„Spätestens 2050 müssen wir klimaneutral sein“
Es gibt viele Möglichkeiten, um den Klimawandel zu bremsen. Neben der Umstellung auf regenerative Energien sind auch der Emissionshandel und die CO2-Speicherung sinnvolle und nötige Instrumente der Treibhausgasreduktion, finden die beiden IW-Umweltexperten Roland Kube und Malte Küper.
- Um die Erderwärmung im Sinne der Klimaziele zu begrenzen, ist die CO2-Bepreisung ein zielsicheres Mittel mit einer großen Wirkung, sagt IW-Umweltexperte Roland Kube.
- Seitdem die Verknappung der Zertifikate in den vergangenen Jahren die Preise stark erhöht hat, sind beispielsweise die Emissionen im Energiesektor stark zurückgegangen.
- Trotzdem braucht es nach Ansicht von Malte Küper, ebenfalls Umweltexperte im IW, noch ergänzende Instrumente, da sich Emissionen nicht in allen Prozessen vollständig vermeiden lassen. Eine Möglichkeit ist die CO2-Speicherung.
Welche Rolle spielt Kohlendioxid für die Veränderung des Klimas? Ist CO2 der alleinige Verursacher für den Klimawandel?
Kube: CO2 ist das wichtigste Treibhausgas, das den menschengemachten Klimawandel verursacht, auch wenn andere Gase wie Methan noch klimaschädlicher sind. Natürlich wandelt sich das Klima über die Jahrtausende auch ganz von allein, aber die klimatischen Veränderungen in dieser Geschwindigkeit und in diesem Ausmaß, wie wir sie jetzt erleben, sind in gravierendem Maße auf die menschliche Aktivität zurückzuführen und einmalig in den letzten Jahrtausenden.
Küper: CO2 ist zwar nicht das schädlichste Klimagas, tritt aber mengenmäßig am häufigsten auf. Und seine Zunahme ist klar auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen. Aufgrund von Bohrungen im Eis in der Antarktis wissen wir, dass es diese kurzzeitig stark ansteigenden CO2-Werte, wie wir sie seit 200 Jahren beobachten können, vorher nicht gab.
Wie schnell müssen wir global gesehen den CO2-Ausstoß senken?
Kube: Im Pariser Klimaabkommen haben sich die beteiligten Staaten darauf verständigt, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius, bestenfalls auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Das impliziert, dass bis spätestens Mitte des Jahrhunderts die Nettoemissionen bei null angelangt sein sollten. Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten wollen, müssen wir die jährlichen globalen Emissionen bis 2030 etwa halbiert haben.
Warum bepreisen mehr und mehr Staaten den CO2-Ausstoß? Ist das die einzige Möglichkeit, Treibhausgase zu reduzieren?
Kube: Die Bepreisung ist ein recht zielsicheres Mittel mit einer großen Wirkung, wie man am europäischen Emissionshandel gut sehen kann: Seitdem die Verknappung der Zertifikate in den vergangenen Jahren die Preise stark erhöht hat, sind beispielsweise auch die Emissionen im Energiesektor umso stärker zurückgegangen. Trotzdem braucht es noch ergänzende Instrumente: Die Förderung erneuerbarer Energien beispielsweise war sehr wichtig, um die Kosten von grünen Alternativtechnologien deutlich zu senken. Auch andere Mittel wie die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur und Technologieförderung sind wichtig.
Viele Staaten gehen jetzt den Weg einer CO2-Bepreisung, weil sich gezeigt hat, dass das wirtschaftlich verträglich gestaltet werden kann. Mit steigender Wirtschaftskraft erlauben sich das nun auch Länder wie China und sehen das als richtigen Weg, um CO2 einzusparen.
Wie zielführend ist es denn, wenn jedes Land sein eigenes Preissystem entwickelt?
Kube: Eine global einheitliche CO2-Bepreisung mit einem weltweit gültigen CO2-Preis wäre natürlich der ökonomisch effizienteste Weg, das ist allerdings politisch leider noch Wunschdenken. Jedes Land geht stattdessen seinen eigenen Weg und kann somit selbst bestimmen, wie man damit sozial und politisch umgeht. Dabei zeigt sich, dass Staaten, die solche Preismodelle einführen, die CO2-Preise zunehmend erhöhen und ausweiten. Außerdem machen mehr und mehr Länder mit. Inzwischen wird global immerhin schon fast ein Viertel der Treibhausgasemissionen direkt bepreist.
Also brauchen wir gar kein globales Emissionshandelssystem?
Kube: Das wäre das Beste, aber es funktioniert politisch derzeit einfach nicht. Einem internationalen System kann man sich nur schrittweise und auf diplomatischem Wege nähern.
