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„Integration ist nicht allein eine Bringschuld der Zuwanderer und ihrer Nachfahren“

Deutschland ist bei der Integration auf einem guten Weg – allen Unkenrufen zum Trotz. Dennoch gibt es bei einigen Migrantengruppen Luft nach oben, sagt IW-Integrationsforscher Wido Geis-Thöne. Er fordert von Politik und Gesellschaft zielgerichtete Unterstützung.

Kernaussagen in Kürze:
  • Deutschland ist ein Einwanderungsland, stellt IW-Integrationsforscher Wido Geis im Kommentar klar.
  • Es ist deshalb der richtige Weg, Zuwanderer rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
  • Neben den Geflüchteten sollten andere Migranten-Gruppen mit ihren Unterstützungsbedarfen nicht aus dem Blick geraten.
Zur detaillierten Fassung

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Was für uns heute eine verhältnismäßig triviale Feststellung ist, wurde bis in die 2000er Jahre hinein von der Politik teilweise vehement verneint.

Die Asylpolitik in den 1990er Jahren zielte noch darauf ab, Geflüchtete möglichst lange von Arbeitsmarkt und Bildungssystem fernzuhalten. Sie sollten in Deutschland keine Wurzeln schlagen, sondern freiwillig ausreisen. Dass dieser Ansatz nicht nur ethisch problematisch ist, sondern auch zu gesellschaftlichen Fehlentwicklungen führt, ist inzwischen hinlänglich bekannt.

Es ist richtig, dass Zuwanderer heute so früh wie möglich in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert werden.

Daher wurde während des starken Zuzugs von Geflüchteten in den 2010er Jahren zunehmend eine andere Strategie verfolgt, bei der auf eine frühe Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft gesetzt wurde. Dies ist der richtige Weg. Denn es gilt: Je länger sich Zuwanderer hierzulande ohne eine gezielte Integrationsförderung aufhalten, desto eher finden sie sich mit ihrer Situation ab. Erhalten sie erst sehr spät Zugang zu Förderangeboten, ist ihre Motivation häufig entsprechend geringer und die Förderung läuft schnell ins Leere.

Gezielte Unterstützung für alle Zuwanderergruppen

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich eine Integrationsförderung für jene Zuwanderer, die sich bereits seit Längerem im Land aufhalten, sowie ihre Kinder nicht lohnt.

Wido Geist ist Experte für Familienpolitik und Zuwanderung im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien/Daniel Roth

Ganz im Gegenteil brauchen diese Personen ebenfalls gezielte Unterstützung. Allerdings müssen die Angebote an dieser Stelle deutlich niedrigschwelliger und weniger zeitintensiv sein, um den Zugang zu erleichtern.

Wird das Thema Integration im öffentlichen Diskurs aufgegriffen, geht es oft nur um die Geflüchteten. Wie meine IW-Studie zu diesem Thema zeigt, haben jedoch auch viele andere Zuwanderergruppen an der einen oder anderen Stelle Unterstützungsbedarfe. Gleichzeitig wird vielfach pauschal von Personen mit Migrationshintergrund gesprochen, worunter auch Kinder der zweiten Generation fallen, die diese Unterstützung gar nicht benötigen.

Bei Förderung bedarfsorientiert handeln

Damit Integrationsmaßnahmen effektiv und effizient sein können und ihr Erfolg überprüfbar wird, muss jedoch klar sein, an welche Zielgruppen sie sich konkret richten. Sinnvoll ist meist ein bedarfsorientiertes Vorgehen. So sollten sich beispielsweise Deutschkurse am Sprachstand orientieren.

Darüber hinaus ist immer im Blick zu halten, dass Integration nicht allein eine Bringschuld der Zuwanderer und ihrer Nachfahren ist. Auch unterstützende Maßnahmen zu ihrer Integration reichen nicht aus. Vielmehr müssen auch jene Personen in Deutschland ohne migrantische Wurzeln offen sein und sich auf die Zuwanderer zubewegen.

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