Emissionen Lesezeit 5 Min.

Das Klima braucht mehr als eine Pause

Durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Rückgang von Produktion und Konsum sinken weltweit die Treibhausgasemissionen. Das verschafft dem Klima für den Moment zwar eine Verschnaufpause – nachhaltig ist dieser Effekt allerdings nicht. Ein Blick auf den Stromsektor zeigt, dass langfristige Investitionen erfolgversprechender sind, um die Emissionen dauerhaft zu senken.

Kernaussagen in Kürze:
  • Zwar verschafft die Corona-Krise dem Klima für den Moment eine Verschnaufpause – nachhaltig ist dieser Effekt allerdings nicht.
  • Durch den Zubau der Erneuerbaren und den europäischen Emissionshandel konnten 2019 rund 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden - das entspricht fast dem Doppelten der Einsparungen zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise 2009.
  • Für den Industriesektor wäre vor allem die Umstellung der Prozesse auf klimaneutralen Wasserstoff sinnvoll, in der Stahlproduktion könnten die Emissionen so um bis zu 95 Prozent reduziert werden
Zur detaillierten Fassung

Die Ausbreitung des Coronavirus hat die Wirtschaft vielerorts schwer getroffen oder sogar zum kompletten Produktionsstopp gezwungen. Dadurch sind auch der Energieverbrauch und die Emissionen gesunken – und zwar so deutlich, dass die Bundesregierung ihr für 2020 festgesetztes Klimaziel nun doch noch erreichen kann: die Emissionen in Deutschland gegenüber 1990 um mindestens 40 Prozent zu senken. Das mag auf den ersten Blick positiv erscheinen, allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die Emissionen nach Ende der aktuellen Wirtschaftskrise wieder nach oben klettern werden. Zudem macht auch die Entwicklung klimafreundlicher Technologien eine Pause, wodurch langfristig sogar negative Folgen für den Klimaschutz zu erwarten sind. Auch durch die Liquiditätsengpässe von Unternehmen drohen derartige Investitionen zurückgestellt zu werden.

Klimafreundliche Technologien sind nachhaltiger

Dabei sind gerade Investitionen in innovative, klimafreundliche Technologien der Schlüssel für eine erfolgreiche Klimapolitik.

Dies zeigt der Blick auf den Stromsektor, der 2018 einen Anteil von 31 Prozent an Deutschlands Treibhausgasemissionen hatte. Im Zuge der Corona-Maßnahmen ist derzeit durch einen geringeren Strombedarf in der Industrie ein deutlicher Rückgang beim Stromverbrauch erkennbar, der auch durch einen leicht erhöhten Bedarf der privaten Haushalte nicht wettgemacht wird. Während der letzten Wirtschaftskrise im Jahr 2009 war ein ähnlicher Rückgang des Stromverbrauchs zu beobachten, wodurch insgesamt 29 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente weniger ausgestoßen wurden. Allerdings stiegen mit dem Stromverbrauch auch die Emissionen im Folgejahr wieder deutlich an.

Viel effektiver für den Klimaschutz waren daher die zielgerichteten Maßnahmen der vergangenen Jahre, in denen sich der Anteil der erneuerbaren Energien deutlich erhöht hat (Grafik):

Die CO2-Emissionen des deutschen Stromsektors nahmen im Jahr 2019 um 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und damit um knapp 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ab.

Um so viel Prozent haben sich die Treibhausgasemissionen der deutschen Stromerzeugung im Vergleich zum Vorjahr verändert Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Gerade im vergangenen Jahr konnten die Emissionen des Stromsektors durch den starken Zubau der erneuerbaren Energien und den europäischen Emissionshandel deutlich gesenkt werden. Damit verursachte eine Kilowattstunde Strom im Jahr 2019 rund 30 Prozent weniger CO2 als noch vor zehn Jahren.

Dies führt allerdings auch dazu, dass in der gegenwärtigen Corona-Krise – anders als in der Wirtschaftskrise 2009 – von einem deutlich geringeren Einfluss der gesunkenen Stromnachfrage auf die Treibhausgas-emissionen auszugehen ist:

Ein vergleichbarer Rückgang der Stromnachfrage würde nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft nur noch 14 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen – und somit einen halb so großen Effekt haben wie 2009.

