Was der Wahlbeteiligung auf die Sprünge hilft
Bei den Europawahlen 2019 haben in Deutschland so viele Menschen ihre Stimme abgegeben wie seit 20 Jahren nicht mehr. Auch in Europa insgesamt war die Wahlbeteiligung außergewöhnlich hoch. Langfristig betrachtet sieht das Bild jedoch ganz anders aus.
- Auch wenn bei der Europawahl 2019 mehr Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben haben als fünf Jahre zuvor, zeigt der langfristige Trend der Wahlbeteiligung deutlich nach unten.
- Ein Grund dafür ist, dass die EU-Bürger zunehmend das Gefühl hatten, den politischen Prozess nicht beeinflussen zu können.
- Eine weitere Ursache ist das fehlende Wissen über die Europäische Union. Eine Informationsoffensive sollte daher ein wichtiges Ziel der EU sein.
Gut 61 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland haben an den Europawahlen 2019 teilgenommen, eine höhere EU-Wahlbeteiligung gab es zuletzt 1989. Auch in anderen Mitgliedsstaaten war die Bereitschaft, seine politischen Präferenzen zum Ausdruck zu bringen, außergewöhnlich hoch (Grafik):
Europaweit lag die Wahlbeteiligung 2019 bei 51 Prozent – höher war die Beteiligung zuletzt im Jahr 1994 mit fast 57 Prozent.
Schaut man sich jedoch die Wahlbeteiligung im langfristigen Trend an, relativieren sich die Werte schnell: Bei den ersten Europawahlen im Jahr 1979 gingen noch rund 62 Prozent aller Wahlberechtigten in den damals neun Mitgliedsstaaten an die Urnen, danach ging es – bis 2019 – ununterbrochen bergab.
Ein Grund für die niedrige und sinkende Wahlbeteiligung ist in den neuen mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten zu finden, wo zum Beispiel bei den Wahlen 2014 im Schnitt nur knapp 27 Prozent ihr Wahlrecht ausübten. Doch auch in den etablierten Mitgliedsstaaten ist die Beteiligung an den Europawahlen in den vergangenen Jahren fast kontinuierlich gesunken.
Die Europäer wissen oft nur wenig über die EU. Ende 2018 konnten nur sieben von zehn Befragten sagen, dass die Schweiz kein EU-Mitglied ist.
Ein weiterer Grund für das sinkende Interesse an Europa ist, dass die Bürger zunehmend das Gefühl hatten, den politischen Prozess nicht beeinflussen zu können. „Meine Stimme zählt nicht“ – dieser Aussage stimmten noch 2013 zwei Drittel der EU-Bürger zu.
Das alles hat die EU dazu veranlasst, Maßnahmen wie die sogenannten Citizens’ Dialogues einzuführen. Seit 2015 suchen die Vertreter der Institutionen und Länder regelmäßig das direkte Gespräch mit den Bürgern, und bereits seit 2014 gibt es die Wahlkampfdebatten mit den Spitzenkandidaten im Fernsehen.
Was jetzt noch fehlt, ist eine Informationsoffensive – denn die Europäer wissen oft wenig über die EU:
Ende 2018 konnten nur sieben von zehn Befragten sagen, dass die Schweiz kein EU-Mitglied ist.
Diese Informationsdefizite sind schlimm genug – im Zeitalter von Social Media öffnen sie aber Tür und Tor für populistische Marktschreier, die mit ihren teilweise verzerrten Informationen die Euro-Skepsis schüren – und sich mithilfe dieser Methode auch noch ins Europäische Parlament wählen lassen.