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Mittelstand: Gemeinsam geht’s besser

Kooperationen mit jungen Firmen können etablierten mittelständischen Unternehmen unter anderem helfen, ihre Innovationsfähigkeit zu steigern. Doch oft wird die Zusammenarbeit durch unterschiedliche Unternehmenskulturen erschwert oder gar verhindert. Mittelständische Betriebe und Gründer müssen folglich stärker aufeinander zugehen. Aber auch der Staat ist gefordert.

Kernaussagen in Kürze:
  • Mittelständische Unternehmen können von Kooperationen mit Start-ups profitieren.
  • Zu den Hürden, die solche Kooperationen erschweren oder verhindern, zählen unterschiedliche Unternehmenskulturen sowie fehlende räumliche Nähe.
  • Um diese Hürden zu überwinden, sollten die Unternehmen verstärkt Kooperationsplattformen nutzen. Aber auch der Staat kann helfen, indem er die digitale Infrastruktur ausbaut und weitere Rahmenbedingungen verbessert.
Zur detaillierten Fassung

Jedes Unternehmen kämpft für sich allein – dieses Bild von einem knallharten Wettbewerb ist so plakativ wie falsch. Denn die Potenziale, die neue Technologien und vor allem die Digitalisierung bergen, lassen sich besser ausschöpfen, wenn Firmen zusammenarbeiten. Der Mittelstand kann gerade von Kooperationen mit digitalen Start-ups profitieren, wie eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.

Statistische Auswertungen, aber auch ausführliche Interviews mit mittelständischen Unternehmern, Start-up-Gründern und Experten aus Verbänden belegen, dass Mittelständler, die sich mit Start-ups vernetzen, oft schneller in der Lage sind, neue Produkte und Prozesse zu entwickeln. So können Start-ups jenes Know-how beisteuern, das etablierte Firmen zur Umsetzung von Industrie-4.0-Technologien benötigen. Denn durch die vollständige Digitalisierung der Wertschöpfungsketten im Rahmen der Industrie 4.0 verwischen die Grenzen zwischen klassischer industrieller Fertigung und Dienstleistungen immer mehr. Und insbesondere in diesem Grenzbereich sind zahlreiche Start-ups aktiv.

Den Gründern wiederum bietet die Zusammenarbeit mit den etablierten Firmen die Chance, von deren Erfahrungen in der Produkt-entwicklung und Prozesssteuerung zu lernen und zusätzliche Aufträge zu erlangen.

Eine Win-win-Situation also. Dennoch ist in der Praxis in Sachen Kooperationen noch Luft nach oben, wie eine vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn für den Bundesverband der Deutschen Industrie durchgeführte Befragung zeigt (Grafik):

Im Jahr 2018 hat lediglich knapp jedes zweite der meist mittelständischen Familienunternehmen in Deutschland mit Start-ups kooperiert.

So viel Prozent der Familienunternehmen in Deutschland haben im Jahr 2018 mit Start-ups kooperiert Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Von den kleineren Familienbetrieben mit weniger als 250 Mitarbeitern gab sogar nur jeder dritte an, mit Start-ups zusammenzuarbeiten.

Diejenigen Familienunternehmen, die mit jungen Gründern kooperierten, taten dies vor allem, um neue Technologien zu erschließen, die Digitalisierung ihres Betriebs zu gestalten und/oder neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Und das funktioniert anscheinend auch, zumindest gibt es bei jenen Unternehmen, die sich auf die Kooperation einlassen, kaum lange Gesichter (Grafik):

Annähernd 70 Prozent der Familienunternehmen, die im Jahr 2018 mit Start-ups kooperierten, waren mit der Zusammenarbeit zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Lediglich 3 Prozent gaben ein negatives Urteil ab.

So viel Prozent der Familienunternehmen in Deutschland waren mit ihren Kooperationen mit Start-ups im Jahr 2018 zufrieden bzw. unzufrieden Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Doch warum kooperieren trotz der augenscheinlichen Vorteile nicht noch mehr mittelständische Betriebe mit jungen Firmen? Ein grundlegendes Problem ist sicherlich, in der internationalen und dynamischen Start-up-Landschaft überhaupt geeignete Kooperationspartner auszumachen. Vor allem aber wirkt sich offenbar negativ aus, dass Mittelständler und Start-ups unterschiedlich ticken (Grafik):

Fast die Hälfte jener Familienunternehmen, die bereits mit Start-ups zusammengearbeitet haben, empfand die unterschiedlichen Unternehmenskulturen als Hindernis.

