Branchenportrait Lesezeit 6 Min.

Papierindustrie: Klimaschutz ist wichtiges Thema

Die deutschen Hersteller von Papier, Karton und Pappe mischen international an der Spitze mit. Ihre Produkte sind häufig zentraler Bestandteil des Angebots anderer Branchen – nicht nur für den Versandhandel. Gleichzeitig spielen Klimaschutz und Ressourceneffizienz in der Papierproduktion eine immer wichtigere Rolle.

Kernaussagen in Kürze:
  • Mit einem Produktionsvolumen von mehr als 21 Millionen Tonnen, knapp 13 Milliarden Euro Jahresumsatz und fast 40.000 Mitarbeitern ist die deutsche Papierindustrie europaweit führend.
  • Auch hinsichtlich der Recyclingquote von Papier ist die Bundesrepublik vorne mit dabei.
  • Die Corona-Pandemie belastet jedoch die Branche, zudem bereiten ihr einige politische Vorhaben wie der geplante CO2-Grenzausgleich Sorgen.
Zur detaillierten Fassung

Als die Welt vor eineinhalb Jahren wegen Corona in den ersten Lockdown ging, gab es schnell die ersten Erkenntnisse über länderspezifische Besonderheiten: Während die Franzosen Wein hamsterten, fehlte es hierzulande in Supermärkten und Drogerien plötzlich an Toilettenpapier. Spätestens in diesem Augenblick war klar, dass selbst so etwas auf den ersten Blick Banales wie Klopapier ein endliches Gut mit komplexen Lieferketten und Produktionsprozessen ist.

Toilettenpapier, Papiertaschentücher und Co. – zusammengefasst als Hygienepapier – machen allerdings nur einen kleinen Teil der Papierproduktion aus (Grafik):

Im Jahr 2020 produzierten Unternehmen in Deutschland Produkte aus Papier, Karton und Pappe mit einem Gewicht von mehr als 21 Millionen Tonnen, doch nur 7 Prozent davon entfielen auf Hygienepapiere.

So viele 1.000 Tonnen dieser Produkte aus Papier, Karton und Pappe produzierten Unternehmen im Jahr 2020 in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Weit über die Hälfte der Produktion machten Verpackungen aus und deutlich mehr als ein Viertel grafisches Material – also beispielsweise Papier für den Zeitungs- oder Fotodruck.

Deutsches Exportgut Papier

Mehr als die Hälfte der deutschen Papierproduktion geht in den Export, zuletzt wurden 13 Millionen Tonnen ausgeführt – davon gut 85 Prozent ins übrige Europa. Dabei sind die Deutschen selbst vergleichsweise große Papiernachfrager: Der hiesige Verbrauch lag 2019 bei fast 19 Millionen Tonnen, das ist Rang vier weltweit. Mit Blick auf die heimische Produktion und den Exportanteil reichen die Materialien aus deutscher Produktion also nicht aus, um den eigenen Bedarf zu decken. Die Folge: Deutschland war 2019 weltweit das wichtigste Einfuhrland für Papier, Karton und Pappe.

Allerdings sind die Ein- und Ausfuhrzahlen mit Vorsicht zu genießen – als Land im Zentrum Europas ist Deutschland nämlich einerseits oft ein Ort, an dem Ware zwischengelagert wird; andererseits wird Papier von der deutschen Papierindustrie häufig weiterverarbeitet oder veredelt, also erst importiert und später in neuer Form oder Funktion wieder exportiert – was sich in der Handelsstatistik niederschlägt.

Mit einem Produktionsvolumen von zuletzt mehr als 21 Millionen Tonnen, knapp 13 Milliarden Euro Jahresumsatz und fast 40.000 Mitarbeitern ist die deutsche Papierindustrie europaweit führend.

Alles in allem geht der Branchenverband „Die Papierindustrie“ für das Jahr 2019 davon aus, dass 42,6 Millionen Tonnen Papier, Karton und Pappe auf Deutschlands Infrastruktursystemen transportiert wurden.

In diesem Zusammenhang geht es dann schnell auch um die Emissionen jener Lkw, die das Papier transportieren, und um den Umweltschutz insgesamt. Hier hat sich der Verband vor der Bundestagswahl deutlich positioniert und die umfassende Zulassung sogenannter Lang-Lkw gefordert sowie eine Aufstockung des zulässigen Gesamtgewichts für Laster. Beides, so das Argument der Interessenvertreter, könne helfen, die Transportemissionen der Branche zu reduzieren.

Kernthema Klimaschutz

Nicht nur mit Blick auf den Transport geht es in der Papierindustrie mittlerweile oft um Umwelt- und Klimaschutz. Schließlich ist die Branche energieintensiv, zudem wird im Produktions- und Recyclingprozess viel Wasser benötigt. Allerdings ist es in den vergangenen Jahren gelungen, hier kräftig einzusparen, so der Verband:

Im Jahr 1955 erforderte die Produktion einer Tonne Papier rund 8.200 Kilowattstunden Strom, heute sind es noch 2.600.

Noch positiver entwickelte sich der Wasserverbrauch in der Produktion – er hat sich von knapp 50 Litern pro Kilogramm auf unter neun Liter reduziert. Hinzu kommt, dass Holz, die wichtigste Papierzutat, ein nachwachsender Rohstoff ist – entsprechende Verpackungen sind also deutlich unproblematischer als Alternativen aus Kunststoff. Zudem geht es bei Verpackungen meist darum, den Inhalt zu schützen. Hier hat die Papierindustrie folgende Rechnung zur Hand: Wird ein Produkt – etwa ein Lebensmittel – auf dem Transportweg unbrauchbar, verursacht das im Schnitt das Fünf- bis Zehnfache des sogenannten Umweltaufwands, den eine sichere Verpackung verursacht hätte.

