahr weit unter dem 2007er Investitionsniveau. In Deutschland reichte es im Zeitraum von 2007 bis 2017 immerhin für ein reales Investitionsplus von gut 3 Prozent.

Insgesamt investierten nur zehn EU-Länder 2017 in preisbereinigter Rechnung mehr in gewerbliche und öffentliche Bauten als zehn Jahre zuvor, 18 Staaten verzeichneten einen realen Investitionsrückgang.

Auffällig ist zudem, dass im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise der zuvor recht enge Zusammenhang zwischen den Bauinvestitionen und der Wirtschaftsleistung wesentlich schwächer geworden ist. So gibt es einige Länder, in denen das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist, während die Bauwirtschaft bestenfalls stagnierte. Dies war zum Beispiel in Bulgarien, Frankreich und Tschechien der Fall.

Im Allgemeinen stärkt ein wirtschaftlicher Aufschwung jedoch auch den Bausektor. Daher spricht die zuletzt überwiegend positive Konjunkturentwicklung in der EU dafür, dass die Bauinvestitionen insgesamt und damit auch die Investitionen in Nichtwohnbauten in den kommenden Jahren wieder spürbar zulegen werden.

Für diese Einschätzung sprechen außerdem zwei Fakten:

1. Bedarf an Büroraum wächst. Wie viel Bürogebäude neu entstehen, hängt vor allem davon ab, wie sich die Zahl der Beschäftigten in Büroberufen entwickelt. Und hier ist in Europa seit der Jahrtausendwende ein eindeutiger Trend zu beobachten:

Die Beschäftigung in jenen Wirtschaftsbereichen, in denen Bürotätigkeiten dominieren, ist in der EU von 2000 bis 2015 um 21 Prozent auf 72 Millionen gestiegen.

Der Anteil der Büroangestellten an allen Beschäftigten in der EU erhöhte sich um 3,7 Prozentpunkte auf 31 Prozent.

Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf den wirtschaftlichen Strukturwandel, der den Dienstleistungssektor und dort vor allem unternehmensbezogene Dienste wie IT-Services oder die Unternehmensberatung wachsen lässt. In diesen Bereichen spielen Wissen und Innovationen eine besondere Rolle – und Büros sind der typische Ort, an denen qualifizierte Beschäftigte zusammenkommen und Ideen austauschen, aus denen Innovationen hervorgehen. All dies spricht für einen zusätzlichen Bedarf an Büroraum, vor allem in den großen Geschäftszentren – in Deutschland zum Beispiel in Berlin, München und Frankfurt am Main.

2. EU muss Infrastruktur ausbauen. Gemessen an der Wirtschaftsleistung sind die Investitionen in die Infrastruktur in den vergangenen Jahren stetig gesunken – von 2,2 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009 auf 1,8 Prozent 2015. Die bislang vorliegenden Daten für 2016 lassen keine Trendwende erkennen.

Damit fließt deutlich weniger Geld in Straßen, Schienen, Gewerbeimmobilien und Ähnliches, als es für eine funktionierende Wirtschaft und die Sicherung des Wohlstands erforderlich wäre – wie verschiedene Studien zeigen. Der Europäischen Investitionsbank zufolge beklagt jede dritte Kommune in Europa, dass die Investitionen in den zurückliegenden fünf Jahren zu gering waren.

Der Druck auf die Politik, diese Lücke zu schließen, ist also groß, ein Investitionsschub ist überfällig. Realisiert werden kann er allerdings wohl nur, wenn private Investoren wie zum Beispiel Pensionsfonds vermehrt ins Boot geholt und nicht durch übermäßige Regulierungen ausgebremst werden – zum Beispiel, weil die Banken infolge der Basel-III-Vorschriften die Kreditvergabe an diese Investoren zu stark einschränken.

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