Tarifpolitik Lesezeit 3 Min.

Löhne im Zeichen von Corona

Die Tarifverhandlungen im ersten Halbjahr 2020 liefen nicht so wie gewöhnlich. Durch die Corona-Krise mussten Gewerkschaften und Arbeitgeber kurzfristig umdenken und ihre Ziele neu definieren. In der Metall- und Elektro-Industrie haben sich die Sozialpartner schnell geeinigt und damit eine Blaupause für andere Branchen geschaffen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Wegen der Corona-Krise liefen die Tarifverhandlungen im ersten Halbjahr 2020 anders als üblich.
  • Es ging sowohl für die Gewerkschaften als auch für die Arbeitgeber darum, mit gezielten Maßnahmen möglichst gut durch die Krise zu kommen und Arbeitsplätze zu sichern.
  • Die Entgelte bleiben in der M+E-Industrie bis Ende 2020 unverändert. Um mittels Kurzarbeit Entlassungen zu vermeiden, wurde gleichzeitig der Tarifvertrag Zukunft in Arbeit reaktiviert und ein Solidartarifvertrag abgeschlossen.
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Eigentlich sollte 2020 verglichen mit den Vorjahren ein eher kleines Tarifjahr mit wenigen Verhandlungen werden. Eigentlich.

Doch die Corona-Krise hat dazu geführt, dass nicht nur planmäßige Tarifverhandlungen im ersten Halbjahr stattfanden – darunter in der Metall- und Elektro-Industrie und im Baugewerbe –, sondern auch in vielen weiteren Branchen Gespräche geführt wurden. Eines hatten die Verhandlungen branchenübergreifend gemeinsam: Es ging sowohl für die Gewerkschaften als auch für die Arbeitgeber darum, mit gezielten Maßnahmen möglichst gut durch die Krise zu kommen und Arbeitsplätze zu sichern.

In der Metall- und Elektro-Industrie haben sich die Tarifparteien in der Tarifrunde 2020 schnell geeinigt und damit eine Blaupause für andere Branchen geschaffen.

In der Metall- und Elektro-Industrie hatte die IG Metall bereits Ende Januar 2020 – also noch vor der Corona-Pandemie – angekündigt, in der Tarifrunde auf eine konkrete Lohnforderung zu verzichten, wenn die Arbeitgeber im Gegenzug Personalabbau, Standortschließungen, Ausgliederungen oder Verlagerungen ausschließen. Die Gewerkschaft forderte, Beschäftigung und Unternehmensstandorte durch Investitionen und Qualifizierung zu sichern und Perspektiven zu entwickeln. Die Arbeitgeber griffen das Gesprächsangebot auf.

Nach drei Sondierungsrunden im Februar wurden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie aber offensichtlich. Die Tarifparteien reagierten schnell und einigten sich am 19. März auf einen Pilotabschluss in NRW, der auch in anderen Tarifgebieten weitgehend übernommen wurde (Grafik):

Die Entgelte bleiben in der M+E-Industrie bis Ende 2020 unverändert. Um mittels Kurzarbeit Entlassungen zu vermeiden, wurde gleichzeitig der Tarifvertrag Zukunft in Arbeit (TV ZiA) reaktiviert und ein Solidartarifvertrag abgeschlossen.

Forderungen und Abschlüsse bzw. Stand der Verhandlungen in ausgewählten Branchen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Er sieht Erleichterungen bei der Kurzarbeit vor, indem die Remanenzkosten durch Umlage der tariflichen Sonderzahlungen gesenkt werden können, wenn dafür Beschäftigungssicherung gewährt wird. Darüber hinaus kann nach mindestens sechs Monaten Kurzarbeit auf dieser Basis eine Art Kurzarbeit auf tarifrechtlicher Basis für weitere zwölf Monate – mit Teilentgeltausgleich statt Kurzarbeitergeld – vereinbart werden.

Schnelle Reaktion wegen Corona

Die M+E-Industrie diente mit ihrem Abschluss als Vorbild. Auch in anderen Branchen wurde die Kurzarbeit zum zentralen Thema – selbst in denen, die keine regulären Tarifverhandlungen in diesem Jahr hatten, wie etwa die Chemische Industrie. Hier wurden neben Regelungen zur Kurzarbeit auch Vereinfachungen für das mobile Arbeiten beschlossen.

Dass viele Branchen kurzfristig auf die Pandemie reagiert haben, war ein richtiger und wichtiger Schritt, wie ein Blick auf die aktuellen Wirtschaftsdaten zeigt (Grafik):

Im zweiten Quartal 2020 sank das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum ersten Quartal um mehr als 10 Prozent.

Veränderung wichtiger Konjunkturindikatoren in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auftragseingänge und Produktion in der Industrie sowie die Warenexporte fielen noch stärker.

Zwar scheint sich die Wirtschaft allmählich zu erholen, doch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Form von Kurzarbeit und Umsatzeinbußen werden die Tarifverhandlungen auch in naher Zukunft beeinflussen. Dabei wird das Thema Beschäftigungssicherung weiter im Mittelpunkt stehen.

Langfristig drohen indes neue Verteilungskonflikte. Je mehr die Corona-Krise überwunden wird, desto eher werden die Tarifparteien in den einzelnen Branchen darüber diskutieren, wie die mit der Krise zusammenhängenden Lasten – Lohnverzicht auf Arbeitnehmerseite, Umsatzverluste auf Unternehmensseite – von beiden Parteien zu schultern ist. Die Stunde der Sozialpartnerschaft schlägt deshalb nicht nur in der Krise, sondern auch danach.

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