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Hausaufgaben für die deutsche Bildungspolitik

Deutschland hat in der neuen PISA-Studie erschreckend schlecht abgeschnitten. Damit das deutsche Bildungssystem wieder erfolgreich wird, braucht es umfangreiche Investitionen. IW-Berechnungen zeigen: Es fehlt an allen Ecken und Enden – unter anderem in Kitas, bei der Ganztagsbetreuung in Schulen und bei den Lehrkräften.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Jugendlichen in Deutschland haben im internationalen Leistungsvergleich PISA ihr bisher schlechtestes Ergebnis erzielt.
  • Die Gründe für das schlechte Abschneiden sind vielfältig. Unter anderem mangelt es an Ganztagsbetreuungsplätzen und Lehrkräften.
  • Damit es wieder aufwärtsgeht, muss die Politik umfangreich investieren und Kinder stärker fördern. Zentral ist dabei, durch bessere Bildungschancen Ungleichheiten zu reduzieren und die vielen zugewanderten Kinder und ihre Familien besser zu integrieren.
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Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften: In diesen drei Bereichen hat die OECD im Frühjahr 2022 deutschlandweit rund 6.100 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren für die PISA-Studie getestet – die zum achten Mal durchgeführt wurde. Nun hat die Organisation den erschreckenden Befund veröffentlicht: Die Jugendlichen in Deutschland haben im internationalen Leistungsvergleich ihr bisher schlechtestes Ergebnis erzielt und liegen in den drei Teilbereichen im Vergleich der OECD-Staaten jeweils zwischen Rang 17 und 21. In allen drei Kategorien erzielten sie die niedrigsten Werte, die jemals für Deutschland im Rahmen der Studie gemessen wurden. Auch in den meisten anderen OECD-Staaten ist das Bildungsniveau gesunken – die Einbußen in Deutschland sind allerdings überdurchschnittlich groß.

Ein weiterer alarmierender Befund: Der Anteil der Jugendlichen auf der untersten Kompetenzstufe hat hierzulande erneut zugenommen. In kaum einem anderen Land ist der Leistungsunterschied zwischen schwachen und starken Schülern so groß wie in Deutschland. Wesentlicher Grund dafür: Die soziale Herkunft hat in der Bundesrepublik nach wie vor einen großen Einfluss darauf, wie gut Kinder in der Schule abschneiden. Vor allem zugewanderte Kinder haben es aufgrund der Sprachbarriere schwerer, dem Unterricht zu folgen.

Fehlende Plätze in der Ganztagsbetreuung

Absehbar werden die Probleme noch größer, wenn Deutschland nicht zügig und umfassend in die Bildung investiert und Kinder stärker fördert. So hat das IW berechnet, dass 2023 in Deutschland fast 300.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige fehlten (siehe „Mangel an Kitaplätzen für Kleinkinder”). Dabei ist gerade die frühkindliche Bildung wichtig, um keine Lernrückstände aufkommen zu lassen. An den Grundschulen sieht es nicht besser aus (Grafik):

Im Schuljahr 2021/2022 fehlten bundesweit rund 529.000 Ganztagsbetreuungsplätze für Grundschulkinder.

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Zu diesem Zeitpunkt wollten 73 Prozent der Eltern eines Kindes im Grundschulalter die Ganztagsbetreuung nutzen. Für diese etwa 2,2 Millionen Kinder gab es allerdings lediglich knapp 1,7 Millionen Ganztagsplätze – fast jedes vierte Kind, für das ein Platz gewünscht wurde, ging demnach leer aus.

Der vor zwei Jahren von der Bundesregierung beschlossene deutschlandweite Rechtsanspruch auf Ganztagsplätze an Grundschulen ab dem Schuljahr 2029/2030 dürfte vor diesem Hintergrund kaum zu erfüllen sein. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Zahl der Grundschüler bis 2029 gegenüber heute um rund 8 Prozent wachsen wird. Rein rechnerisch müssten – ausgehend von der momentanen Bedarfsquote – bis dahin nahezu 700.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden.

 

Fehlende Ganztagsbetreuungsplätze und der Lehrkräftemangel sind zwei der vielen Probleme des deutschen Bildungssystems. Damit es wieder aufwärtsgeht, muss die Politik umfangreich investieren und Kinder stärker fördern.

Ein weiteres Problem des Bildungssektors: Es gibt zu wenige Lehrkräfte. Im Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung sahen im Herbst 2022 rund zwei Drittel der mehr als 1.000 befragten Schulleitungen den Personalmangel als größte Herausforderung. Eine weitere IW-Berechnung zeigt, wie groß die Lücke ist (Grafik):

Umgerechnet in Vollzeitbeschäftigte werden im Schuljahr 2024/25 voraussichtlich 36.000 Lehrkräfte fehlen. Ohne gezielte Maßnahmen könnte die Lücke fünf Jahre später auf 66.000 Vollzeitkräfte wachsen.

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Wie es wieder aufwärtsgeht

Um den Bedarf zumindest ein Stück weit zu decken, könnten Quereinsteiger helfen. Ausgehend von den Zahlen der vergangenen Jahre könnten zwischen 4.000 und 6.000 von ihnen pro Jahr eine Lehrerstelle antreten. Damit würden im Schuljahr 2024/25 nur noch 23.000 Stellen unbesetzt bleiben. Im Schuljahr 2029/30 wären es mit 28.000 freien Stellen kaum mehr – die Lücke wäre also rund 58 Prozent kleiner als ohne Quereinstiege.

Die Politik ist dementsprechend gut beraten, Quereinstiege in den Lehrberuf weiter zu fördern und die Personen durch hochwertige Angebote zur Nachqualifizierung im pädagogischen Bereich fit für den Job zu machen. Außerdem sollten künftig Ein-Fach-Lehrkräfte zugelassen und die Potenziale von zugewanderten Lehrkräften besser genutzt werden.

Was ist in der Bildungspolitik darüber hinaus zu tun? Zentrale Aufgabe ist es, durch bessere Bildungschancen Ungleichheiten zu reduzieren und die vielen zugewanderten Kinder und ihre Familien besser zu integrieren. Die Kinder brauchen Sprachförderung, Ganztagsangebote und die Möglichkeit, eine Kita zu besuchen. Der Staat sollte auch Mentoring- und Nachhilfeprogramme stärker fördern sowie Elternpartnerschaften und Familienzentren ausbauen. Wichtig ist zudem, das digital gestützte Lernen in der Lehrkräfteausbildung zu verankern und an den Schulen multiprofessionelle Teams – unter anderem mit IT-Experten – aufzubauen.

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