So viel Prozent der deutschen Familienunternehmen nannten im Jahr 2018 folgende (potenzielle) Probleme in der Zusammenarbeit mit Start-ups Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dabei dürfte unter anderem eine Rolle spielen, dass die Hierarchien in Start-up-Firmen sehr flach sind. Zudem ändern sie bei Bedarf auch kurzfristig ihren geschäftlichen Kurs, während sich Familienbetriebe durch langfristig etablierte Strukturen und Arbeitsweisen auszeichnen.

Der Mittelstand profitiert von Kooperationen mit Start-ups – die Zusammenarbeit wird jedoch durch unterschiedliche Unternehmenskulturen erschwert.

Außerdem sind die etablierten Mittelständler stark in ihrem oft ländlich strukturierten Umfeld verankert. Dies steht in hartem Kontrast zu den typischen Start-up-Gründern – Digital Natives, die in den Großstädten leben und deren Denken und Verhalten stark durch US-amerikanische Vorbilder beeinflusst wird. Die fehlende räumliche Nähe zwischen Mittelstands- und Start-up-Clustern führt aber auch dazu, dass persönliche Kontakte nicht so leicht geknüpft werden können, was die Entstehung gemeinsamer Netzwerke erschwert.

Nicht zuletzt sind Start-up-Gründer im Schnitt 35 Jahre alt, während die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmer die 50 deutlich überschritten hat. Das kann zu markant unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen führen.

Darüber hinaus unterscheiden sich etablierte Unternehmen und Start-ups oft auch durch ihr Innovationsverhalten. Denn während Letztere auf komplett neue Technologien und Geschäftsmodelle setzen, stellen Mittelständler eher auf kontinuierliche Verbesserungen ihrer Produkte und Prozesse ab, die oft gemeinsam mit den Kunden erarbeitet werden. Doch dieses Vorgehen eignet sich kaum, um Industrie-4.0-Technologien mit der nötigen Geschwindigkeit einzuführen.

Doch wie lassen sich die bestehenden Hürden überwinden? Das IW und im Rahmen der Studie befragte Experten geben unter anderem diese Empfehlungen:

  • Kooperationsplattformen verstärkt nutzen. Digitale Kooperationsplattformen wie Alphazirkel oder start.connect erleichtern die Vernetzung. Auch die Verbände werden immer stärker aktiv, um Kooperationen zwischen jungen und etablierten Firmen zu fördern. Die Industrie- und Handelskammern haben gemeinsam mit den Auslandshandelskammern 60 entsprechende Matching-Formate und -Initiativen ins Leben gerufen. Darunter sind auch sogenannte Pitches, in denen sich Start-ups mittels kurzer Präsentationen vorstellen.

Außerdem können Unternehmensberatungen von Mittelständlern beauftragt werden, geeignete Start-up-Partner zu finden. Hinzu kommen klassische Formate wie Messen, die für die persönliche Begegnung wichtig sind.

  • Digitale Infrastruktur ausbauen. Wollen Unternehmen zum Beispiel in der Produktentwicklung kooperieren, braucht es sehr hohe Bandbreiten für den Datenaustausch zwischen den Partnern. Doch selbst in den urbanen Zentren klappt dies noch nicht reibungslos – von den löchrigen Funknetzen und fehlenden Glasfaserleitungen in ländlichen Regionen gar nicht zu reden. Hier muss die Politik aufs Tempo drücken.
  • Rahmenbedingungen für Kooperationen verbessern. Die vom IW interviewten Experten fordern unter anderem verstärkte Gründungsschulungen während des Ingenieursstudiums. Zudem sollten bürokratische Hürden bei der Unternehmensgründung abgebaut werden. Diese Maßnahmen würden dazu beitragen, die Start-up-Szene in Deutschland als potenziellen Kooperationspartner für den Mittelstand zu stärken. Ferner plädieren die befragten Fachleute für staatliche Finanzierungsmaßnahmen, mit denen Kooperationsforschung und -plattformen gefördert werden.

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