Deshalb sollte Deutschland weiterhin auf umfangreiche Investitionen in die erneuerbare Stromversorgung setzen – auch, um das Klimaschutzziel für das Jahr 2030 zu erreichen: die Emissionen im Energiesektor im Vergleich zu 1990 um mehr als 60 Prozent zu reduzieren. Dafür sind neben dem Ausbau der Wind- und Solarenergie vor allem zusätzliche Investitionen in Netz- und Speicherkapazitäten nötig, sodass die Versorgungssicherheit auch bei geringer Wind- und Sonnenverfügbarkeit gewährleistet werden kann.

Weniger Emissionen durch Strom im Industriesektor

Es gibt jedoch noch andere Sektoren mit großem Einsparpotenzial – wie den Industriesektor, der für 23 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist (Grafik):

Den Klimaschutzzielen der Bundesregierung zufolge sollen sich die Emissionen in der Industrie bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 halbieren.

Treibhausgasemissionen in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Industriesektor ist damit noch viel zu tun. Laut der Deutschen Emissionshandelsstelle entfielen 2018 rund 93 Prozent der handelspflichtigen Emissionen im Industriesektor auf die Bereiche Eisen und Stahl, Chemie und Raffinerien sowie Minerale. Durch eine Elektrifizierung, also eine Umstellung von Prozessen und Technologien auf den Einsatz von Strom, lassen sich jedoch gerade im Industriesektor umfassende Mengen an CO2 einsparen. Voraussetzung dafür ist, dass der eingesetzte Strom klimaneutral erzeugt wird – zum Beispiel durch Wind- oder Solarenergie. Die Elektrifizierung kann allerdings nicht in allen Bereichen zur Vermeidung von Treibhausgasen eingesetzt werden, denn in Branchen wie der Stahl- oder Chemieindustrie wird man auch zukünftig auf den Einsatz chemischer Energieträger angewiesen sein. Eine Alternative zu klimaschädlichen fossilen Brennstoffen ist daher klimaneutraler Wasserstoff.

Die Stahlproduktion basiert größtenteils auf dem Einsatz von Kohle – durch eine Umstellung auf klimaneutralen Wasserstoff könnten die Emissionen um bis zu 95 Prozent reduziert werden.

Neben der Stahlerzeugung werden vor allem in der chemischen Industrie große Mengen Wasserstoff als Grundstoff benötigt: Die Metallindustrie, Chemie und Raffinerien haben gegenwärtig einen Anteil von etwa 99 Prozent am globalen Wasserstoffbedarf.

Wasserstoff hat viel Potenzial

Mithilfe von Wasserstoff könnten künftig auch klimaneutrale Chemikalien und synthetische Brennstoffe erzeugt werden – beispielsweise für den Straßenverkehr. Für eine CO2-freie Anwendung muss dieser mithilfe von grünem Strom per Elektrolyse – so bezeichnet man die Aufspaltung von Wassermolekülen – erzeugt werden. Dieser Prozess braucht allerdings viel Energie – was den Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energien in die Höhe treibt. Zudem setzt die Nutzung von Wasserstoff in großen Mengen umfangreiche Investitionen in die Erzeugung, den Transport und die Speicherinfrastruktur voraus

Trotz aller Möglichkeiten, CO2 einzusparen, gibt es eine Reihe von Emissionen, die bei der Fertigung einzelner Produkte anfallen – und nicht durch Verbrennungsprozesse zur Strom- oder Wärmeerzeugung. Etwa 70 Prozent davon kommen aus den Bereichen Chemie, Minerale und Metalle, weshalb dort zusätzliche technische Lösungen nötig sind, um einen klimafreundlichen Betrieb zu ermöglichen.

Zum Beispiel entsteht über die Hälfte der Emissionen der Zementproduktion bei der Gewinnung des Zementklinkers aus Kalkstein – dieser Emissionsanteil ist damit unabhängig vom Energiebedarf, der durch erneuerbaren Strom oder Wasserstoff gedeckt werden könnte.

Auf dem Weg zu einer weitgehenden Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 kann es durch diese schwer vermeidbaren Emissionen notwendig werden, CO2 in Prozessen aufzufangen, zu speichern oder in Produkten wie Kunststoff langfristig zu binden.

Auf diese Weise kann auch klimaneutraler Wasserstoff aus konventionellen Energieträgern wie Erdgas erzeugt werden, um diesen als CO2-neutralen Energieträger einzusetzen. Für eine klimafreundliche Zukunft im Industriesektor ist neben der Stromversorgung somit vor allem der Aufbau weiterer Infrastruktur – beispielsweise zu Transport- und Speicherzwecken von Wasserstoff – notwendig.

Das könnte Sie auch interessieren

Meistgelesene