Wohnungspolitik gegen Zersiedelung
In der Wohnungspolitik dreht sich derzeit alles darum, die Bautätigkeit anzukurbeln, um steigende Mieten und Immobilienpreise in den Griff zu bekommen. Für viele ländliche Regionen, die schon jetzt unter dem demografischen Wandel leiden, sind Förderprogramme wie das Baukindergeld jedoch kontraproduktiv. Es gibt bereits bessere Ideen.
- Eine Wohnungspolitik, die darauf ausgerichtet ist, die Bautätigkeit anzukurbeln, ist für schrumpfende ländliche Regionen kontraproduktiv.
- Insbesondere das geplante Baukindergeld setzt auf dem Land die falschen Anreize, weil es die Kommunen in einen Wettlauf um die Ausweisung von Bauland treibt.
- Ein besserer Ansatz, um ländliche Regionen attraktiver zu machen und den Einwohnerschwund zu stoppen, ist beispielsweise das Förderprogramm „Jung kauft Alt“.
1,5 Millionen neue Wohnungen hat sich die Große Koalition auf die Fahnen geschrieben, um Wohnungsknappheit und explodierende Mieten sowie Immobilienpreise in den Griff zu bekommen. Richten sollen es die Ausweisung von mehr Bauland und das geplante Baukindergeld: Pro Kind will der Staat Familien über zehn Jahre jährlich 1.200 Euro zum Hausbau oder Wohnungskauf dazugeben.
Tatsächlich würde diese Wiederbelebung der Eigenheimzulage in Kombination mit einem gelockerten Freiflächenschutz wohl die Bautätigkeit ankurbeln – allerdings nicht da, wo es nötig wäre. Eine solche Förderpolitik mit der Gießkanne wird regionalen Unterschieden nicht gerecht – und dem regelrecht gespaltenen Wohnungsmarkt schon gar nicht. Denn während die Wohnungsnot in den Städten immer größer wird, steigt in vielen ländlichen Regionen der Leerstand.
Die Crux am Baukindergeld: Da absolute Beträge festgesetzt wurden, bringt es gerade dort etwas, wo Immobilien ohnehin vergleichsweise günstig sind, nämlich in den schrumpfenden ländlichen Regionen. Für die Bürgermeister ist das ein Anreiz, mehr Bauland ausweisen, um Familien anzulocken, die sich die Förderung nicht entgehen lassen wollen.
Das Baukindergeld bringt dort am meisten, wo Immobilien ohnehin günstig sind – es setzt also Fehlanreize.
Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird jedoch in vielen Landstrichen schon jetzt weit über den demografischen Bedarf hinaus gebaut, vor allem an den nordöstlichen und nordwestlichen Rändern der Republik sowie in Nordrhein-Westfalen. Das ist auch deshalb ein Problem, weil der Flächenverbrauch in Deutschland noch immer viel zu hoch ist (Grafik):
Im Jahr 2015 wuchs die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland jeden Tag um 66 Hektar – Ziel der Bundesregierung ist, den Schwund an Natur und landwirtschaftlicher Nutzfläche bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen.
Wenn die Siedlungsfläche zu stark zunimmt, geht dies aber nicht nur auf Kosten der Umwelt, sondern ist in Gegenden mit rückläufigen Einwohnerzahlen auch ein teurer Luxus für die Allgemeinheit. Verteilen sich doch die Kosten der Infrastruktur – Straßen, Strom- und Datenleitungen, Wasserversorgung und -entsorgung sowie die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr – auf immer weniger Köpfe.
Außerdem setzt sich ein Teufelskreis in Gang: Die Kommunen verkaufen ja nur deshalb so günstig Bauland, weil sie neue Einwohner gewinnen oder eingesessene Bürger vom Umzug abhalten wollen. Doch wenn die jungen Familien dann aus ihrem Elternhaus im Ortskern von Gemeinde A ins Neubaugebiet von Nachbargemeinde B ziehen, ist für die gesamte Region wenig gewonnen. Der Leerstand wächst weiter, die Dorf- und Kleinstadtzentren werden immer unattraktiver, und es treibt noch mehr Menschen in die Groß- und Universitätsstädte.
