Hidden Champions: Die Starken aus der zweiten Reihe
Deutschland ist das Land der Hidden Champions, vor allem im Industriesektor gibt es viele heimliche Weltmarktführer. In der heraufziehenden Energie- und Wirtschaftskrise könnte die Bedeutung dieser großen Mittelständler, deren Kennzeichen eine starke globale Marktstellung ist, noch zunehmen.
- Im Jahr 2020 wies Deutschland mit annähernd 1.600 fast die Hälfte der weltweit circa 3.400 Hidden Champions auf.
- In der aktuellen Krisensituation könnte das ein Stabilitätsanker der hiesigen Wirtschaft sein.
- Fast ein Viertel der heimlichen Stars sind kleine und mittlere Unternehmen mit maximal 250 Beschäftigten.
Unternehmen mit einem hohen Gas- oder Strombedarf stehen derzeit stark unter Druck, dies betrifft vor allem die Industrie. Nur wenige Unternehmen können diese Kostenexplosion vollständig oder weitgehend an ihre Kunden weitergeben. Inwieweit dies grundsätzlich möglich ist, hängt stark von der Marktstellung ab: Hat ein Unternehmen eine führende Marktposition und ist zudem in Produktion wie Absatz international aufgestellt, kann es die aktuelle Krise deutlich besser abfedern. Am besten können dies die sogenannten Hidden Champions – dies sind zumeist große Mittelständler, die der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind, aber in ihrer Branche zu den drei wichtigsten auf dem Weltmarkt zählen (Grafik):
Im Jahr 2020 wies Deutschland mit annähernd 1.600 fast die Hälfte der weltweit circa 3.400 Hidden Champions auf. In der aktuellen Krisensituation könnte das ein Stabilitätsanker der hiesigen Wirtschaft sein.
Von 2015 bis 2020 ist die Zahl der deutschen Hidden Champions um ein Fünftel gewachsen, obwohl die Globalisierung insgesamt in diesem Zeitraum eher ins Stocken geraten ist. Bei den Hidden Champions handelt es sich meist um traditionsreiche Familienunternehmen: Viele sind bereits über 100 Jahre am Markt, das Durchschnittsalter der Betriebe liegt bei rund 70 Jahren.
Weitere wichtige Standorte dieses Unternehmenstyps sind den Untersuchungen Hermann Simons zufolge – der BWL-Professor und Wirtschaftsberater prägte den Begriff – die USA mit 350 und Japan mit 283 Hidden Champions. Je Einwohner gerechnet sind es jedoch die mitteleuropäischen Nachbarn Österreich und Schweiz mit jeweils 171 derartigen Unternehmen, die zusammen mit Deutschland an der Spitze liegen:
Auf die drei deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz entfallen 56 Prozent der weltweiten Hidden Champions.
Ursache für diese räumliche Konzentration könnten die besonderen kulturellen Gegebenheiten der drei Länder sein. Sie hatten schon immer einen hohen Anteil an Familienunternehmen und internationalisierten sich bereits im 19. Jahrhundert, als beispielsweise Deutschland noch in Kleinstaaten mit vielen verschiedenen Wirtschaftszentren gegliedert war.
Die Umsatz-Obergrenze für Hidden Champions wurde entsprechend der Marktentwicklung mehrfach angehoben. Der durchschnittliche Umsatz der deutschen Hidden Champions liegt nach Analysen von Hermann Simon bei 467 Millionen Euro pro Jahr. Die geringe Bekanntheit als Kriterium für „Hidden“ ergibt sich daraus, dass üblicherweise nicht der Endkonsument Abnehmer der Produkte ist – Haribo ist beispielsweise ein erfolgreicher großer Mittelständler, aber kein Hidden Champion.
Von 2015 bis 2020 ist die Zahl der deutschen Hidden Champions um ein Fünftel gewachsen, obwohl die Globalisierung insgesamt in diesem Zeitraum eher ins Stocken geraten ist.
Der Zahnbürstenhersteller M+C Schiffer aus Neustadt/Wied bei Bonn ist hier eine Ausnahme, denn anders als bei Gummibärchen achtet kaum ein Konsument darauf, wer seine Zahnbürste produziert hat. Während rein definitorisch die Zugehörigkeit zu den Top 3 „reicht“, sehen sich sogar 35 Prozent der deutschen Hidden Champions als die globale Nummer eins.
Ein Blick auf die Mitarbeiterzahl der deutschen Hidden Champions zeigt eine breite Streuung (Grafik):
Fast ein Viertel der heimlichen Stars sind – zumindest nach Belegschaftsgröße – kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten.
Weitere knapp 18 Prozent erfüllen das traditionelle deutsche Mittelstandskriterium und weisen weniger als 500 Mitarbeiter auf. Als „echte“ Großunternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten zählen knapp 42 Prozent der identifizierten Hidden Champions. Insgesamt beschäftigen die 1.573 in Deutschland ansässigen Hidden Champions weltweit über 3,5 Millionen Mitarbeiter.
Der Großteil der Hidden Champions stammt aus dem Verarbeitenden Gewerbe
Kerngebiet der deutschen Hidden Champions ist das Verarbeitende Gewerbe, zu dem mehr als 80 Prozent der betreffenden Unternehmen zählen. Der Maschinenbau dominiert einer Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zufolge mit gut 22 Prozent Anteil vor dem Elektronikbereich mit einem Zehntel der Firmen.
Die geringe Präsenz dieser kleinen Global Player in den Dienstleistungen sowie neuen Technologien außerhalb der Industrie wie Softwareentwicklung und digitalen Plattformen ist ein Wermutstropfen in der Erfolgsstory. Durch die wachsende Start-up-Aktivität in Deutschland beginnt sich dies allerdings schrittweise zu ändern: So sind Unternehmen wie TeamViewer aus Göppingen oder DeepL aus Köln mit ihrer Fernwartungssoftware beziehungsweise KI-gestützten Übersetzungssoftware inzwischen ebenfalls weltweit präsente Hidden Champions, die nur durch ihre wachsende Bekanntheit – oder eine mögliche Übernahme durch einen Großkonzern – „Gefahr laufen“, diesen Status zu verlieren.
Eine große Rolle für alle Hidden Champions spielt China. Denn es ist nahezu unmöglich, zu den drei Weltmarktführern zu zählen, ohne im einwohnerreichsten Land der Welt präsent zu sein und es als Absatz- sowie Produktionsstandort zu nutzen. Das durchschnittliche Umsatzwachstum der Hidden Champions von mehr als 8 Prozent pro Jahr wäre in den vergangenen 25 Jahren ohne den rasanten Aufstieg des Reichs der Mitte nicht möglich gewesen. Inzwischen ist China ein industrielles Schwergewicht und Exportweltmeister vor den USA und Deutschland, wobei die chinesischen Exporterfolge wiederum ohne deutsche Maschinen und Technologie – auch von Hidden Champions – kaum denkbar wären. Mit 97 Hidden Champions liegt China selbst im Ranking lediglich auf Platz acht.