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Trotz Corona klappt die Integration von Flüchtlingen

Flüchtlinge arbeiten in Deutschland vor allem in jenen Branchen, die von den Lockdown-Maßnahmen besonders betroffen waren – folglich war zu erwarten, dass die Beschäftigung in dieser Gruppe stark zurückgehen würde. Das ist im ersten Lockdown auch passiert, doch inzwischen ist die Erwerbstätigkeit wieder deutlich gestiegen. Bei den Arbeitslosenzahlen sieht es zwar nicht so gut aus, allerdings gibt es dafür eine plausible Erklärung.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Zahl der Beschäftigten ist in der Gruppe der Flüchtlinge seit dem ersten Lockdown stärker gestiegen als in jeder anderen Gruppe.
  • Gleichwohl hat die Dynamik des Beschäftigungsaufbaus bei Flüchtlingen in den vergangenen Jahren nachgelassen.
  • Hauptprobleme sind nach wie vor eine fehlende Ausbildung und schlechte Deutschkenntnisse.
Zur detaillierten Fassung

Nachdem 2015 und 2016 besonders viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, ist die Zahl in den Jahren danach kontinuierlich zurückgegangen. Stellten 2015 noch fast eine halbe Million Geflüchtete in Deutschland einen Asylantrag und 2016 sogar knapp 750.000, waren es 2019 nur noch 166.000 und im vergangenen Jahr lediglich 122.000. Die meisten Flüchtlinge leben also bereits seit mehreren Jahren in Deutschland und haben das Asylverfahren vor Ausbruch der Pandemie durchlaufen.

Seit dem ersten Lockdown ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Flüchtlinge aus den acht wichtigsten Hauptherkunftsländern deutlich gestiegen – sie war im März 2021 um 36.000 oder 9,8 Prozent höher als im März 2020.

Auf dem Arbeitsmarkt sind anerkannte Flüchtlinge Inländern weitgehend gleichgestellt, sie können also jede Erwerbstätigkeit oder Ausbildung aufnehmen oder sich – mit allen Rechten und Pflichten – als Arbeitslose registrieren lassen.

Bei Personen im Asylverfahren und Geduldeten ist die Lage anders: Sie dürfen in den ersten Monaten keine Erwerbstätigkeit aufnehmen und müssen sich nicht um eine Arbeitsstelle bemühen, um staatliche Leistungen zu erhalten.

Diesen institutionellen Rahmen muss man im Blick behalten, wenn man die Arbeitsmarktsituation von Geflüchteten in Deutschland beurteilen will. Das IW hat dies für die Menschen aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien getan, das sind jene acht Länder, aus denen in den vergangenen Jahren die meisten Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind:

Beschäftigung. Die gute Nachricht vorweg: Seit dem ersten Lockdown ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den acht Hauptherkunftsländern deutlich gestiegen – sie war im März 2021 um 36.000 oder 9,8 Prozent höher als im März 2020. Damit ist die Beschäftigung in dieser Gruppe seit dem ersten Lockdown stärker gewachsen als in jeder anderen.

Gleichwohl ist dieses Plus deutlich geringer als der Zuwachs in den Jahren davor. Von März 2019 bis März 2020 war die Beschäftigung in dieser Gruppe noch um rund 19 Prozent gestiegen, in den zwölf Monaten davor sogar um fast das Doppelte. Es bleibt also festzuhalten, dass die Dynamik des Beschäftigungsaufbaus bei den Flüchtlingen schon vor der Pandemie nachgelassen hat.

Nicht zuletzt deshalb ist die Erwerbsbeteiligung der Flüchtlinge nach wie vor gering. So müsste ihre Beschäftigungsquote von derzeit 31,8 Prozent um die Hälfte steigen, um das durchschnittliche Niveau aller Ausländer in Deutschland zu erreichen, und sich sogar verdoppeln, um mit der inländischen Erwerbsquote von 63,1 Prozent gleichzuziehen.

In welchen Branchen Flüchtlinge arbeiten

Auffallend ist auch, dass Geflüchtete häufig in jenen Branchen arbeiten, die von den Pandemie-Maßnahmen besonders stark betroffen waren, zu nennen sind hier vor allem die Arbeitnehmerüberlassung und das Gastgewerbe. Allein in diesen beiden Branchen gingen von September 2019 bis September 2020 rund 7,6 beziehungsweise 5,7 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Jobs für Geflüchtete verloren. Allerdings ist dieser Beschäftigungsabbau durch einen Aufbau vor allem in den Bereichen Verkehr und Lagerei (plus 25 Prozent), Gesundheits- und Sozialwesen (plus 25 Prozent) sowie Handel (plus 12 Prozent) mehr als ausgeglichen worden.

Arbeitslosigkeit. Nach dem ersten Lockdown ist die Zahl der Arbeitslosen aus den acht Hauptherkunftsländern sprunghaft um mehr als ein Viertel gestiegen und lag auch im März 2021 noch mehr als ein Fünftel über dem Vorjahreswert. Gleichzeitig ist die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) nach dem ersten Lockdown nur um 1,9 Prozent gestiegen und lag im Februar 2021 sogar wieder unter dem Niveau des Vorjahres. Auch die Zahl der Arbeitssuchenden ist inzwischen niedriger als vor Jahresfrist. Die Erklärung für dieses Phänomen (Grafik):

Im April und Mai 2020 sind viele Qualifikationsangebote für Geflüchtete – insbesondere Integrations- und berufsbezogene Sprachkurse – ausgefallen.

Teilnehmer in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dies schlägt sich direkt in den Arbeitslosenzahlen nieder, denn die Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen gelten nicht als arbeitslos (Grafik):

Die Zahl der erwerbsfähigen Bezieher von Arbeitslosengeld II ist von März 2020 bis Januar 2021 um 16 Prozent gestiegen – die Zahl der Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen unter ihnen ist im gleichen Zeitraum um 27 Prozent gesunken.

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte in Deutschland aus den acht wichtigsten Herkunftsländern Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch insgesamt ist die Arbeitslosigkeit für die Menschen aus den acht Hauptherkunftsländern ein großes Problem: Mit fast 37 Prozent ist ihre Arbeitslosenquote derzeit weit höher als die anderer Gruppen: Von allen Ausländern in Deutschland waren im März 2021 gut 15 Prozent arbeitslos, Menschen aus den Westbalkanländern hatten eine Quote von 13 Prozent, EU-Ausländer kamen auf rund 10 Prozent, Inländer sogar nur auf knapp 6 Prozent.

Folgen für die Migrationspolitik

Unter dem Strich bleibt die Arbeitsmarktsituation für Geflüchtete also angespannt. Für die Migrationspolitik – und die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland – heißt das: Statt die Grenzen pauschal für alle Zuwanderungsinteressierten zu öffnen, muss die Ausbildung von potenziellen Zuwanderern bereits in den Herkunftsländern beginnen, indem ihnen dort eine solide Schulbildung und grundlegende Deutschkenntnisse vermittelt werden.

Und für jene, die bereits in Deutschland sind, muss die Qualifizierung gezielt vorangetrieben werden. Die während der Pandemie eingestellten Seminare und Sprachkurse sind also so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.

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