Ideen für schrumpfende Regionen
Doch wie sieht sie aus, die richtige Wohnungspolitik für schrumpfende Regionen? Drei vielversprechende Ansätze werden oder wurden in einigen Gemeinden erprobt:
„Jung kauft Alt“. Dieses kommunale Förderprogramm klingt fast wie das Baukindergeld: Es bezuschusst junge Familien beim Bau oder Kauf von Wohneigentum. Mit einem Unterschied – es muss ein Altbau auf einer bereits bestehenden Siedlungsfläche im Spiel sein. Ob er lediglich saniert oder abgerissen und an seiner Stelle ein Neubau errichtet wird, ist im Prinzip egal. Im Fokus steht das übergeordnete Ziel, die Ortskerne zu beleben, den Werteverfall der Immobilien zu bremsen, die Zersiedelung zu stoppen und keine weiteren Flächen zuzubauen. Vorreiter dieses Ansatzes war im Jahr 2007 das nordrhein-westfälische Hiddenhausen (Kasten unten).
Bürgerfonds. Die Stiftung trias unterstützt zusammen mit einigen Partnerinstituten derzeit in einem Modellversuch mit ihrem Sondervermögen „Bürgerfonds“ regionale Bürgergruppen in verschiedenen kleineren Städten beim Kauf von erhaltenswerten historischen Gebäuden. Die Bürgergruppen erhalten dafür ein Erbbaurecht, zahlen einen Erbbauzins an den Fonds und engagieren sich zudem dafür, den Wert ihrer Immobilie zu erhalten.
Flächenzertifikatehandel. Dieser Modellversuch wurde von 2012 bis 2017 vom Umweltbundesamt durchgeführt und vom IW geleitet. 87 Kommunen bekamen nach einem an der Einwohnerzahl orientierten Schlüssel kostenlos Zertifikate zugeteilt, die sie für die Ausweisung neuer Flächen im sogenannten Außenbereich einsetzen müssen. Jene Gemeinden, die mehr Bauland auf der grünen Wiese brauchen, als ihnen zugestanden wurde, mussten Zertifikate zukaufen, andere, die Baulandrechte übrig hatten, konnten sie verkaufen. So ließ sich zum einen eine Obergrenze für den jährlichen Flächenverbrauch steuern – und zum anderen wird auch nur dort neugebaut, wo ein echter Bedarf besteht und es aus kommunaler Sicht daher lohnender ist, Bauland als Zertifikate zu verkaufen.
„Jung kauft Alt“ – das Beispiel Hiddenhausen
Die Gemeinde Hiddenhausen gehört zum ostwestfälischen Kreis Herford und zählt knapp 20.000 Einwohner. Obwohl oder vielleicht auch weil die Kreisstadt Herford nah und die Großstädte Bielefeld und Osnabrück nicht weit entfernt sind, standen in Hiddenhausen Mitte der 2000er Jahre immer mehr Häuser und Wohnungen leer. Die Bevölkerung alterte zusehends.
Um diese Entwicklung aufzuhalten, erfand Hiddenhausen 2007 das Förderprogramm „Jung kauft Alt“: Es bezuschusst zunächst ein Altbau-Gutachten mit maximal 1.500 Euro und danach über sechs Jahre den Kauf des Gebäudes mit ebenfalls bis zu 1.500 Euro pro Jahr. Die Grundförderung liegt bei 600 Euro – je Kind kommen noch einmal 300 Euro dazu. Einzige Auflage: Der Altbau muss mindestens 25 Jahre auf dem Buckel haben. Er darf aber auch abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.
Nach zehn Jahren ergab sich eine beeindruckende Bilanz: Hiddenhausen verbuchte mehr als 400 geförderte Hausübernahmen, verzeichnet seit 2010 per saldo Zuzug statt wie zuvor Abwanderung, obwohl so gut wie kein Bauland mehr bereitgestellt wurde, und auch die Zahl der Kinder ist wieder gestiegen.
Inzwischen hat das Beispiel Hiddenhausen Schule gemacht: Das Programm „Jung kauft Alt“ wurde in weiteren Kommunen sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen eingeführt.