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Mehr Deutschstunden in Grundschulen nötig

Bildungspolitik ist Ländersache, deshalb wird in manchen Bundesländern viel, in anderen weniger unterrichtet. Bereits in den Grundschulen weichen die Stundentafeln stark voneinander ab, was vor allem im Fach Deutsch zu großen Lücken bei den Schülern führen kann.

Kernaussagen in Kürze:
  • In den Grundschulen weichen die Stundentafeln in den einzelnen Bundesländern stark voneinander ab.
  • Vor allem im Fach Deutsch gibt es große Unterschiede beim Unterrichtspensum.
  • Die meisten Unterrichtsstunden für Grundschüler bietet Hamburg mit insgesamt 108 Wochenstunden in den Jahrgangsstufen eins bis vier.
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Die Grundschulen in Deutschland sind besonders: Während Grundschüler hierzulande mehr oder weniger ausschließlich vormittags die Schulbank drücken, tun sie dies in Frankreich, den USA oder Neuseeland schon als i-Dötzchen bis 15 Uhr oder länger. Auch dass die Grundschulzeit in Deutschland nur vier Jahre dauert – mit Ausnahme von Berlin und Brandenburg, wo Grundschüler sechs Jahre lang unterrichtet werden – ist eine Seltenheit.

Ihre Wurzeln hat die kurze Grundschulzeit in Deutschland im Weimarer Schulkompromiss von 1920, als progressive Parteien im Deutschen Reich ein Einheitsschulsystem schaffen wollten.

Da sich dies politisch nicht durchsetzen ließ, verständigte man sich auf vier Jahre gemeinsames Lernen in der Grundschule als Minimalkompromiss. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten zwar die Alliierten, in Westdeutschland eine längere Phase des gemeinsamen Lernens zu etablieren, doch kehrten die Bundesländer in der frühen Nachkriegszeit sukzessive wieder zum in der Weimarer Republik etablierten System zurück. In der DDR dagegen wurde ein Einheitsschulsystem geschaffen, das erst nach der Wiedervereinigung zugunsten des gegliederten westdeutschen Schulsystems aufgegeben wurde.

In den Bundesländern gibt es große Unterschiede bezüglich des Unterrichtspensums, insbesondere im Fach Deutsch: In einigen Ländern werden durchschnittlich 27 Wochenstunden in den vier Jahrgängen unterricht, in anderen nur 23.

Demzufolge ist es kein Wunder, dass im Jahr 2021 mit 7,1 Prozent nur eine Minderheit der Grundschulkinder in Deutschland eine gebundene Ganztagsschule besuchte – also eine Grundschule mit verpflichtender Teilnahme am Nachmittagsprogramm. Doch selbst in diesen Schulen dürfte der reguläre Unterricht vielfach nur an den Vormittagen stattfinden.

Dass dieses Stundenkontingent oft nicht ausreicht, um die Schüler für den Übertritt auf eine weiterführende Schule vorzubereiten, zeigen die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends, der regelmäßig die Kompetenzen der Viertklässler in Deutsch und Mathematik überprüft:

Im Jahr 2021 verfehlten knapp 19 Prozent der Viertklässler die Mindeststandards im Lesen, fast 22 Prozent hatten eklatante Lücken in Mathematik.

Zehn Jahre zuvor erfüllten nur jeweils rund 12 Prozent der Schüler nicht die Anforderungen in diesen Disziplinen.

Wie viele gesetzlich geregelte Pflichtstunden die Grundschüler in Deutschland in den einzelnen Bundesländern haben, hat nun das Institut der deutschen Wirtschaft untersucht. Da das wöchentliche Unterrichtspensum in den ersten beiden Jahrgangsstufen grundsätzlich niedriger ausfällt als in den Jahrgangsstufen drei und vier, wird der Umfang des Unterrichts für vier Jahre Grundschulzeit insgesamt betrachtet. Für Berlin und Brandenburg, wo die Grundschule sechs Jahre dauert, wurden der besseren Vergleichbarkeit halber nur die Jahrgangsstufen eins bis vier berücksichtigt. Im Bundesländervergleich zeigt sich eine große Spannweite (Grafik):

Die meisten Unterrichtsstunden für Grundschüler bietet Hamburg mit insgesamt 108 Wochenstunden in den Jahrgangsstufen eins bis vier. Das entspricht durchschnittlich 27 Stunden je Schuljahr.

So viele Schulstunden werden an Grundschulen wöchentlich in den ersten vier Jahrgangsstufen unterrichtet Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Am anderen Ende der Skala befinden sich Hessen und Schleswig-Holstein mit insgesamt je 92 Unterrichtsstunden in der Woche, was rein rechnerisch 23 Wochenstunden pro Jahrgang ergibt.

Verpflichtender Religionsunterricht in Bayern

Die großen Unterschiede im Stundenpensum der einzelnen Bundesländer relativieren sich allerdings etwas, wenn man berücksichtigt, dass beispielsweise in Bayern mit insgesamt 104 wöchentlichen Schulstunden über alle vier Schuljahre hinweg allein zehn Wochenstunden für den verpflichtenden Religionsunterricht vorgesehen sind. Auch in Rheinland-Pfalz entfallen substanzielle Teile des Pflichtunterrichts an den Grundschulen auf dieses Fach. In den brandenburgischen Grundschulen dagegen ist Religion oder Ethik kein Pflichtfach. Außerdem beinhaltet die IW-Zusammenstellung des Unterrichtspensums keine freiwilligen Angebote der Grundschulen und Horte, die die Kompetenzentwicklung der Kinder ebenfalls stark fördern können.

Was aber ist mit den in der Grundschule besonders wichtigen Fächern Deutsch und Mathematik? Hier offenbart sich ein relevanter Unterschied zwischen den Bundesländern (Grafik):

Während das Pensum des Matheunterrichts mit wöchentlich 20 bis 22 Stunden über alle Jahrgangsstufen hinweg in sämtlichen Bundesländern ähnlich hoch ist, besteht beim Deutschunterricht mit 31 Wochenstunden in Berlin und 20 im Saarland ein großes Gefälle.

So viele Schulstunden in Deutsch und Mathematik werden an Grundschulen wöchentlich in den ersten vier Jahrgangsstufen unterrichtet Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Saarland gibt es dafür eine große Zahl an Förderstunden, die gegebenenfalls für das Fach Deutsch eingesetzt werden können. Dieser Gestaltungsspielraum ist nicht selbstverständlich. In Hessen beispielsweise, das mit 22 Wochenstunden Deutsch ebenfalls am unteren Ende der Skala rangiert, gibt es keine solch flexible Förderstundenregelung. Hier sind alle Förderstunden auf konkrete Fächer festgelegt.

Ein vergleichbares Pensum wäre erstrebenswert

Um künftig ein vergleichbares Pensum an Deutschstunden während der Grundschulzeit zu erreichen, sollten sich die Bundesländer bei der Erstellung ihrer Stundentafeln an der Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz orientieren: Sie rät, in den vier Jahrgängen mindestens 20 Wochenstunden Mathematik und 24 Stunden Deutsch zu unterrichten.

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