Neues Finanzierungsmodell für den Nahverkehr
Die Ballungsregionen brauchen neue Wohnungen, auch abseits der Zentren. Um dabei nicht neuen Individualverkehr auszulösen, ist eine gute ÖPNV-Anbindung des Umlandes notwendig, aber teuer. Finanzierungspotenzial hierfür bieten die durch eine gute Anbindung höheren Grundstückspreise.
- Da viele Menschen in Deutschland in die Ballungsräume ziehen, braucht es neue Quartiere. Diese müssen schon vor dem Bezug der ersten Wohnungen an den ÖPNV angebunden sein.
- Um die Investitionen in den Nahverkehr zu refinanzieren, bieten sich bei Neubauten beispielsweise die Wertzuwächse der Grundstückspreise durch die gute Anbindung an.
- Die Kommune oder der Bauträger muss jedoch die Chance haben, die Grundstücke vor der Bodenwertsteigerung zu kaufen.
Deutschlands Ballungsregionen ziehen immer mehr Menschen an. Um den Bedarf zu decken, braucht es neue Quartiere, auch im Umland. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass der Flächenverbrauch steigt (siehe: „Mit Zertifikaten gegen den Flächenverbrauch“) und noch mehr Autos die Städte verstopfen und für schlechte Luft in den Zentren sorgen.
Wichtig ist daher, dass ein Stadtquartier gut an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angeschlossen ist, und zwar bevor die ersten Wohnungen bezugsfertig sind. Ansonsten kaufen sich die neuen Bewohner möglicherweise ein zweites Auto, das sie dann weiter nutzen, auch wenn der ÖPNV-Anschluss fertiggestellt ist.
Doch neue Strecken, vor allem für den umweltfreundlichen Schienenverkehr, sind teuer. Schätzungen zufolge kostet ein Streckenkilometer Schiene etwa 15 Millionen Euro.
ÖPNV-Anbindung steigert Immobilienpreise
Um diese Investitionen zu refinanzieren, bieten sich bei Neubauten beispielsweise die Wertzuwächse der Grundstückspreise an. Denn eine gute ÖPNV-Anbindung lässt die Immobilienpreise in der Umgebung steigen, wie eine neue Studie des IW am Beispiel der Städte Köln, Karlsruhe und Stuttgart zeigt.
So ist in Köln eine Verkürzung der Reisezeit um zehn Minuten zum Hauptbahnhof mit einer Wertsteigerung von etwa 3 Prozent des Immobilienwerts verbunden.
Wie hoch genau das Finanzierungspotenzial durch gestiegene Immobilienpreise beim ÖPNV-Ausbau ausfällt, zeigt sich, wenn man den durchschnittlichen Preis einer Immobilie in seine Bestandteile zerlegt (Grafik):
Eine Verkürzung der Reisezeit zum Kölner Hauptbahnhof von 80 auf 40 Minuten führt bei einer Neubau-Musterwohnung zu einem Preisaufschlag von 500 Euro pro Quadratmeter gegenüber baugleichen Objekten in ähnlichen Lagen ohne ÖPNV-Anbindung.
Bei einer Neubausiedlung mit 1.500 Wohnungen à 100 Quadratmeter Wohnfläche ergibt sich somit ein Finanzierungspotenzial von insgesamt etwa 75 Millionen Euro. Damit könnte eine etwa fünf Kilometer lange Straßenbahnschiene gebaut werden.
Wichtig ist, dass ein Stadtquartier gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen ist, und zwar bevor die ersten Wohnungen bezugsfertig sind.
Um den Wertzuwachs als Finanzierungspotenzial nutzen zu können, muss die Kommune oder der Bauträger jedoch die Chance haben, die Grundstücke vor der Bodenwertsteigerung zu kaufen.
In Japan wird das häufig schon so praktiziert: Dort kauft die Bahngesellschaft Grundstücke für die neue Strecke sowie umliegendes Bauland. Nach der Fertigstellung des Bahnhofs kann die Bahn die umliegenden, nun wertvolleren Grundstücke an Projektentwickler zu einem höheren Preis verkaufen – und querfinanziert so den Bau der Bahnstrecke.