Tarifpolitik Lesezeit 3 Min.

Lohn-Preis-Spirale muss im Blick behalten werden

Die Inflationsrate dürfte ihren Höhepunkt überschritten haben. Die Tarifforderungen ziehen dagegen weiter an. Sollten sich die Gewerkschaften mit ihren Forderungen durchsetzen, kommt es zur Lohn-Preis-Spirale. Das würde auch zu Konflikten mit der Europäischen Zentralbank führen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Tarifforderungen der Gewerkschaften liegen weit über der aktuellen Inflation und würden Unternehmen und Kommunen finanziell stark belasten. Sollten sich die Gewerkschaften durchsetzen, kommt es zur Lohn-Preis-Spirale.
  • Zwar blieben die Tarifverdienste im vergangenen Jahr hinter der Teuerungsrate zurück, das dürfte sich aber bald ändern.
  • Muss die Europäische Zentralbank die Zinsen über Gebühr anheben, um die durch eine Lohn-Preis-Spirale ausgelöste Inflation abzufedern, würde dies die Wirtschaft zusätzlich schwächen.
Zur detaillierten Fassung

Mit der steigenden Inflation im vergangenen Jahr gingen auch die Lohnforderungen der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen nach oben. Während sich die IG Metall bis heute in einem Korridor von 8 bis 8,5 Prozent bewegt, wollen ver.di und andere Gewerkschaften deutlich mehr. Für den öffentlichen Dienst fordert ver.di 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro – effektiv wären das knapp 15 Prozent. Bei der Deutschen Post soll das Plus nach dem Willen der Gewerkschaft gleich 15 Prozent betragen, die Deutsche Bahn sieht sich einer Forderung von 12 Prozent gegenüber. Mindestens sollen es hier aber 650 Euro mehr Gehalt sein, was effektiv auf 18 Prozent hinausliefe.

Die Forderungen der Gewerkschaften liegen weit über der Jahresinflation – 2022 lag diese zunächst bei 7,9 Prozent, nach einer Anpassung der Berechnungsmethode dann bei 6,9 Prozent. In diesem Jahr wird die Inflation voraussichtlich 6 Prozent betragen.

Die Gewerkschaften ignorieren auch, dass durch die hohen Energiepreise Geld ins Ausland fließt und nicht bei heimischen Firmen zu mehr Gewinn führt. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel schätzt die Mehrausgaben für importierte Energie in diesem Jahr auf 136 Milliarden Euro. Dieser Umstand macht alle ärmer. Unternehmen haben weniger Geld für Investitionen, Arbeitnehmer weniger für ihren Konsum.

Inflationsausgleichsprämie bietet viele Vorteile

Die Bundesregierung hat bereits im vergangenen Jahr versucht, durch verschiedene Entlastungspakete die schlimmsten Folgen dieses Wohlstandsverlusts abzufedern. Dazu gehört auch eine abgabenfreie Einmalzahlung – die Inflationsausgleichsprämie: Bis Ende 2024 können Firmen bis zu 3.000 Euro je Beschäftigten zahlen, ohne dass der Empfänger Steuern oder Sozialabgaben zahlen muss. Es gilt brutto gleich netto.

Zwar argumentiert ver.di, dass die Preise nicht einmalig, sondern dauerhaft steigen – doch andere Gewerkschaften haben die Prämie in den Tarifrunden im vergangenen Herbst reichlich genutzt, etwa in der Chemie oder der Metall- und Elektro-Industrie. Denn die Prämie bietet gerade in der aktuellen Lage viele Vorteile: Vor allem Geringverdiener profitieren von der Ausschüttung. Gleichzeitig werden die Unternehmen nicht dauerhaft durch höhere Lohnkosten belastet, was den Druck mindert, steigende Lohnkosten auf die Güterpreise umzulegen. Mit den aktuellen Forderungen nimmt aber genau diese Gefahr zu:

Sollten die Gewerkschaften ihre Vorstellungen durchsetzen, beziffern allein die Kommunen die daraus entstehenden Kosten auf 15,4 Milliarden Euro.

Damit würde etwa für dringend benötigte Investitionen, Neueinstellungen und künftige Tarifrunden Geld fehlen. Bund und Kommunen haben nun selbst ein Angebot vorgelegt: schrittweise 5 Prozent mehr Lohn bis Juni 2024, steuerfreie Einmalzahlungen von insgesamt 2.500 Euro je Beschäftigten sowie eine Erhöhung des Weihnachtsgelds.

Die Tarifforderungen der Gewerkschaften liegen weit über der aktuellen Inflation und würden Unternehmen und Kommunen finanziell stark belasten. Sollten sich die Gewerkschaften durchsetzen, droht eine Lohn-Preis-Spirale.

Verhandlungen laufen auch bei den ehemaligen Staatsunternehmen Deutsche Post und Deutsche Bahn. Die Bahn beziffert die zusätzlichen Kosten der Gewerkschaftsforderungen auf 2,4 Milliarden Euro. Dieser Kostenschub träfe die Bahn zu einem Zeitpunkt, wo sie sich noch von den Folgen der Pandemie erholt. Laut Unternehmen beläuft sich der operative Verlust für 2022 im Systemverbund Bahn auf etwa 800 Millionen Euro.

Die Deutsche Post denkt angesichts der hohen Forderungen von ver.di und dem zuletzt abgelehnten Gegenangebot über eine Auslagerung ihrer Betriebs- und Sortierzentren nach.

Konflikte zwischen Lohn- und Geldpolitik drohen

Generell blieben die Tarifverdienste im vergangenen Jahr hinter der Teuerungsrate zurück (Grafik):

in Deutschland, Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das dürfte sich aber bald ändern. Zum einen schließen die in verschiedenen Branchen bereits vereinbarten Inflationsausgleichsprämien zumindest einmalig einen großen Teil der Lücke. Zum anderen nehmen die prozentualen Entgeltsteigerungen stetig zu. Hohe Abschlüsse bei einem erwarteten Rückgang der Inflationsraten würden diesen Trend noch verstärken.

Im Gesamtkontext dürfen die Gewerkschaften ohnehin zwei Punkte nicht ignorieren. Der erste (Grafik):

Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise stiegen die Reallöhne jahrelang deutlich.

Entwicklung von Tariflöhnen je Stunde und Verbraucherpreisen in Deutschland, 2010 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Und zweitens sind angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung Reallohnverluste volkswirtschaftlich betrachtet zumindest vorübergehend unvermeidbar.

Je weniger die Gewerkschaften dies akzeptieren, desto eher drohen Konflikte zwischen Lohn- und Geldpolitik – auch über Deutschland hinaus. Muss die Europäische Zentralbank die Zinsen über Gebühr anheben, um die durch eine Lohn-Preis-Spirale ausgelöste Inflation abzufedern, würde dies die Wirtschaft zusätzlich schwächen.

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