Ukraine-Krieg Lesezeit 3 Min.

Russland: Putins Kriegswirtschaft ist teuer

Die Sanktionen des Westens haben die russische Wirtschaft geschwächt, aber nicht in die Knie gezwungen – diesen Schluss legt der Blick auf die gängigen ökonomischen Indikatoren nahe. Eine nähere Analyse des russischen Staatshaushalts zeigt aber, dass die finanziellen Spielräume für die Regierung immer enger werden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die russische Wirtschaft hat sich trotz der Sanktionen zuletzt auf den ersten Blick stabilisiert – die makroökonomischen Indikatoren liefern aber ein verzerrtes Bild der Lage.
  • Der Blick auf den russischen Staatshaushalt zeigt, dass das Land mit deutlich sinkenden Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft zu kämpfen hat, die Ausgaben aber weiter steigen sollen. Die finanziellen Spielräume der Regierung werden immer enger.
  • Die Sanktionen des Westens sind also keineswegs wirkungslos. Nun gilt es, den Druck weiter zu erhöhen, um Putins Kriegswirtschaft zu schwächen.
Zur detaillierten Fassung

Vor rund einem Jahr, am 24. Februar 2022, überfiel Russland die Ukraine. Viele westliche Staaten sowie die Europäische Union als Ganzes verabschiedeten daraufhin umfangreiche Sanktionsmaßnahmen gegen Putins Regime.

Dieses entschlossene Handeln der westlichen Staatengemeinschaft zeigte unmittelbar Wirkung: Im zweiten und dritten Quartal 2022 schrumpfte die russische Wirtschaftsleistung nach OECD-Angaben jeweils um knapp 4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Allerdings gelang es der russischen Zentralbank mit drastischen Zinserhöhungen, den Verfall der russischen Währung aufzuhalten. Zudem spielten die im vergangenen Jahr stark gestiegenen Weltmarktpreise für Öl und Gas dem russischen Staat in die Hände. Und so hat sich die Wirtschaft inzwischen stabilisiert (Grafik):

Der Durchschnittsprognose von Consensus Forecasts zufolge wird das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Russlands in diesem Jahr nur um 2,1 Prozent schrumpfen – für 2024 erwarten die Experten sogar ein Wirtschaftswachstum von mehr als 2 Prozent.

Veränderung wichtiger Kennzahlen gegenüber Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Kann sich Wladimir Putin also auf die Schulter klopfen? Eher nicht. Denn die makroökonomischen Indikatoren liefern gleich auf zwei Ebenen ein verzerrtes Bild der Lage in Russland:

Erstens bilden die amtlichen Statistiken nur einen Teil der Wahrheit ab – zum Beispiel, weil in den offiziellen Arbeitslosenzahlen jene Arbeiter fehlen, die in Zwangsurlaub geschickt wurden, weil ihre Betriebe die Produktion einstellen mussten.

Zweitens überdecken gesamtwirtschaftliche Kennzahlen wie das BIP die Umwälzungen innerhalb der russischen Ökonomie. Denn der Staat verfolgt inzwischen eine Strategie von „guns and butter“. Es geht also darum, nach außen militärische Stärke zu zeigen und im Inland durch soziale Wohltaten die Bürger bei Laune zu halten – sowie mögliche Proteste durch Repression zu ersticken.

Im Jahr 2023 werden die russischen Einnahmen aus Öl- und Gasexporten gegenüber 2022 um gut 23 Prozent sinken – das bedeutet ein Minus von umgerechnet mehr als 35 Milliarden Euro.

Dieser Kurs ist teuer und bringt die russische Regierung nun in ein Dilemma. Denn infolge der Sanktionen und der Abkehr des Westens von russischen Energielieferungen muss Moskau künftig mit sinkenden Einnahmen aus den entsprechenden Exporten kalkulieren (Grafik):

Im Jahr 2023 werden die russischen Einnahmen aus Öl- und Gasexporten gegenüber 2022 um gut 23 Prozent sinken – das bedeutet ein Minus von umgerechnet mehr als 35 Milliarden Euro.

Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dabei betrug das russische Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr trotz der deutlich höheren Einnahmen bereits fast 4 Prozent des BIP.

Dennoch plant die Regierung vorerst nicht, die Ausgaben für die Kriegswirtschaft zu kürzen – im Gegenteil:

Die Verteidigungsausgaben sollen nach einem Vorjahresplus von fast 31 Prozent im laufenden Jahr um weitere 6,5 Prozent erhöht werden.

Für den Bereich „Nationale Sicherheit und Strafverfolgung“ sind sogar 55 Prozent mehr Haushaltsgelder vorgesehen als 2022. Insgesamt machen die Mittel für die innere und äußere Sicherheit in den Haushaltsplanungen bis 2025 konstant mehr als 14 Prozent des Gesamtbudgets aus. Noch deutlich größer ist der Anteil der Sozialpolitik mit aktuell 35 Prozent. Auch in diesem Bereich sollen die Ausgaben weiter steigen.

Höhere Schulden geplant

Unterm Strich will die russische Regierung bis 2025 etwa 14 Prozent mehr Geld ausgeben als 2022. Finanziert werden soll all dies nicht zuletzt über höhere Schulden:

Im Jahr 2025 wird Russland für Schuldzinsen und Tilgungszahlungen gut 21 Milliarden Euro aufbringen müssen – fast 32 Prozent mehr als im vergangenen Jahr.

Auch wenn angesichts der in früheren Jahren angehäuften Reserven keine Zahlungsunfähigkeit droht, werden die finanziellen Spielräume für die Regierung enger. Der bereits erfolgte Verkauf staatlicher Goldreserven ist ein deutliches Indiz für eine Finanzierungslücke.

Dass die russische Wirtschaft massive Probleme hat, spiegelt sich auch im schlechten Geschäftsklima wider – vor allem im Handel, bei Dienstleistern und im Bausektor schlagen die Kaufkraftverluste der Russen sowie die Importbeschränkungen durch. Aufgrund der westlichen Sanktionen verliert Russland zudem technologisch den Anschluss an die globale Wirtschaft.

Druck auf Putin erhöhen

Die bisherigen Maßnahmen des Westens waren also keineswegs wirkungslos – nun gilt es, den Druck weiter zu erhöhen, um Putins Kriegswirtschaft zu schwächen. Unter anderem sollten die asiatischen Demokratien dazu bewogen werden, sich dem vom Westen verhängten Energieembargo anzuschließen. Wichtig wäre es außerdem, Schlupflöcher zu schließen, mit denen die Sanktionen umgangen werden können. Hier sollte die EU vor allem die Türkei in den Blick nehmen, deren Exporte nach Russland zuletzt auffällig gestiegen sind.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene