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Mit Zertifikaten gegen den Flächenverbrauch

Deutschland verbraucht jeden Tag viel Land für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen. Ein Handel mit Zertifikaten könnte helfen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Fast 60 Hektar Boden werden in Deutschland jeden Tag verbraucht. Ab 2020 sollen es laut Nationaler Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung nur noch 30 Hektar sein.
  • Ein Zertifikate-Handel könnte helfen, den Verbrauch zu verringern, wie ein Modellversuch des Umweltbundesamtes und des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt.
  • Vom Handel mit Flächenzertifikaten profitieren auch schrumpfende Regionen. Denn sie können ungenutzte Zertifikate sowie durch Rückbau gewonnene Zertifikate an andere Kommunen verkaufen.
Zur detaillierten Fassung

Fast 60 Hektar Boden – mehr als 80 Fußballfelder – werden in Deutschland jeden Tag verbraucht: für neue Häuser, für Gewerbe- und Bürogebäude, für Straßen, Plätze, Zugstrecken und Flughäfen. Zwar ist der Flächenverbrauch zuletzt gesunken, doch nicht genug (Grafik):

Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung sieht vor, dass ab 2020 nur noch 30 Hektar Fläche täglich verbraucht werden – also etwa die Hälfte dessen, was heute verbaut wird.

Täglicher Bodenverbrauch in Deutschland für Siedlungs- und Verkehrsflächen in Hektar Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Gründe für das Eindämmen des Flächenverbrauchs gibt es genug: Rund die Hälfte aller Siedlungs- und Verkehrsflächen ist versiegelt. Zudem steht dieser Boden nicht mehr für andere Nutzungen zur Verfügung – für die Landwirtschaft, den Hochwasserschutz, für versickerndes Oberflächenwasser, für Wildtiere und Insekten sowie für Menschen, die sich in der Natur erholen wollen.

Andererseits ist Wohnraum vielerorts knapp. Und weil das auch der Großen Koalition klar ist, hat sie 2018 zugesagt, innerhalb von vier Jahren 1,5 Millionen neue Wohnungen zu schaffen.

Um den Flächenverbrauch in Deutschland einzudämmen, bietet sich ein Handel mit Flächenzertifikaten an.

Aber wie verträgt sich das mit weniger Flächenverbrauch, für den zu rund zwei Drittel die Städte und Gemeinden als Genehmigungsinstanz verantwortlich sind? Ein vom Umweltbundesamt initiierter Modellversuch, den das Institut der deutschen Wirtschaft geleitet hat, zeigt eine mögliche Lösung: den Handel mit Flächenzertifikaten.

Dabei erhält jede Kommune jährlich und kostenlos – abhängig von der Einwohnerzahl – Zertifikate für Bauland. Will sie bisher ungenutzte Flächen als Bauland nutzen, muss die Gemeinde dafür ein Zertifikat einlösen. Hat sie zu wenig, kann sie zusätzliche Zertifikate von Gemeinden, die wiederum zu viele haben, kaufen. Zudem können Kommunen sogenannte weiße Zertifikate schaffen, indem sie Rückbaumaßnahmen vornehmen.

Weil das Ausweisen von neuem Bauland aufgrund der Flächenzertifikate mit höheren Kosten verbunden ist, wird es attraktiver, den vorhandenen Siedlungsbestand zu nutzen. Da Metropolen wie Köln kaum in die Fläche wachsen und aufgrund des Bevölkerungsschlüssels viele Zertifikate erhalten, wird der Flächenhandel hier kaum zu Veränderungen führen. In den stark wachsenden Kommunen in unmittelbarer Näher der Ballungsräume dürfte es dagegen zu intensiverer Nachverdichtung etwa durch Dachaufstockungen oder Anbauten kommen.

Zertifikate für Rückbau

Vom Handel mit Flächenzertifikaten profitieren aber auch schrumpfende Regionen. Denn sie können ungenutzte Zertifikate sowie durch Rückbau gewonnene weiße Zertifikate an Kommunen verkaufen, die besonders viel Bauland ausweisen wollen – und das eingeworbene Geld in die eigene Infrastruktur sowie in die Aktivierung von Brachflächen und Leerständen investieren.

Auch der Neubau von 1,5 Millionen neuen Wohnungen ließ sich im Modellversuch mit einem täglichen Flächenverbrauch von 30 Hektar vereinbaren – vorausgesetzt, es werden nicht nur Einfamilienhaussiedlungen auf dem Land, sondern auch gut angebundene neue Stadtquartiere mit mindestens dreistöckigen Mehrfamilienhäusern in den Ballungsräumen errichtet.

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