Manche Prozesse lassen sich nicht CO2-neutral abwickeln. Wie geht man, wenn man klimaneutral werden will, damit um?
Küper: Es gibt drei Wege, um CO2-Emissionen zu reduzieren: Das sind zum einen Effizienzmaßnahmen, die den Energieverbrauch senken, zum anderen substituiert man fossile Energieträger durch erneuerbare, wo das möglich ist. Gleichzeitig werden wir aber auch zukünftig noch Prozesse wie in der Zementherstellung haben, in denen sich CO2-Emissionen nicht vollständig vermeiden lassen.
Wenn ich jetzt einen Baum pflanze, erziele ich damit nicht direkt eine CO2-Reduktion. Vielversprechender ist es, CO2 punktuell dort abzufangen, wo es entsteht, und so zu verhindern, dass es überhaupt erst in die Atmosphäre gelangt.
Da bietet es sich nach heutigem Stand der Technik an, diese Emissionen abzufangen und entweder unterirdisch zu speichern – zum Beispiel in alten Erdgaslagerstätten – oder sie weiter zu nutzen in anderen chemischen Prozessen.
Warum ist für solche Prozesse eine Lagertechnik nötig? Wäre es nicht besser, unvermeidbare Emissionen zu kompensieren, etwa durch Bäume?
Küper: Das Pflanzen von Bäumen ist in der Tat eine Möglichkeit, CO2-Emissionen zu kompensieren. Allerdings ist auch das teilweise umstritten, denn es muss darum gehen, natürliche Ökosysteme zu erhalten und nicht durch Monokulturen oder den Anbau von Pflanzen zu verändern, die dort eigentlich gar nicht hingehören. Außerdem brauchen Bäume Zeit zum Wachsen: Wenn ich jetzt einen Baum pflanze, erziele ich damit nicht direkt eine CO2-Reduktion.
Es ist dagegen vielversprechender, CO2 punktuell dort abzufangen, wo es entsteht, und so zu verhindern, dass es überhaupt erst in die Atmosphäre gelangt.
Erhält man mit der CO2-Speicherung nicht alte Produktionstechniken am Leben? Warum brauchen wir Zement? Wir könnten doch auch andere, nachhaltige Baustoffe verwenden.
Küper: Stand heute ist Zement der wichtigste Baustoff in der Bauindustrie, auch in vielen anderen Bereichen findet er Verwendung. Zwar wird an alternativen Baustoffen geforscht, bis diese allerdings in vergleichbarer Qualität verfügbar sind, wird es noch dauern. Wir brauchen aber Lösungen für die heutigen Emissionen, um klimaneutral zu werden. Und dafür ist CCS, also die CO2-Speicherung, derzeit die vielversprechendste Technik.
Viele Bürger befürchten, dass beim Transport und bei der unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid Gas austreten könnte. Sind diese Ängste aus Ihrer Sicht berechtigt?
Küper: In der Tat müssen mögliche Umweltauswirkungen sorgfältig geprüft und CO2-Austritte sicher verhindert werden. Allerdings haben wir heute auch schon sichere Erdgasspeicher, das muss auch mit CO2 gelingen. Dafür ist es wichtig, dass die Bevölkerung die Notwendigkeit und Funktionsweise von CCS versteht.
Eine Lösung, um die Akzeptanz für CO2-Speicher zu erhöhen, ist, dass das CO2 in der Nordsee gelagert wird. Das stößt bei der Bevölkerung auf eine höhere Akzeptanz als eine Lagerstätte in der unmittelbaren Umgebung von Wohngebieten, wobei auch das technisch sicher realisiert werden kann.
Woher weiß man das? Gibt es solche CO2-Speicherstätten schon irgendwo?
Küper: Länder wie die USA oder Norwegen sammeln bereits erfolgreich Erfahrungen mit CCS. Auch in Deutschland gibt es einige vielversprechende Speicherstätten.
Warum haben wir dann noch keine Speicherstätten?
Küper: Die weitere Erforschung der Technologie bis hin zum kommerziellen Einsatz scheiterte bisher vor allem an fehlender Akzeptanz der Bevölkerung. Dabei brauchen wir genau diese Erforschung, um Chancen und Risiken der CO2-Speicherung klar zu benennen.
Wann könnte es die erste langfristige CO2-Speicherstätte geben?
Küper: Es gibt schon drei größere Pilotvorhaben in der Nordsee, unter anderem durch den norwegischen Konzern Equinor. Vor allem das Projekt Northern Lights ist sehr vielversprechend, dort soll bis 2025 eine kommerzielle CO2-Speicherung bis zu 2.500 Kilometern unter dem Meeresgrund möglich sein.