Eine Branche unter Druck
Die Automobilindustrie in Deutschland ist seit Langem Wirtschafts- und Innovationstreiber. Doch der seit Mitte 2018 schrumpfende Weltmarkt für Automobile und der fortschreitende Technologiewandel stellen die Branche vor große Herausforderungen. Die Corona-Krise hat die Situation weiter verschärft – gerade für kleinere Zulieferer.
- Für die Autoindustrie in Deutschland ging es von 2008 bis 2018 kräftig aufwärts. Dadurch stieg auch ihre Bedeutung für die Gesamtwirtschaft.
- Die Hersteller und Zulieferer bleiben Innovationstreiber. Von 2005 bis 2017 hat die Autoindustrie ihre Patentanmeldungen um 75 Prozent gesteigert.
- Die Corona-Krise setzt der Branche zu. Autobauer und große Zulieferer haben bereits einen Stellenabbau angekündigt.
Für die Autoindustrie in Deutschland ging es von 2008 bis 2018 kräftig aufwärts. Die Branche konnte zehn Jahr lang einen Absatzrekord nach dem anderen verbuchen. Das lag vor allem an der gestiegenen Nachfrage aus China – davon konnten die deutschen Hersteller und Zulieferer mehr als alle europäischen Konkurrenten profitieren.
Die Bedeutung der Automobilindustrie für die Gesamtwirtschaft ist dadurch gestiegen (Grafik):
Im Jahr 2017 erzielten die Hersteller und ihre Zulieferer 4,7 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland.
Betrachtet man nur das Verarbeitende Gewerbe, wurde jeder fünfte Euro mit Autos verdient, obwohl die Branche lediglich 12,1 Prozent der Industriebeschäftigten auf ihrer Payroll stehen hat.
Diese Zahlen unterschätzen die Bedeutung der Autoindustrie für den Standort Deutschland aber noch, da sie nicht die Nachfrage der Autohersteller nach Vorprodukten anderer Branchen erfassen. Ein Beispiel:
Auf der Nachfrage der Autoindustrie basieren mehr als 16 Prozent der Wertschöpfung in der deutschen Metallerzeugung und -verarbeitung.
Neben den wirtschaftlichen Kennzahlen hat die Autoindustrie auch bei den Innovationen weiter zugelegt. Von 2008 bis 2018 stiegen die Forschungsausgaben in den Unternehmen um 75 Prozent. Dazu kamen externe Aufwendungen der Firmen – wie Forschungsmittel für Universitäten oder Aufträge für Entwicklungsdienstleister.
Zusammengerechnet ist die Autoindustrie für mehr als 37 Prozent der Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe verantwortlich. Bei den externen Ausgaben sind es über 60 Prozent.
Der reine Input sagt aber noch nichts über die Qualität der Forschung aus. Entscheidend ist, ob das Geld sinnvoll eingesetzt wird – und auch hier kann die Autoindustrie punkten (Grafik):
Von 2005 bis 2017 hat die Autoindustrie ihre Patentanmeldungen um 75 Prozent gesteigert.
Diese Zahl ist umso beeindruckender, als alle juristischen Personen außerhalb der Kfz-Industrie 2017 rund 16 Prozent weniger Patente anmeldeten als 2005. Bei den natürlichen Personen, also privaten Erfindern, war die Zahl der Patentanmeldungen sogar um 43 Prozent niedriger als noch 2005.
Die Autoindustrie hat bei den Innovationen weiter zugelegt: Von 2005 bis 2017 hat sie ihre Patentanmeldungen um 75 Prozent gesteigert.
Auffällig ist, dass in der Autoindustrie wenige große Unternehmen das Gros der Patentanmeldungen verbuchen. Die zehn umsatzstärksten Zulieferer kommen zusammen auf knapp die Hälfte aller Patentanmeldungen.
Viele Forschungsprojekte der Autoindustrie beschäftigen sich mit Zukunftstechnologien. So gehörten im Jahr 2017 mehr als 10 Prozent der Patentanmeldungen zum Bereich Elektroantrieb, Brennstoffzelle, Hybridgetriebe und Energiespeichertechnik. Der Anteil dürfte sich seitdem eher erhöht als verringert haben, denn der technologische Wandel hin zu verschiedenen Antriebsformen geht unvermindert weiter und wird die Autoindustrie auch in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen stellen. Das gilt vor allem für die kleinen und mittelständischen Betriebe der Zulieferindustrie. Sie müssen aufgrund ihrer oft sehr spezifischen Produkte häufig ein komplett neues Geschäftsmodell entwickeln.
Corona-Krise trifft die Autoindustrie hart
Die Branche steht durch Absatzrückgang und technologischen Wandel also ohnehin unter Druck – und die Corona-Krise hat die Situation für viele Betriebe deutlich verschärft, denn kaum eine andere Industriebranche wurde so stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie getroffen.
Zunächst gab es durch den teilweisen Lockdown in China sowie durch Grenzschließungen in Europa einen Angebotsschock – die Lieferketten kamen weitgehend zum Stillstand, sodass die Unternehmen nicht mehr produzieren konnten.
Auch die Nachfrage sank im Zuge der Krise stark, sodass vielerorts die Produktion bis heute noch nicht wieder vollständig hochgefahren werden konnte. Die Folge: Im Mai 2020 waren rund 520.000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Doch damit nicht genug:
Nicht alle Jobs wird es auch nach der Krise noch geben, denn es häufen sich die Ankündigungen von Stellenkürzungen in der Automobilindustrie, auch bei großen Unternehmen.
Das soll jedoch nicht allein den Standort Deutschland betreffen, zudem wird der Stellenabbau in aller Regel als mehrjähriger Prozess geplant und ohne betriebsbedingte Kündigungen ablaufen. Ganz auszuschließen sind betriebliche Kündigungen je nach Entwicklung in den nächsten Monaten aber nicht – vor allem bei den Zulieferbetrieben.