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Wirkt sich die Digitalisierung auf Personalwechsel aus?

Jobs, die ersatzlos wegfallen, und Technologien, die menschliche Arbeit überflüssig machen – manch einer sorgt sich mit Blick auf die Digitalisierung um seinen Arbeitsplatz. Eine neue Studie des IW zeigt allerdings: Digitaler Wandel und Personalwechsel haben weniger miteinander zu tun, als es so manche Schlagzeile vermuten lässt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Mit Blick auf den digitalen Wandel fürchten sich manche Menschen um ihren Job und dass sie diesen wechseln müssen.
  • Eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt allerdings, dass zwischen dem Grad der Digitalisierung und den Personalwechseln in einer Branche kein eindeutiger Zusammenhang besteht.
  • Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sowohl die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie als auch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs den digitalen Wandel weiter beschleunigen und damit künftig stärker die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen.
Zur detaillierten Fassung

Vereinfacht gesagt, gibt es in Deutschland jedes Jahr auf etwa jedem dritten Arbeitsplatz einen Personalwechsel. Die Fluktuationsrate, die sich aus dem Durchschnitt der neu geschlossenen und der beendeten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse in Relation zum durchschnittlichen Beschäftigtenbestand ergibt, liegt in der Regel über 30 Prozent. In der Corona-Krise wurde es auf dem deutschen Arbeitsmarkt allerdings merklich ruhiger (Grafik):

Im Jahr 2020 sank die Fluktuationsrate gegenüber dem Vorjahr um gut 3 Punkte auf 29,8 Prozent. Insgesamt wurden 2020 rund zehn Millionen Beschäftigungsverhältnisse begonnen oder beendet.

So viel Prozent der Beschäftigten haben im jeweiligen Jahr ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begonnen oder beendet Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Entwicklung kommt nicht überraschend. In unsicheren Zeiten sind Menschen meist weniger gewillt, den Job zu wechseln.

Es kommt auf die Branche an

Generell unterscheidet sich die Fluktuation zwischen den einzelnen Branchen teils gravierend:

Während in der Metall- und Elektro-Industrie im Jahr 2020 gerade einmal auf jedem sechsten Arbeitsplatz gewechselt wurde, war dies im Gastgewerbe sowie in Land- und Forstwirtschaft auf mehr als 50 Prozent der Stellen der Fall.

Die hohe Fluktuation in Agrarberufen und im Gastgewerbe liegt vor allem an deren Saisonalität. Dort arbeiten viele befristete Beschäftigte.

Grundsätzlich muss eine hohe Fluktuation nichts Schlechtes sein. Statt eine vermeintlich fehlende Mitarbeiterbindung anzuzeigen, können Personalwechsel genauso gut darauf hindeuten, dass das Know-how der Arbeitskräfte effizienter genutzt wird. Wenn die eigenen Fähigkeiten besser zu einem anderen Jobprofil passen, lohnt sich der Umstieg für den Einzelnen oft.

Ein weiterer Faktor, der bei der Fluktuation zunehmend eine Rolle spielen könnte, ist die Digitalisierung. Denkbar wäre, dass sich die beruflichen Anforderungen durch neue Technologien in einem Ausmaß verändern, das einen Wechsel der Beschäftigten zur Folge hat.

Kein Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Personalwechseln

Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt allerdings, dass zwischen dem Grad der Digitalisierung einer Branche und deren Fluktuation kein eindeutiger Zusammenhang besteht:

Während das Gastgewerbe und der Sektor Information und Kommunikation im ersten Halbjahr 2020 die höchste Fluktuation der betrachteten Branchen aufwiesen, war die Digitalisierung in beiden Branchen damals unterschiedlich weit.

Einem – im Schnitt aller Branchen auf 100 normierten – Digitalisierungsgrad von 64 im Gastgewerbe stand ein Index von 251 im Informations- und Kommunikationssektor gegenüber.

Gastronomie- und Hotelunternehmen haben in der Folge bei der Digitalisierung deutlich zugelegt, die Fluktuation ist dagegen stark zurückgegangen. Also doch ein klarer Zusammenhang? Nein, denn diese Werte sind mit Vorsicht zu genießen. Das Gastgewerbe zählt zu den am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Branchen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die voranschreitende Digitalisierung der Betriebe das Ausmaß von Einstellungen und Entlassungen verringert hat. Vielmehr haben die Gastronomieunternehmen in der Krise keine neuen Stellen geschaffen.

Die Digitalisierung in einer Branche wirkt sich bisher nicht auf die Häufigkeit von Personalwechseln aus.

Die Ergebnisse der Studie werden auch von einer Befragung der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus dem Jahr 2021 gestützt (Grafik):

Nur jeder achte Beschäftigte in Deutschland machte sich 2021 mittlere oder große Sorgen, dass der eigene Arbeitsplatz durch neue Technologien in Gefahr sein könnte.

So viel Prozent der Befragten schätzten die Gefahr, ihren Job infolge neuer Technologien zu verlieren, so ein Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Studienautoren untersuchten außerdem, ob neben dem digitalen auch der ökologische Wandel Einfluss auf die Fluktuation haben könnte, also ob es durch Umsetzung politischer Klimaziele und umweltbezogener Vorgaben zu mehr oder weniger Personalwechseln kommt. Auch hier gibt es keinen eindeutigen Zusammenhang. Branchen, in denen Nachhaltigkeit stark priorisiert wird, weisen keine besonderen Personalbewegungen auf. Digitaler sowie ökologischer Wandel und Personalwechsel sind also zwei Paar Schuhe.

Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sowohl die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie als auch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs den digitalen und ökologischen Wandel weiter beschleunigen und damit künftig stärker die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen.

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