Rente: Mit Freibetrag Lebensleistung anerkennen
Seit Jahren stehen verschiedene Grundrentenmodelle zur Diskussion, die bedürftigen Bundesbürgern ein würdiges Auskommen im Ruhestand garantieren sollen. Doch wer würde von einer Aufstockung der gesetzlichen Rente ohne Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse wirklich profitieren?
- Mit Bedürftigkeitsprüfung reduziert sich die Zahl der potenziell unterstützungsbedürftigen Rentner von 7,5 auf knapp 1,5 Millionen.
- Durch Freibeträge ließen sich die verfügbaren Einkommen wirklich bedürftiger Rentner deutlich erhöhen.
- Bei der Ausgestaltung des Freibetrags ist darauf zu achten, dass Personen mit Renten knapp über der Grundsicherungsschwelle nicht benachteiligt werden.
Die Motive klingen edel: Altersarmut bekämpfen und Lebensleistungen honorieren. Bei genauerer Betrachtung der Reformpläne – wie der von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagenen „Respekt-Rente“ – drängt sich jedoch schnell die Frage auf: Inwiefern würden Modelle ohne Bedürftigkeitsprüfung tatsächlich für einen gerechteren und zielgerichteten Schutz vor Altersarmut sorgen und welchen Effekt hätte der Verzicht auf eine Bedürftigkeitsprüfung?
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels zeigt: Betrachtet man nur die gesetzliche Rente ohne Prüfung weiterer Einkommensquellen, des Haushaltseinkommens und der Vermögensverhältnisse, dann hätten derzeit insgesamt 7,5 Millionen Personen eine eigene gesetzliche Rente unterhalb der Grundsicherungsleistungen – unabhängig von der Zahl der Beitragsjahre. Das wäre fast die Hälfte aller Rentner in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Von einer Rentenaufstockung ohne Bedürftigkeitsprüfung würde deshalb die teilzeitbeschäftigte Millionärsgattin ebenso profitieren wie eine bedürftige Krankenschwester oder Altenpflegerin.
Bedürftigkeitsprüfung ist unabdingbar
Unter Berücksichtigung der individuellen Einkommensverhältnisse, des gesamten Haushaltseinkommens sowie des selbst genutzten Wohneigentums verringert sich die Zahl der möglichen Rentenaufstocker jedoch drastisch (Grafik):
Mit Bedürftigkeitsprüfung reduziert sich die Zahl der potenziell unterstützungsbedürftigen Rentner von 7,5 auf knapp 1,5 Millionen – selbst dann, wenn man die Vermögensverhältnisse außer Acht lässt.
Demnach drohen – bei einem Verzicht auf die ausschließlich einkommensbezogene Bedürftigkeitsprüfung – bis zu 80 Prozent der Rentenaufstockungen fehladressiert zu werden. Sie würden Personen erreichen, die aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht als unterstützungsbedürftig einzustufen sind. Berücksichtigt man zusätzlich die Vermögensverhältnisse, würde sich diese Fehlquote noch weiter erhöhen.
Einkommen mit Freibeträgen aufstocken
Die Analyse unterstreicht die Notwendigkeit einer Bedürftigkeitsprüfung. Doch wie sollte diese ausgestaltet werden, um den wirklich bedürftigen Rentnern gezielt unter die Arme zu greifen und deren Lebensleistung auch in monetärer Form anzuerkennen?
Als Lösung bietet sich ein Freibetrag an. Der führt dazu, dass gesetzliche Renten und weitere Alterseinkünfte bis zu einer bestimmten Höhe bei der Bedürftigkeitsprüfung anrechnungsfrei bleiben.
Mit Freibeträgen lässt sich das verfügbare Einkommen wirklich bedürftiger Rentner deutlich erhöhen.
Bei einem Freibetrag von beispielsweise 200 Euro pro Monat, der für alle gesetzlichen Rentner eingeführt würde, sinkt die Zahl der bedürftigen Rentnerinnen und Rentner deutlich. Die Zahl der Rentnerhaushalte mit Anspruch auf Grundrente reduziert sich durch den Freibetrag von knapp 1,5 Millionen auf gut 900.000.
Allerdings würde sich durch den Freibetrag das verfügbare Einkommen der dann noch bedürftigen Rentner deutlich erhöhen, wie eine Beispielrechnung zeigt (Grafik):
Eine Rentnerin – ohne weitere Einkommen und Vermögen – mit einer gesetzlichen Rente von 424 Euro hat nach derzeitiger Gesetzeslage Anspruch auf Grundsicherung in Höhe von 366 Euro und damit ein Einkommen von insgesamt 790 Euro. Mit einem Freibetrag steigt ihr verfügbares Einkommen auf 987 Euro.
Freibeträge wären ein guter Weg, die Lebensleistung von Rentnern mit geringen Beitragszahlungen zu respektieren und zu honorieren.
Allerdings entstünde dadurch ein neues Problem: Alle, die mit ihrer Rente auch nur 1 Euro über der Grundsicherungsschwelle liegen, würden nicht vom Freibetrag profitieren und hätten deshalb weniger als jene, die einen Teil ihrer Alterseinkommen anrechnungsfrei behalten dürfen.
Unabhängig davon bleibt offen, wie das Problem der verschämten Altersarmut gelöst werden kann, also das Phänomen, dass ein Teil der bedürftigen Rentner die ihnen zustehenden Leistungen aus Scham nicht abruft. Deshalb sollte die Bedürftigkeitsprüfung so gestaltet werden, dass sie als würdevoll empfunden wird.