Die Industrie wehrt sich auch gegen den Vorwurf, dass sie für klimafeindliche Rodungen verantwortlich sein soll: Nur etwa 20 Prozent der weltweiten Holzernte würden überhaupt für Papier und Zellstoff genutzt. Und in Europa gibt es dafür vornehmlich sogenannte Wirtschaftswälder, in denen Holz nachhaltig produziert wird.

Die hiesige Papierindustrie ist zudem Mitglied bei gleich zwei großen internationalen Zertifizierungssystemen für nachhaltige Forstwirtschaft.

Im internationalen Kontext spielt die deutsche Papierindustrie mit ihren fast 40.000 Mitarbeitern und knapp 13 Milliarden Euro Jahresumsatz jedenfalls ganz vorne mit, europaweit ist sie ohnehin führend (Grafik):

Deutschland erreichte im Jahr 2019 – neuere internationale Zahlen liegen noch nicht vor – in der weltweiten Papierproduktion Rang vier hinter China, den USA und Japan.

Erzeugung von Papier, Karton und Pappe im Jahr 2019 in 1.000 Tonnen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Insgesamt fertigen die Papierhersteller rund um den Globus mittlerweile mehr als 3.000 Papier-, Karton- und Pappvarianten. Spezialpapier beispielsweise kann im Autobau eingesetzt werden, aber auch in der Medizin oder in der Weinherstellung, um den Rebensaft zu filtern.

Altpapier ist ein wichtiger Faktor

Den Rohstoff Papier zeichnet zudem aus, dass er gut zu recyceln ist. Tageszeitungen beispielsweise werden zum Teil auf 100 Prozent Altpapier gedruckt.

Deshalb ist es für die Papierindustrie immer auch zentral, wie viel Altpapier in einem Land gesammelt werden kann. Denn Holz ist nicht unbegrenzt verfügbar, Recycling entsprechend sinnvoll und kosteneffizient. Kein Wunder also, dass die vier weltgrößten Papierproduzenten auch jene Länder sind, die das meiste Altpapier einsammeln. Allerdings mit unterschiedlichen Quoten (Grafik):

China sammelte im Jahr 2019 mit rund 59 Millionen Tonnen etwa 54 Prozent des Gewichts seiner Neuproduktion als Altpapier wieder ein. Die USA und Deutschland kommen jeweils auf etwa 10 Prozentpunkte mehr, während Japan auf das Gewicht bezogen sogar mehr als drei Viertel der eigenen Papierproduktion als Altpapier einsammelt.

In diesen Ländern wurde weltweit im Jahr 2019 das meiste Altpapier zum Recycling gesammelt, in 1.000 Tonnen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Tatsächlich nutzt beispielsweise Deutschlands Papierindustrie sogar mehr Altpapier, als ihr aus dem eigenen Land zur Verfügung steht – es wird importiert. Im Ergebnis kommt Deutschland so auf eine Recyclingquote von 78 Prozent, Europa insgesamt auf immerhin 72 Prozent.

Pandemie belastet die Branche

Doch trotz dieser Recyclingquoten ist die aktuelle Lage der Papierindustrie alles andere als entspannt. Einer der Gründe ist – wie könnte es momentan anders sein – Corona. Denn die Pandemie hat das Papierangebot und die -nachfrage gehörig durcheinandergewirbelt.

So brach beispielsweise die Nachfrage nach Papier für Kopierer im Büro ein; gleichzeitig stieg der Bedarf an Versandverpackungen rapide an. Auf der Angebotsseite waren und sind Lieferketten und Produktionsprozesse auch in der Papierindustrie teils längerfristig gestört.

Aktuell gehen die Papierpreise jedenfalls durch die Decke, berichtete unlängst „Der Spiegel“. Auch Altpapier hat sich demnach drastisch verteuert. Gerade für Druckereien und Verlage – zwei Branchen, denen die Digitalisierung seit Längerem ohnehin zu schaffen macht – keine guten Nachrichten. Hinzu kommt, dass einige Papierhersteller in der Corona-Zeit kurzerhand die Produktion umgestellt haben: Sie produzieren nicht länger Papier, sondern Kartons. Der Versandhandel ist ein dankbarer Abnehmer, auch wenn die Politik diskutiert, ihn mit einer Paketsteuer zu belegen, um Wettbewerbsverzerrungen zulasten des stationären Handels zu reduzieren.

Andere politische Vorhaben bereiten der Papierindustrie selbst Sorgen. So hält sie wenig vom geplanten CO2-Grenzausgleich, der die inländische Produktion schützen soll, indem Importe zusätzlich besteuert werden, wenn im Ursprungsland mit mehr Emissionen produziert wurde. Der Mechanismus, so befürchtet die Papierindustrie, würde Handelskonflikte provozieren.

Stattdessen fordert die Industrie von der Politik Planungssicherheit, etwa mit Blick auf die Energiekosten. Gleichzeitig warnt sie davor, die Forstwirtschaft über Gebühr einzuspannen, um die EU-Klimaziele zu erreichen: Natürlich seien Bäume ein Kohlenstoffspeicher. Doch darüber dürfe nicht vergessen werden, dass Holz im Kontext der Dekarbonisierung auch immer dringender als nicht fossiler Rohstoff benötigt wird.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene