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Interview: „Unsere Idee rettet Innenstädte – nicht nur die von Peine“

Mit 360-Grad-Aufnahmen von Einzelhandelsgeschäften die Innenstadt beleben – die Schülerfirma townaround aus Peine setzte sich mit ihrer Geschäftsidee beim IW JUNIOR Wettbewerb gegen 16 weitere Jungunternehmen aus Deutschland durch. Was hinter ihrer Idee steckt, erzählen Vorstandsvorsitzender Niklas Krupka und Marketingleiter Leo Laufer aus dem townaround-Team.

Kernaussagen in Kürze:
  • Leo Laufer und Niklas Krupka haben im Rahmen des IW JUNIOR Programms eine Schülerfirma gegründet und landeten mit ihrer Idee, die Innenstädte mittels 360-Grad-Aufnahmen von Einzelhandelsgeschäften zu beleben, beim Bundeswettbewerb auf Platz eins.
  • Der erste Ladeninhaber, der mitgemacht hat, war ein Juwelier aus Peine. Bis heute haben sich circa 60 Geschäfte angeschlossen, erklärt Geschäftsführer Niklas Krupka im iwd-Interview.
  • Die Jungunternehmer wollen ihre Schülerfirma auch nach dem JUNIOR-Jahr weiterführen und planen schon eine Art Franchise-System in Zusammenarbeit mit einem Gymnasium aus einem anderen Landkreis.
Zur detaillierten Fassung

Junge Leute gelten als online-affin – warum wollt also ausgerechnet ihr den stationären Einzelhandel mit eurer Geschäftsidee retten?

Krupka: Junge Leute kaufen zwar gerne online ein, sie sind aber auch den ganzen Tag in der Schule und gehen am Nachmittag gerne in die Innenstadt. Wenn es dort dann komplett leer gefegt ist, es also gar kein Angebot gibt, sich zu treffen, einzukaufen oder kulturelle Einrichtungen zu besuchen, dann muss man sich fragen, wie da die Zukunft aussehen soll – auch für junge Leute. Genau da wollen wir ansetzen.

IW-Direktor Michael Hüther sprach bei der Preisverleihung von einem „Turnaround“ durch town around. Welchen Drehpunkt meint er damit?

Laufer: Die Wende, aus einer toten Innenstadt wieder eine belebte Innenstadt zu machen. Schon vor der Corona-Krise war das Aussterben der Stadtkerne ein Problem, aber die Monate im Lockdown haben noch mal deutlich gezeigt, wie trostlos es ohne geöffnete Geschäfte und Restaurants in den Städten aussieht und wie die Menschen es jetzt genießen, wieder mehr in der Fußgängerzone unterwegs zu sein. Das hat uns gezeigt, dass unsere Idee momentan relevanter denn je ist.

Ihr seid Schüler und Jungunternehmer gleichzeitig. Wie habt ihr alle Aufgaben unter einen Hut bekommen?

Krupka: Durch die Pandemie sind einige Hobbys weggefallen. Deswegen hatten viele von uns mehr Zeit als sonst. Trotzdem benötigt ein Start-up wie townaround enorm viel Zeit. Von der Aufnahme der 360-Grad-Touren bis zur Vermarktung ist es ein langer Weg. Wir haben uns die Aufgaben aber gut aufgeteilt und immer für mehrere Tage im Voraus geplant. Auf diese Weise hat es bisher sehr gut funktioniert.

Also hattet ihr nie Zeitdruck?

Krupka: An sich hat das meiste bisher zeitlich gepasst. Die einzige Situation, in der es mal hektisch wurde, war, als uns kurz vor dem Online-Jury-Interview am Tag des Wettbewerbs der Laptop-Akku im Stich gelassen hat. In drei Minuten mussten wir also ein Ersatzgerät beschaffen, uns dort anmelden und alle Kabel umstecken. Da war das Stresslevel schon sehr hoch. Zum Glück hat danach aber alles geklappt.

Nun waren viele Geschäfte in den letzten Monaten geschlossen. Wie habt ihr denn die Ladenbesitzer in Peine überzeugt, bei eurer Idee mitzumachen?

Laufer: Als uns die Idee im vergangenen Sommer kam, sind wir durch die Geschäfte gezogen und haben unsere Dienstleistung erst einmal kostenfrei angeboten. Am Anfang waren die Ladenbesitzer noch etwas zurückhaltend, aber sobald die ersten Geschäfte mitgemacht hatten, zogen viele andere nach.

Ein Spielwarenhändler hat uns mitgeteilt, dass sich sein Umsatz tatsächlich um 30 Prozent gesteigert hat, seitdem die 360-Grad-Tour seines Geschäfts veröffentlicht wurde.

Welches Geschäft war denn das erste, was ihr in 360-Grad aufnehmen durftet?

Krupka: Unsere erste Aufnahme haben wir tatsächlich gar nicht im Einzelhandel gemacht, sondern in einem Hotel. Wir mussten ja ein wenig üben, bevor wir unseren Dienst professionell anbieten konnten. Der erste Ladeninhaber, der mitgemacht hat, war wenig später ein Juwelier aus Peine. Von diesem Zeitpunkt an ging es recht schnell voran, sodass wir heute bei circa 60 Geschäften sind.

Haben die Läden denn auch von euren Aufnahmen profitiert?

 Leo Laufer und Niklas Krupka haben im Rahmen des IW JUNIOR Programms die Schülerfirma townaround gegründet Laufer: Ja, ein Spielwarenhändler hat uns mitgeteilt, dass sich sein Umsatz tatsächlich um 30 Prozent gesteigert hat, seitdem die 360-Grad-Tour seines Geschäfts veröffentlicht wurde. Für ihn allein lohnt sich ein Online-Shop nämlich nicht. Unsere Aufnahmen ermöglichen ihm trotzdem eine gewisse Online-Präsenz. Solch positives Feedback freut uns natürlich und gibt uns Rückenwind.

Ihr sagt, ihr habt euren Service zu Beginn kostenfrei angeboten. Wie sieht das jetzt aus, nachdem die Nachfrage doch deutlich gestiegen ist?

Krupka: Mittlerweile kriegen wir auch viele Anfragen von Geschäften außerhalb der Innenstadt. Dafür nehmen wir dann einen fairen Betrag, mit dem Fahrtkosten und Arbeitsaufwand gedeckt werden. Dadurch sind wir nicht mehr von unseren anfänglichen Sponsoren abhängig, tragen uns finanziell also selbst.

Im Tagesgeschäft ändert sich die Befüllung der Regale. Wie oft werden die 360-Grad-Aufnahmen aktualisiert?

Krupka: Das hängt viel von den Einzelhändlern ab und ihrer Einschätzung darüber, wie oft die Aufnahmen aufgrund von Veränderungen im Sortiment aktualisiert werden müssen. Deswegen haben wir das Feature der Detailfotos entwickelt, bei dem die Einzelhändler selbst Fotos vom aktuellen Sortiment machen, die wir dann direkt in die 360-Grad-Tour hochladen können, um möglichst aktuell zu bleiben.

 

Unsere Idee trifft auch über die Stadtgrenzen hinaus auf Anklang. Auch in Frankreich oder Polen gibt es schließlich Kleinstädte, die darum kämpfen, dass ihre Innenstädte attraktiv und lebendig bleiben.

Was macht ihr mit den 1.500 Euro Preisgeld? In euer Start-up stecken oder auf den Kopf hauen?

Krupka: Da wir townaround auch nach dem JUNIOR-Jahr weiterführen wollen, haben wir das Geld erst einmal für zukünftige Investitionen zur Seite gelegt. Ein Team-Event darf natürlich auch nicht fehlen. Dafür werden allerdings wohl hoffentlich keine 1.500 Euro draufgehen.

Wie hat sich euer Bild von Unternehmertum durch eure Erfahrungen mit JUNIOR verändert?

Laufer: Bevor ich Teil einer Schülerfirma war, hatte ich keine richtige Vorstellung davon, wie man in einem Unternehmen richtig zusammenarbeitet. Klar, man macht in der Schule mal Gruppenarbeiten, aber eine Unternehmensgründung und -führung ist ein viel längerer Prozess, in dem enorm viel Arbeit steckt.

Wie schätzt ihr denn eure Chancen für den Europawettbewerb im Juli ein? Was macht euer Geschäftskonzept auch auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig?

Krupka: Wir kennen die Ideen unserer Mitstreiter zwar noch nicht, aber wir bringen ein Geschäftskonzept mit, das funktioniert – nicht nur in Peine. Zum Beispiel planen wir momentan eine Art Franchise-System in Zusammenarbeit mit einem Gymnasium aus einem anderen Landkreis, weil sich dort bereits ein Geschäft für unseren Service interessiert. Unsere Idee trifft also auch über die Stadtgrenzen hinaus auf Anklang. Daher können wir uns für townaround eine internationale Zukunft gut vorstellen. Auch in Frankreich oder Polen gibt es schließlich Kleinstädte, die darum kämpfen, dass ihre Innenstädte attraktiv und lebendig bleiben.

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