Erneuerbare Energien Lesezeit 3 Min.

Ökostrom boomt

Wind, Sonne, Wasser und Biomasse sorgten im ersten Halbjahr 2020 erstmals dafür, dass fast die Hälfte des Stromverbrauchs in Deutschland durch grünen Strom abgedeckt wurde. Doch der steigende Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz bedeutet auch, dass höhere Transport- und Speicherkapazitäten benötigt werden. Und hier hat Deutschland erheblichen Nachholbedarf.

Kernaussagen in Kürze:
  • Seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 ist der Grünstromanteil am Stromverbrauch kontinuierlich gestiegen, die Corona-Krise hat diese Entwicklung im ersten Halbjahr 2020 nochmals beschleunigt.
  • Durch den höheren Anteil an Ökostrom im Stromnetz werden mehr Speicherkapazitäten gebraucht. Der Ausbau erfolgt in Deutschland allerdings immer noch zu zögerlich.
  • Wichtig ist auch der überregionale Ausbau der Transportkapazitäten, um Regionen, die viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, mit Regionen zu verbinden, die diesen Strom verbrauchen.
Zur detaillierten Fassung

Viele Sonnentage und ein besonders windiger Februar haben im ersten Halbjahr 2020 dafür gesorgt, dass erstmals knapp die Hälfte des deutschen Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wurde. Damit legte der Anteil des Ökostroms zwischen Januar und Juni 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 6 Prozentpunkte zu. Der Ausbau der Erneuerbaren zeigt also Wirkung – seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 ist der Grünstromanteil am Stromverbrauch kontinuierlich gestiegen (Grafik):

Bereits im Jahr 2019 wurde das Ziel der Bundesregierung erreicht, den Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Strommix auf 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 zu erhöhen – bis 2030 soll der Anteil auf 65 Prozent steigen.

Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen am Bruttostromverbrauch in Deutschland in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Allerdings ist der Rekordanteil von Ökostrom in den vergangenen Monaten auch auf die Corona-Krise zurückzuführen: Vor allem die gesunkene Stromnachfrage der Industrie während des Lockdowns hat dazu geführt, dass zwischen März und Juni 2020 gut 15 Milliarden Kilowattstunden Strom weniger verbraucht wurden als im Vergleichszeitraum 2019. Doch auf die erneuerbaren Energien hatte dies kaum einen Effekt – zum einen wird der aus ihnen gewonnene Strom vorrangig ins Netz eingespeist, zum anderen sind die Erzeugungskosten für Ökostrom niedriger.

Zwischen März und Juni 2020 wurden gut 15 Milliarden Kilowattstunden Strom weniger verbraucht als im Vergleichszeitraum 2019. Doch auf die erneuerbaren Energien hatte dies kaum einen Effekt.

Die Stromerzeugung aus Kohle ging dagegen zuletzt deutlich zurück (Grafik):

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Stromerzeugung aus Braunkohle zwischen März und Juni 2020 um mehr als 40 Prozent eingebrochen, die Verstromung von Steinkohle sogar um gut 50 Prozent.

Um so viel Prozent hat sich die Stromerzeugung aus diesen Energieträgern zwischen März und Juni 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verändert Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Schon im vergangenen Jahr war ein Rückgang der Stromerzeugung aus Kohle zu erkennen. Dies lag zum einen an dem steigenden Anteil der Erneuerbaren im deutschen Stromnetz, gleichzeitig wurden aber auch emissionsärmere Gaskraftwerke durch höhere Preise im europäischen Emissionshandel und gesunkene Weltmarktpreise zu einer günstigeren Alternative.

Mehr Ökostrom durch Corona-Krise

Die Corona-Krise führt nun also dazu, dass der Strommarkt mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien zurechtkommen muss. Dies ist insofern interessant, als die Stromversorgung ganz im Sinne der Klimaschutzziele künftig ausschließlich mit grünem Strom sichergestellt werden soll. Welche Erkenntnisse lassen sich also aus den vergangenen Monaten gewinnen? Eine Entwicklung ist hier besonders zu beachten:

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Nutzung von Pumpspeicherkraftwerken zwischen März und Juni 2020 um mehr als 20 Prozent gestiegen.

Durch den höheren Anteil an Ökostrom im Stromnetz werden also mehr Speicherkapazitäten gebraucht. Das erscheint logisch: Solar- und Windenergie unterliegen schließlich wetterabhängigen Schwankungen. Nur durch Speicher ist eine dauerhafte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auch an wind- und sonnenarmen Tagen möglich – ohne die derzeit noch unverzichtbaren fossilen Kraftwerke. Der Ausbau erfolgt in Deutschland allerdings immer noch zu zögerlich: Pumpspeicherkraftwerke sind bislang die einzige Form, Energie im großen Maßstab zu speichern und kurzfristig zur Verfügung zu stellen.

Ausbau der Transportkapazitäten nötig

Dennoch schreitet in vielen Sektoren die Umstellung auf strombasierte Technologien voran – zum Beispiel im Wärme- und Verkehrssektor. Auch die Herstellung von klimafreundlichem Wasserstoff hängt unmittelbar von der Verfügbarkeit großer Mengen erneuerbaren Stroms ab. Sollte der Anteil an klimaneutralem Grünstrom im deutschen Netz also weiter zunehmen, muss der steigende Bedarf an Speicherkapazitäten stärker berücksichtigt werden.

Genauso wichtig ist der überregionale Ausbau der Transportkapazitäten, um Regionen, die viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, mit Regionen zu verbinden, die diesen Strom verbrauchen.

All dies gilt umso mehr, als die Bundesregierung den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien weiter ankurbeln will. Helfen sollen dabei die geplante EEG-Novelle und das im August 2020 beschlossene Innovationsbeschleunigungsgesetz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Es soll Planungsverfahren vorantreiben, zum Beispiel beim Bau von Windenergieanlagen. Ansonsten wird es für die Bundesregierung trotz aller Fortschritte schwierig, das für 2030 angepeilte Ziel eines Grünstromanteils von 65 Prozent zu erreichen.

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