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Krisen der deutschen Wirtschaft – vor 50 Jahren und heute

Ein Vergleich der aktuellen Krise mit der Situation in der Bundesrepublik zur Mitte der 1970er Jahre lässt deutliche Parallelen erkennen. Zwar unterscheidet sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt wesentlich von der damaligen, dennoch sind viele Herausforderungen für die Politik ähnlich wie vor 50 Jahren.

Kernaussagen in Kürze:
  • Vor 50 Jahren erschien die erste Ausgabe der wissenschaftlichen Reihe IW-Trends – Anlass für das IW, die damalige Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik mit der aktuellen Situation zu vergleichen.
  • Einige Parallelen sind offensichtlich – damals wie in jüngster Zeit haben die hohen Energiepreise die allgemeine Inflation angeheizt und die Konjunktur gedrosselt. Der Staat ist entsprechend erneut gefordert.
  • Deutlich verändert hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt, vor allem angesichts des demografischen Wandels.
Zur detaillierten Fassung

Vor 50 Jahren erschien die erste Ausgabe der wissenschaftlichen Reihe IW-Trends – und damals wie heute wurde die Wirtschaft in Deutschland von einer Energiekrise und deren Folgen gebeutelt. Anlass genug für das IW, die Situation zur Mitte der 1970er Jahre mit der jetzigen zu vergleichen. Einige Parallelen sind offensichtlich – die hohen Energiepreise haben die allgemeine Inflation angeheizt und die Konjunktur gedrosselt.

Der Staat steht erneut vor der Herausforderung, wirtschaftliches Wachstum zu fördern und zugleich die Stabilität der öffentlichen Haushalte zu wahren.

Deutlich verändert hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt, vor allem angesichts des demografischen Wandels. Letzterer erfordert dringender denn je eine Antwort auf die seit Jahrzehnten diskutierte Frage, wie viel Sozialstaat wir brauchen und wie dieser zu finanzieren ist.

Wie schon ab 1974 sind auch in jüngster Zeit die Importkosten für Energiegüter drastisch gestiegen. Erhöhte damals fast ausschließlich der Ölpreis die deutsche Energierechnung, waren es zuletzt Öl und Erdgas gleichermaßen. Die Reaktion der Wirtschaftspolitik unterscheidet sich ebenfalls: Mit einem nach- frageorientierten Konjunkturprogramm hatte der Staat die erste Ölkrise noch weiter angefacht – im Jahr 2022 hat die Bundesregierung mit Preisbremsen dagegengehalten.

Deutschlands Nettoimporte von Erdgas und Erdöl in Prozent des Bruttoinlandsprodukts Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Getrieben von den gestiegenen Gas- und Ölpreisen hat die Inflation in Deutschland im Jahr 2022 kräftig angezogen. Allerdings spielen auch nachfrageseitige Effekte eine Rolle für die jüngste Teuerungswelle – etwa die hohe Bereitschaft der Bundesbürger, nach der Pandemie wieder Geld für Urlaube und Freizeitaktivitäten auszugeben.

Veränderung der Verbraucherpreise in Deutschland gegenüber Vorjahresmonat in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Ölkrise zur Mitte der 1970er Jahre sowie die Pandemie und die Folgen des Ukraine-Kriegs haben die Wirtschaftsleistung in (West-)Deutschland zumindest zeitweise sinken lassen. Dabei ging der private Konsum in der jüngsten Krisenphase deutlich stärker zurück. Die Bauinvestitionen litten dagegen 1974 und 1975 erheblich mehr als zuletzt, vor allem infolge des damals hohen Zinsniveaus.

Veränderung zentraler Konjunkturindikatoren gegenüber dem Vorjahr in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Analog zur Energiekrise vor 50 Jahren stehen auch heute die öffentlichen Haushalte unter Druck. Um dem Wirtschaftswachstum neue Impulse zu geben, wäre es dennoch geboten, die in Deutschland hohe Steuer- und Abgabenlast zu senken. Die im langfristigen Vergleich immer noch moderate Schuldenlast und Zins-Steuer-Quote bieten dafür die nötigen Finanzierungsspielräume.

Schuldenstand in Deutschland in Prozent des Bruttoinlandsprodukts Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Infolge der ersten Ölkrise stieg die Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik lange Zeit stark. Eine ähnliche Entwicklung ist heute nicht zu erwarten, vor allem aufgrund der gänzlich anderen demografischen Situation. Strömten in den 1970er Jahren die Babyboomer auf den Arbeitsmarkt, gilt es jetzt, den Arbeitskräftemangel zu verringern – unter anderem durch Qualifizierungsmaßnahmen und die Integration zugewanderter Fachkräfte.

Arbeitslose in Prozent der abhängigen Erwerbspersonen in Westdeutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Der deutsche Sozialstaat ist in den 1970er Krisenjahren stark gewachsen. Dabei hat sich auch der Anteil der umlagefinanzierten gesetzlichen Sozialversicherung deutlich erhöht. Heute machen deren Leistungen fast 60 Prozent des gesamten Sozialbudgets aus. Dies ist angesichts der alternden Bevölkerung ein großes Problem, weil es künftig immer weniger Beitragszahler, aber mehr Leistungsempfänger gibt.

Anteil der Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung in Deutschland am Sozialbudget in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

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